Review

Die Pforten zur Hölle haben sich wieder mal aufgetan!

Diesmal aber im positiven Sinne, obwohl es sich bei Silent Hill um eine weitere Game-Verfilmung handelt. Allerdings war hier nicht Schmierfink Uwe Boll am Werk, sondern mit Christophe Gans (Crying Freeman) ein fähiger Mann vom Fach. Während Boll und Konsorten es überwiegend nie schaffen, das Wesen der Spiele auf Zelluloid zu bannen, so gelingt dies Gans scheinbar mühelos. Ich selber habe das Spiel nie gespielt, doch aus Bekanntenkreisen war zu vernehmen, dass der Film doch schon nah am Spiel wäre. Doch ein weiterer positiver Aspekt bei der Verfilmung von Silent Hill ist, dass man auch ohne das Spiel zu kennen sich schnell in der Handlung zurecht finden kann. Nix gegen Game-Adaptionen wie Doom, Resident Evil oder Tomb Raider, doch Silent Hill ist für mich die erste Verfilmung, die einen auch in Sachen Handlung, Atmosphäre, Darsteller, Effekte und Härtegrad vollstens überzeugt. Zudem stellt der Film nebenbei noch so was wie ein Seitenhieb gegen jedwedes Gutmenschentum, gegen politische Korrektheit, gegen kulturelle Bevormundung der vielen durch die wenigen da. Dies werde ich später noch ausführlicher erläutern...

Rose (Rhada Mitchell) ist verzweifelt. Ihre zehnjährige Tochter Sharon (Jodelle Ferland) leidet an einer schweren Krankheit und die Ärzte können nicht helfen. Da beginnt das Kind im Schlaf den Namen Silent Hill zu sprechen. Hat diese Stadt etwas mit Sharons Zustand zu tun? Auf der Suche nach Antworten fährt Rose mit ihrer Tochter los - gegen den Willen ihres Mannes Christopher (Sean Bean). Ein verheerender Fehler! Denn der mysteriöse Ort entpuppt sich als wahre Hölle. Bereits an der Stadtgrenze verschwindet Sharon bei einem Verkehrsunfall spurlos. Gemeinsam mit der Polizistin Bennet (Laurie Holden) sucht Rose in der fast menschenleeren Stadt nach ihrer Tochter. Ihre einzige Chance: ein Pakt mit dem Bösen...

Während Laurie Holden (Fantastic Four) sich schon von Anfang an als Kämpferin etablieren darf, muss Radha Mitchell (Mann unter Feuer) anfangs das verwirrte Frauchen mimen, ehe sie im Finale zum Racheengel mutiert. Wie auch schon in Resident Evil wird der männliche Hauptcharakter des Games durch eine Frau ersetzt, um im Trend der Zeit zu bleiben. In beiden Filmen fällt dies aber nicht allzu sehr ins Gewicht, da Radha Mitchell einen einwandfreien Job abwickeln kann. Ich habe schonmal anderorts erwähnt, dass diese Frau Talent hat, und hier endlich eine größere Chance erhält, dies zu beweißen. Und Jodelle Ferland (They) agiert für ihr Alter auch schon recht souverän und spielt damit Kollegin Dakota Fanning ohne Probleme gegen die Wand. Im Nebenplot machen dann noch Sean Bean (The Hitcher) und Kim Coates (Das Ende) jeweils einen zufriedenstellenden Job. Auch Deborah Kara Unger (Payback) und Alice Krige (Im Auftrag des Teufels) ziehen ihre Rollen solide über die Bühne. 

Stellenweise herrscht in Silent Hill eine derartig infernalische und düstere Atmosphäre, wie ich sie mir gerne in der Doom-Adaption gewünscht hätte. Hier geht es wirklich zu wie beim Ende aller Tage und die dämonischen Kreaturen, vor allem der Pyramiden-Kopf, tun das ihre dazu. Was den Blutgehalt und Härtegrad angeht, so kann sich Silent Hill auch sehen lassen, wenn man die von Stacheldraht gepeinigte Gestalt in der Toilette oder das ebenfalls stacheldrahtlastige Finale bedenkt. Darum ist die 16er Freigabe doch schon verwunderlich, da ansonsten bei mehr als ein Viertel Gehalt an Blut in einem Film sofort der Keine Jugendfreigabe- oder gar der Index-Stempel hervorgekramt wird.

Hervorzuheben sind dann natürlich auch noch die verschiedenen Welten, die hier zu Tage treten. Zum einen freilich die feurige Höllendimension, das Silent Hill der Gegenwart und zum anderen das nahezu verlassene und in Asche eingedeckte Silent Hill. Alles hervorragend inszeniert und die Kulissen lassen fast keine Wünsch übrig. Doch nicht nur das Ambiente von Silent Hill kann unterhalten, sondern auch die spannende und mit allerlei Überraschung aufwartende Handlung des Films, die kein geringerer als Tarantino-Spezi Roger Avary zu Papier gebracht hat. Geschichten über verschwundene Blagen, die im restlichen Handlungsverlauf von ihren Eltern in irgendwelchen dubiosen Gegenden gesucht werden, dürften mittlerweile zwar asbachuralt sein, doch Gans schafft es mit seinem Film das Thema gekonnt aufzufrischen und ein wahres Inferno zu entfesseln, was man so leider viel zu selten zu sehen bekommt. Der Subplot mit Rose' Mann und dem Polizisten, die durch das Silent Hill der Gegenwart wandern, gerät im Vergleich zum Hauptplot allerdings etwas in den Hintergrund. Unterstütz wird die Handlung mit ihrer dichten Atmosphäre noch durch die eindringliche Musik, die das allgegenwärtige Unheil nochmal verdeutlichen kann.

So, wenn ich nun etwas abschweifen darf, möchte ich den oben genannten Seitenhieb etwas näher erläutern:
In Silent Hill verbrennt die von Christabella angeführte Meute Menschen, die anders sind bzw. halt nicht in ihr Schema passen. Das kommt zum einen mit der Hexenverbrennung gleich und zum anderen neigen auch in der Wirklichkeit (egal, ob nur Vergangenheit oder Gegenwart) autoritäre, diktatorische oder gar reiligiöse Gesellschaften dazu, liberale Gedanken kritisch zu beobachten oder sogar zu unterdrücken. Doch auch in unserer Welt neigen (überwiegend) westliche Gesellschaften dazu, Andersartigkeiten zu missbilligen und zu verfolgen. Stets muss ein Sündenbock für gesellschaftliche Verfehlungen herhalten. Heutzutage sind es in gewisser Weise unter anderem die Action- und Horrorfilme oder Computerspiele, die sogenannte Jugendschützer von der Jugend fernhalten wollen; diese sind es, die Jugendliche angeblich ins Verderben reißen. Hinzu kommt noch die politische Korrektheit, die im Prinzip nichts anderes ist, als der Drang, sämtliche Angelegenheiten des Lebens korrekt (was immer das heißen mag) regeln zu wollen, und ist der Aufruf zur Intoleranz. Personen (wie Christabella eben), die politische Korrektheit fordern, spielen sich als Hüter der allgemeinen Sitte und Moral auf und unterdrücken Menschen, die anders denken oder aussehen. Indem Rose und Alessa Christabella sowie ihre Anhänger töten, zeigt Silent Hill auf, wie wichtig sogenannte Außenseiter (in diesem Fall Rose, Alessa, Bennet und Dahlia) für die Gesellschaft sind. Denn sie sind es, die die Menschen gegebenenfalls vor einer großen Dummheit (Mord) bewahren. In diesem Fall ist es also Rose, die Außenseiterin, die die Welt bzw. Silent Hill rettet.
Übernommen und umgeändert aus Buffy - Im Bann der Dämonen. Das inoffizielle Fanbuch über die dritte Staffel der Kultserie und ihre Hintergründe von Christian Lukas und Sascha Westphal aus dem Knaur-Verlag.

Mag dieser Seitenhieb in Silent Hill überwiegend eine untergeordnete Rolle übernehmen und erst im Showdown deutlicher werden, so ist der aber ein wichtiger Bestandteil und Auslöser der lokalen Handlung. Wer möchte, dem kann ich das grad kurz angerissene Thema im Gemeinschaftsforum-Thread über Killerspiele noch etwas breiter treten. Doch möchte ich mich in den letzten Zeilen wieder dem Film selbst widmen.

Insgesamt kann man Silent Hill wohl als eine der besten Game-Adaptionen überhaupt betrachten, da Christophe Gans nicht nur nah an der Vorlage bleibt, sondern auch für Nichtkenner des Spiels ein wahres Höllen-Inferno von der Leine lässt, das in dieser Form seinesgleichen suchen wird. Bitte mehr davon und an jene Regisseure und Produzenten, die mit dem Gedanken an eine Fortsetzung der Doom-Adaption spielen, aber mit der Materie nicht vertraut sind: so muss ein Unterwelt-Szenario mit Dämonen und anderweitigen Fegefeuerviechern ausschauen! Und vorläufig auch nicht anders!   

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