Verpasst man einer Rostlaube einen neuen Anstrich, ändert sich dadurch vielleicht die Optik, aber wohl kaum die grundsätzliche Beschaffenheit der Karre. Analog könnte man sagen, Schund bleibt Schund, egal wie aufwendig er verpackt ist. Die Handlung von "Gladiator" hat nicht mehr Tiefgang als die denkbar flachste Pulpstory, auch wenn Ridley Scott sein Werk im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten bis zum Gehtnichtmehr aufgeblasen hat. Reine Geschmacksache, könnte man argumentieren, gingen mit der Inhaltsleere symptomatisch nicht auch noch zahlreiche weitere Mangel- und Abnutzungserscheinungen einher. Vielleicht lag es letztlich an diesen Mängeln, dass ich - obwohl durchaus auch für Schundfilme empfänglich - an "Gladiator" nur recht wenig Freude hatte.
Damit die entsprechend epischen Kosten dieser epischen Produktion wieder reinkommen, wurde das im eigentlichen Sinne des Wortes leider nur wenig epische "Epos" natürlich zu 100% auf Mainstreamtauglichkeit hin gebürstet. So musste etwa für die Charakterzeichnung einmal mehr die altbewährte Schwarz-Weiß-Schablone herhalten, die weder Farbtupfer, geschweige denn Grautöne kennt und worüber selbst bombastischste Kulissen nebst pompösester Ausstattung nicht hinwegtäuschen können. Damit auch der ahnungsloseste Zuschauer begreift, wer nun in den folgenden (beinahe) 3 Stunden die Guten und die Bösen sind, dürfen sich der greise Imperator und sein missratener Sohn alsbald ihren Katalog der Tugenden gegenseitig um die Ohren hauen. Da reichen dann jeweils vier Schlagwörter um zu wissen, wer wie gepolt ist und wahrscheins stand im Drehbuch zu den einzelnen Figuren auch nicht mehr drin.
Leider sieht das Drehbuch unter diesen Vorzeichen auch keinen Bedarf an überzeugender Schauspielkunst oder echten Gefühlen, sondern begnügt sich mit schmalzigem Pathos, was im Hinblick auf die emotionalen Rezeptoren der anvisierten Zielgruppe in der Regel ja auch eine absolut sichere Nummer darstellt. Exemplarisch seien diesbezüglich die harten "Männergespräche" vor Lisa Gerrards eso-schwebsenhaften (aber immer schön poppigen) Hintergrundgesäusel des (im übrigen vollkommen austauschbaren Hans Zimmer Soundtracks) genannt, in denen uns der Gladiator im Zwiegespräch mit seinen Buddies in einfachen, klaren Worten die Welt erklärt. Was ist richtig und wichtig im Leben? Keine Ahnung? Macht nix - erklär' ich dir auf dem Weg in die Arena! Die Sendung mit der Maus für echte Männer oder solche die es gerne wären.
Ach Maximus, du taugtes angesichts deiner Tugendhaftigkeit, deinem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, deiner unerschütterlichen Treue zu Herr und Heimat, deiner vorbildhaften Verbundenheit zu Weib und Kind und letztlich natürlich dem Nimbus deiner militärischen Unbesiegbarkeit auch als guter amerikanischer Patriot in jedem Kriegsfilmchen, welches die unendliche Auseinandersetzung zwischen den aufrechten, tapferen Bewahrern der Freiheit und ihren feigen, intriganten, gottlosen und natürlich vollkommen undemokratischen Widersachern zum ewigen Heldenepos stilisiert!
Selbst die aus gutem Grund hektisch und schnell geschnittenen Schlacht- und Arenaszenen bieten in diesem Kontext nur das absolut notwendige Maß an Abwechslung zwischen Gelaber und kitschigen Fantasykalendermotiven um das Interesse bis zum unsäglich einfallslosen und öden Showdown aufrecht zu erhalten. Immerhin kann Ridley Scott dadurch beweisen, wie formidabel berechenbar die Erwartungshaltung seines Publikums doch ist. Funktioniert nicht auch Werbung und Propaganda so ähnlich? Ach egal!
Nicht egal vielleicht, dass dabei über die tatsächliche Brutalität der gezeigten Inhalte hinweggetäuscht wird. Denn manch ein Zombiesplatterbeitrag geht weniger verharmlosend und schönfärberisch mit exzessiver Gewalt und ihrer Rechtfertigung um wie eben der triviale Unterhaltungsfilm, noch dazu mit einem entsprechenden Realitätsbezug wie "Gladiator". Einen historisch korrekten Historienfilm sollte man dennoch nicht erwarten, was angesichts der Zielsetzung der Produktion jedoch kaum überraschend und auch nicht wirklich kritikwürdig ist.
Als am wenigsten erfreulich ist schließlich der insgesamt äußerst formelhafte Gesamteindruck eines nach Schema-F inszenierten Blockbusters zu nennen. Alleine der Maßstab der Produktionsbedingungen unterscheidet "Gladiator" auf den ersten Blick von anderen Vertretern seines Genres, womit ausdrücklich nicht ausschließlich der Monumental- oder Historienfilm an sich gemeint ist, sondern vielmehr das leidlich innovative, völlig berechenbare, klischeebeladene und stereotype Mainstreamkino des Digitalzeitalters. Dafür 5 Oscars?
"Überrascht uns!" würde man dem Ensemble und seinem Regisseur für eine solche Darbietung vom Kinosessel aus gerne zurufen, wüsste man nicht von vorneherein, dass dieser Wunsch ohnehin im Applaus der Menge untergeht, die das Spektakel im Kolosseum mit einem gänzlich anderen Anspruch betrachtet.