Es ist ein relativ neuer und aktiver Trend: PC- und Konsolenspiele werden verfilmt. Zumindest im derzeitigen Ausmaß gab es das noch nicht, neben Comic- und Manga-Verfilmungen stehen die Adaptionen von Videospielen hoch im Kurs. Man kann schon von einem neuen Genre oder besser Hybrid-Genre sprechen, denn die herkömmlichen Genres wie z.B. Horror, Mystery oder Krimi sind neu überdacht durch die Game-Verfilmung. Die Beziehung ist wechselseitig, da andererseits, und das schon länger, auch Filme für PC-Spiele die Vorlage liefern. Und das Spektrum reicht hier wie dort von plumpem Merchandising bis zum Kunstwerk.
Bei der Kritik fließt, ähnlich wie bei der Literatur- und der Comic-Verfilmung, die Kenntnis der Vorlage mit ein, von vielen wird der Film an der Qualität des Spiels gemessen, die je nach Fan- bzw. Besessenheitsgrad enorm hoch angesetzt ist. Andererseits ist ein Film aber ein Film und kann als solcher gesehen werden, eingeschworene Comunity hin oder her.
Silent Hill ist nun ein Film, der seine Abstammung nicht verhehlt. Wer jemals irgendein Gruseladventure gespielt hat, kennt viele der Szenarien (verlassene Gebäude, hier z.B. eine Schule; durch Nebel verringerte Sichtweite, die im Spiel die Grafikleistung weniger beansprucht, im Film vornehmlich Stimmung schafft) und Detailhandlungen (um in einem Spiel den richtigen Schrank mit der wichtigen Information zu finden, braucht man mehrere Minuten, im Film greift die Figur spontan richtig zu und die Schnitzeljagd kann weiter gehen). Auch die Kameraperspektive übernimmt häufig die Ästhetik eines 3rd-Person-Views, wie er aus zahlreichen Spielen bekannt ist.
Das Spiel Silent Hill, das es im November 2008 auf fünf Teile plus ein Prequel gebracht haben wird, zeichnet sich besonders durch seine düstere, schaurige und traurige Stimmung aus. Diese wurde geradezu liebevoll in den Film überführt. Die unwirkliche Szenerie des verlassenen Ortes Silent Hill, der in unterschiedlichen Dimensionen gezeigt wird (verlassenes Kaff, aschfahle Zwischenwelt und beängstigende Horrorvision), ist die Stärke des Films. (Übrigens stammt das production design von Carol Spier, die zahlreiche Filme von David Cronenberg ausgestattet hat. Und das macht sie wunderbar!) Allerdings überlebt die Gruselwirkung des Szenarios nicht unbedingt ein mehrmaliges Ansehen - beim erstenmal ist Silent Hill sicher am schockierendsten, zumal, wenn man mit dem PC-Spiel nichts am Hut hat. Die Geschichte ist ausreichend verworren, um fesseln zu können, und bleibt, eingefleischte Fans ausgenommen, auch am Ende ein wenig vertrackt. Für meinen Geschmack eher ein Pluspunkt, mir gefallen nunmal Filme, die ich nicht gleich und komplett verstehe. So hebt sich Silent Hill durchaus von zahlreichen amerikanischen Horrorfilmen ab, die derzeit eher auf Schock und Eingeweide setzen. Das soll nicht heißen, Silent Hill sei unblutig. Im Gegenteil, der Gorefaktor ist stellenweise extrem hoch. Aber im Gesamtbild überwiegt dennoch die surreale, teilweise einfach traurige Stimmung des Films, die konsequent inszeniert ist. Dazu trägt auch die Musik, geschrieben von dem japanischen Musiker Akira Yamaoka, bei, die düster-stimmungsvoll ohne Effekthascherei auskommt. Yamaoka war auch für die Musik der verschiedenen Teile des Spiels Silent Hill verantwortlich.
Für viele Fans und Freunde des PC-Spiels ist Silent Hill sicherlich ein Genuss, für sonstige Horrorfreaks ist der Film je nach Geschmack zu ruhig, für den herkömmlichen Kinogänger wahrscheinlich reichlich verstörend. In jedem Fall ist Silent Hill ein Film, der auf dem Gebiet der PC-Spiel-Verfilmung eigene Maßstäbe gesetzt hat. Dennoch funktioniert er nur bedingt, wenn auch wesentlich besser als der Vorgänger-Film des Regisseurs (Christophe Gans) Pakt der Wölfe. Durchaus eine französisch-japanische Alternative zum herkömmlichen Horrorkino.