Review

"I don't know what's left of me, but you can fuck it if you want."

Dieses Zitat aus "Slaughtered Vomit Dolls" gibt einen Eindruck davon, was der Film hätte werden können, wäre er nicht in einer spätpubertären Selbstinszenierung des Machers in den Untiefen von Kunstblut und Kotze ertränkt worden.

Doch so einfach macht es einem der Film zunächst nicht. Tatsächlich erweckt er anfangs den Eindruck, es handele sich hier um ein experimentelles Werk mit ernsthaftem Hintergrund: Der Film porträtiert bruchstück- und lückenhaft ein schwer magersüchtiges Mädchen, Angela, welches jeglichen psychischen und physischen Halt verloren hat. Scheinbar völlig isoliert von einer ihr angemessenen Umwelt vegetiert sie in ihrer paradoxen Welt zwischen Stripperei, Prostitution und Kotzanfällen dahin. Dazu steigert sie sich in einen nihilistischen Satanismus hinein, da es wohl der einzige Weg ist, sich selbst zu entfalten.

Das klingt zwar ambitioniert und interessant, doch leider verliert sich der Film nach einigen Minuten in Tabubruch und Effekthascherei. Der oben beschriebene Inhalt blitzt nur gelegentlich, sehr kurz auf, während die meiste Zeit des 70-Minuten-Machwerks darauf verwendet wird, in möglichst anstrengender Weise blutige Mordfantasien (offenbar Halluzinationen/Träume des Mädchens) und häufiges Erbrechen darzustellen. Hinter all den grellen Effekten, Verfremdungen, Wacklern, Bild- und Tonstörungen lässt sich kaum noch ein schlüssiges Konzept erkennen, das dem ernsten Thema gerecht werden könnte. Motive, wie der Satanismus, der körperliche Verfall, der Nihilismus oder der Kindheitsbezug werden höchstens oberflächlich gestreift. Weitere Aspekte, wie z.B. die reale Umwelt des Mädchens (Familie? Umgebung?) oder ihr emotionaler Zustand werden nicht behandelt. Stattdessen zeigt man lieber noch 10 Kotzszenen und suhlt sich in einer sichtlich erzwungen verstörenden Darstellung von realistisch anmutenden Gore-Effekten. In den Mordfantasien werden junge nackte Mädchen explizit und sehr lang gequält und geschlachtet. Eine schiere Ewigkeit muss man zusehen, wie einer die Augen ausgestochen werden - in der "epischen" Darstellung eher ermüdend als schockierend. Es mag sein, dass der ein oder andere derartige Sequenzen zu abstoßend findet und daher ausschaltet. Diejenigen, die weitergucken, stumpfen schnell ab und werden nur noch genervt.

Bis hierher ist "Slaughtered Vomit Dolls" noch nicht unbedingt krude Exploitation. Immerhin wird es dem Zuschauer schwer gemacht, die ganzen Grausamkeiten, die weiblichen Geschlechtsteile, das Blut und die Kotze irgendwie unterhaltsam zu finden. Und doch reicht es nicht für eine überlegte, künstlerisch-kritische Betrachtung von Grausamkeiten. Dafür nämlich fehlt es am Wesentlichen: dem reflektierenden Moment. Ich will kurz darlegen, was ich damit meine. Man kann "grausame", tabubrechende Filme grob in zwei Pole aufteilen. Der eine Pol sind die künstlerisch ambitionierten Werke, die sich um eine Reflexion der dargestellten Greuel bemühen, also diejenigen, die das reflektierende Moment in irgendeiner Form besitzen. Der andere Pol, genannt Exploitation, sind die Filme, die den größten Tabubruch als Maximum an Unterhaltung verstehen. Man muss das als vernünftiger Mensch nicht verurteilen. Es reicht, das müde zu belächeln, da es den allermeisten Vertretern des Pols an Qualität und Ernsthaftigkeit deutlich mangelt. Dadurch entsteht auch eine gewisse Distanz von Zuschauer und Macher zur dargestellten Grausamkeit, welche die Verherrlichung dieser unterbindet oder zumindest abschwächt. Filme aus ersterem Pol schaffen die nötige Distanz durch das reflektierende Moment. Das ist entscheidend, da solche Werke ja kritisch den gezeigten Grausamkeiten gegenüberstehen, und umso kritischer sein müssen, je expliziter und tabubrechender sie sind. Die Distanz muss jedoch nicht unbedingt in einer distanzierten, moralisierenden Inszenierung münden. Beispiele wären die Filme Noés, aber auch Pasolinis "Salò". Das Moment, das hier die kritische Distanz schafft, ist das der Perspektive. So geht es Pasolini nicht nur um die Darstellung von sinnloser Folter, sondern auch um die Perspektive, sie wird gewissermaßen ästhetisch thematisiert, hinterfragt (Man denke an die Fernglas-Szene, die inhaltliche Aufarbeitung des Voyeurismusaspekts oder den mehrfachen Wechsel von Täter- zu Opferperspektive). Ein anderes Beispiel wäre Moodyssons "A Hole in my Heart", wo das kritische Moment sich in der passiven, beobachtenden Hauptfigur des Films manifestiert.

Die erste Hälfte von "Slaughtered Vomit Dolls" liegt genau zwischen beiden Polen und wird damit besonders verdächtig, Grausamkeit, Gewalt und Tabubruch zu verherrlichen. Der Film gibt sich ernsthaft und verstörend, ohne eine erkennbar kritische Haltung einzunehmen. Jener Verdacht erhärtet sich schlagartig in der zweiten Hälfte, wo auch jegliche Schwierigkeit und Hin-und-Her-Gerissenheit bei der Bewertung des Films verfliegen. Die Störeffekt-Ästhetik hat sich gerade endgültig ausgelutscht, da sieht man minutenlang einen prolligen Kerl ein weiteres Mädchen foltern. Er sägt ihr den Arm ab, es folgen schwarzhumorige Szenen, und schließlich eine Sequenz, wo er zigmal auf ihren Arm kotzt, oder auch in einen Bierkrug, um diesen sogleich leerzutrinken und fortzufahren. Spätestens hier ist man sicher im primitiven Splatter-Trash angelangt. Jegliche Ansätze inhaltlicher Relevanz werden weggefegt und man stellt sich als Zuseher die Frage, ob diese nun überhaupt gewollt waren, oder nur aus der Interpretation heraus entstanden. Besonders ärgerlich ist, dass hier ein ernstes Thema letztendlich doch nur für äußerst chauvinistische, geschmacklose Exploitation missbraucht wurde. Ein Blick auf die Homepage (www.slaughteredvomitdolls.com) bestätigt den Eindruck, dass man es hier mit einem Wichtigtuer zu tun hat, der offenkundig Gefallen daran findet, sich beim Kotzen zu filmen. Dass der Film bei vielen Horror-Festivals abgeblitzt ist, liegt weniger daran, dass er "too extreme" oder "vile and disgusting" ist, sondern daran, dass er zu primitiv, geschmack- und wertlos ist. Da hilft der ganze Satanismus-Tamtam auch nichts.

Nach nervtötenden 70 Minuten fühlt man sich als Zuschauer so, wie das männliche Opfer in der Foltersequenz gegen Ende: Den Schädel aufgesägt und mehrfach ins Gehirn gekotzt.

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