Irgendwo zwischen den großen True-Crime-Fiktionalisierungen der Saison 2006/2007, nämlich „Black Dahlia“ und „Zodiac“, empfing Allen Coulters kleineres, aber doch prominent besetztes Noir-Drama „Hollywoodland“ wenig Beachtung.
Wie die Filme von de Palma und Fincher arbeitet auch „Hollywoodland“ einen realen Fall auf, bei dem ebenfalls die Umstände nicht ganz klar sind – hier allerdings noch nicht einmal, ob es Mord war. Offiziell gilt der Tod von George Reeves (Ben Affleck), der im Fernsehen der 1950er den Superman gab und 1959 durch einen Kopfschuss verstirbt, als Selbstmord. Natürlich ein eigenwilliges Schicksal für einen derart bekannten und beliebten Darsteller, weshalb natürlich auch in der außerfilmischen Realität immer wieder an der offiziellen Version gezweifelt wurde – Zweifel, welche die Grundlage für Coulters Film sind.
Auf der einen Seite ist da der geschasste Ex-Cop und jetzige Privatdetektiv Louis Simo (Adrien Brody), der (scheinbar) untreuen Ehepartnern hinterher forscht, damit mehr schlecht als recht über die Runden kommt, ein Verhältnis mit seiner Sekretärin hat und in Scheidung von seiner Frau Laurie (Molly Parker) und seinem Sohn Evan (Zach Mills) lebt. Für diesen klassisch-abgeranzten Schnüffler ist der Fall ein gefundenes Fressen, weshalb er sich von Reeves‘ Mutter beauftragen lässt und einen Medienzirkus startet, der auch ihm selbst nutzt.
Parallel dazu erzählt „Hollywoodland“ in Rückblenden die Geschichte von George Reeves, der sich auf der Suche nach Rollen mit Tori (Diane Lane), der Gattin des hochrangingen MGM-Managers Eddie Mannix (Bob Hoskins) einlässt, was der Beginn einer nicht immer nur glücklichen Beziehung ist…
Die beiden Handlungsstränge des Films bedienen zwei verschiedene Genres, bei denen der erste zwar den zweiten untersucht, letzterer „Hollywoodland“ aber seinen Stempel aufdrückt: Trotz aller Noir- und True-Crime-Einflüsse ist Coulters Film in erster Linie ein Drama. Vor allem das von Reeves, der nach Herausforderungen sucht, den Superman-Job dagegen eher aus Geldgründen und ohne große Erwartungen annimmt, was zu einem Problem wird, da das Publikum ihn auf eine Rolle festlegt und ambitionierte Rollen daran scheitern – stark verdeutlicht in einer Szene während der „Verdammt in alle Ewigkeit“-Premiere. Es ist ein Portrait, das Lebenslügen aufzeigt, das Auf und Ab George Reeves‘, aber auch Tonis zeigt, denn ihre Beziehung bleibt die große, teilweise aber auch tragische Konstante. Dabei entlarvt Coulter mit zwar wenig Schärfe, aber einigem Witz das System des klassischen Hollywood, vor allem in der pointierten Szene, in der das Mannix-Ehepaar zum Essen in Restaurant die jeweiligen Geliebten mitbringt: Reeves sowie eine des Englischen angeblich nicht mächtige Japanerin.
Tatsächlich wechseln sich die Handlungsstränge ab und erklären einander, doch Coulter präsentiert drei verschiedene mögliche Tathergänge und präsentiert noch mehr Verdächtige, doch eine klare Lösung strebt er nicht an. Gleichzeitig ist klar, dass das Hollywoodsystem, egal was passierte, Schuld am Tod Reeves' ist, denn bewusst oder unbewusst zerstörte man da seine Träume, aber neben Wegen in den Selbstmord gibt es da auch noch den einen oder anderen potentiellen Mörder. Tatsächlich dekliniert Coulter seine Gedankenspiele nicht ganz durch, lässt eine Lösung am Ende als wahrscheinlichste stehen, sondern lässt offen, was damals passiert sein könnte, was im Kontext des Films nicht störend wirkt.
Tatsächlich ist es dann eher die Detektivfigur, die „Hollywoodland“ ein wenig bremst, denn schlussendlich gibt es wenig herauszufinden für ihn, auch wenn natürlich das im Noir üblichen (Kompetenz-)Gerangel mit der Polente ebenso wenig fehlt wie das kaputte Privatleben. Die fiesen Ex-Kollegen, der idealistische Cop Jack Paterson (Dash Mihok), die Sekretärin, die Ex-Frau, der Sohn (der, um die Dinge psychologisch zu verkomplizieren, Superman-Fan ist) – die Standardfiguren geben sich die Klinke in die Hand, teilweise vertiefen sie die Figur des Detektivs (die dem Film aber weniger wichtig ist die Reeves‘), teilweise nicht, teilweise treiben sie den Plot voran, teilweise nicht. Auch ein Subplot um einen Ehemann, der fanatisch glaubt, dass seine Frau ihn betrügt, den Simo allerdings eher ausnimmt, ist eher ein Nebenschauplatz. Wobei all dies immerhin eine andere, nicht ganz unwichtige Funktion erfüllt: Sie zeichnet ein düsteres Bild der Stadt der Engel, klar im Stile des Noir, denn hier vertrauen sich die Leute nicht. Dabei werden Simo und Reeves, gerade durch den Wechsel ihrer Geschichten, in eine Art Verwandtschaftsverhältnis gesetzt – der eine droht an den Verhältnissen zugrunde zu gehen, der andere leidet auch, aber hat sich abgehärtet. Das Spiel versuchen aber beide mit ähnlichen Mitteln zu spielen, gerade wenn sie sich effektiv ins Kameralicht schleichen.
Für die Hauptrollen haben Coulter und sein Castingteam zum Glück entsprechend starke Darsteller gefunden. Adrien Brody bekommt zwar die weniger dankbare Figur, kann diese aufgrund seines Talents aber genug in den Vordergrund spielen, während sich der erfreulich uneitle Ben Affleck mit falscher Nase und etwas dicklicher wieder freispielt, nachdem er sich mit seinen Leistungen in Werken wie „Paycheck“ und „Gigli“ ins Aus manövrierte. Ebenso stark ist aber auch Diane Lane als dritte Hauptdarstellerin, die ihre alternde Schönheit mit Facettenreichtum ausstattet, während in den Nebenrolle Bob Hoskins, Dash Mihok und Robin Tunney (als Reeves‘ Verlobte) Akzente zu setzen vermögen.
Kein Thriller mit abertausend Wendungen, großem Schlusstwist und eindeutigen Lösungen, sondern ein ruhiges Drama über Hollywood in den 1950ern, wunderbar ausgestattet und stark gespielt, mit entsprechendem Noir-Flair, aber auch einer eher gemächlichen Erzählweise. Dass nicht jeder Subplot überzeugt und der Detektivplot zugunsten des Portraits von Reeves‘ deutlich zurücksteckt, muss man dabei allerdings verkraften.