Mit seinem monumental inszenierten "Gladiator" belebte Ridley Scott in der Tat wieder das Genre des Sandalenfilms. Doch so leicht lässt sich Filmgeschichte nicht schreiben; an Qualität in allen Bereichen bedarf es dazu auch heute noch. Und da liegt schon das Problem: "Gladiator" ist qualitativ keineswegs perfekt. Hauptmanko ist die simpel gestrickte Story, die die römische Politik als Aufhänger benutzt und zudem an historischer Authentizität zu knabbern hat.
Erzählt wird die Geschichte des erfolgreichen Feldherrn Maximus, der von Kaiser Marcus Aurelius gebeten wird, seine Nachfolge anzutreten. Marcus' Sohn Commodus kann mit dieser Entscheidung nicht leben und tötet daraufhin seinen eigenen Vater. Danach soll Maximus samt seiner Familie exekutiert werden. Doch er kann dem Tod entkommen, wird zunächst Sklave und später Gladiator. Die Rollen sind dabei bereits früh klar verteilt worden - klischeehaft gezeichnete Charaktere das Ergebnis. Auf der einen Seite ist unser am Tiefpunkt seines Lebens angekommene, seelisch zerbrochene Held Maximus, den anscheinend nur gute Quellen durchströmen, denn er tötet ja selbst dann nicht immer, wenn er es eigentlich muss. Auf der anderen Seite steht der abgrundtief böse, skrupellos dargestellte, aber feige Imperator Commodus, der die Macht an sich reißen will.
Die wahre Story stützt sich allerdings nur auf ein Element. Unser unfreiwillige Held lebt nämlich nicht mehr für Rom, er will nicht wirklich eine Republik formen, er will nur eins: Rache am Imperator nehmen. Jedes andere Gerede um eine römische Republik, die Kaiser Marcus Aurelius wollte, ist eigentlich marginal und unehrlich gegenüber Maximus' wahren Interessen. Die Verpackung des scheinbaren Verbesserers Maximus, der in seiner Zeit als aufständischer Gladiator nicht ohne Grund tötet, das Barbarentreiben kritisiert und Marcus Aurelius’ Wunsch, aus Rom eine Republik zu formen, realisieren will, stimmt allerdings, sodass sich der Großteil des Publikums von der extensiv umfangreichen Story mit ihren scheinbar ausgewogenen kritischen Aspekten täuschen lässt. Die dem Aufhänger dienenden zahlreichen, müden Dialoge über römische Politik sind demnach auch mehr Last als Genuss. Ausnahmen gibt es, doch insgesamt fällt das Gerede um den wirklichen Handlungskern oftmals zu langatmig aus. Zudem schmälert die historische Ungenauigkeit weiter den Gesamteindruck. So ist geschichtlich natürlich nichts von einer Ermordung Marc Aurels durch seinen eigenen Sohn nachzulesen. Immerhin kommt der von Joaquin Phoenix gut gespielte Commodus dem wahren Imperator schon recht nahe. Für sein Willkürregime, seine Eitelkeit und sogar sein öffentliches Auftreten als Gladiator war er tatsächlich bekannt.
Das Ende schweift dann jedoch auch schon wieder von der Realität ab. Obwohl gute Seiten des Kaisers Commodus hier wegen der dem Drehbuch zu verdankenden, einseitigen Charakterzeichnung leider fast verborgen bleiben, so kann Joaquin Phoenix mit seiner Darbietung auf alle Fälle überzeugen. Gleiches gilt für Richard Harris in seiner kurzen Rolle des Marcus Aurelius. Russel Crowe dagegen wird hier meiner Meinung nach maßlos überschätzt. Sein Mienenspiel ist sehr schwerfällig, Emotionen kommen nur schwer zum Ausdruck. In der Szene, wo Maximus vor die aufgehängten Leichen seiner Familie kniet, versucht Crowe krampfhaft einen angemessenen Gesichtsausdruck aufzulegen. Wirklich hundertprozentig überzeugend ist nur sein imposantes Auftreten bei Kämpfen. Weiterhin wird im Nebendarstellerbereich der Part der Schwester Commodus’, Lucilla, durch Connie Nielsen ebenfalls nicht ganz ausgereizt.
Nach all der überwiegend eher negativen Kritik, die hier vielleicht schon zu viele Zeilen infiziert hat, darf keineswegs Ridley Scotts gewaltige, gar pompöse Inszenierung des Spektakels in Vergessenheit geraten. Wieder einmal zeichnet sich Scott durch seine atemberaubenden Bilder aus und bietet dem Zuschauer mit der Schlacht gegen die Germanen gleich zu Beginn eine vorzügliche Kostprobe. Sein Inszenierungsstil in actionhaltigen Szenen ist wie in seinen letzten Werken von einer elegant hektischen Kameraführung, sowie sehr schnellen Schnitten geprägt. Dazu kommt noch die gesamte Ausstattung mit ihren Kostümen und beeindruckenden, wenn auch teils im Computer entstandenen Kulissen. Zum visuellen Erlebnis ergänzt sich schließlich noch der gute Soundtrack von Hans Zimmer.
Optisch ist "Gladiator", indem Ridley Scott erneut sein Talent unter Beweis stellt, wahrlich ein Fest. Doch leider ist die Handlung nicht ganz ausgereift und von einer ungenauen Darstellung tatsächlich historischer Begebenheiten, sowie einer zu einfachen Handlungsstrukturierung, bei der das zu oberflächliche Motiv Rache an oberster Stelle steht, gekennzeichnet. (7+/10 Punkten)