Silent Hill – oder auch „Nicht ohne meine Tochter” in der Hardcoreversion
Was habe ich diesem Film doch entgegen gefiebert. Seit „Doom“ bewiesen hat, dass eben doch nicht jede Videospielverfilmung so kläglich misslingen muss, wie die ersten ihrer Art, wurde die Vorfreude von Neuigkeit zu Neuigkeit größer. Besonders als rauskam, dass Christophe Gans die Regie übernimmt und nicht etwa ein Herr Boll oder ein Herr Anderson, durchlief schon eine kleine innerliche Laola-Welle meinen Körper. Gans hatte nämlich schon zuvor mit den Filmen „Crying Freeman“ und „Pakt der Wölfe“ sein Gespür für virtuose optische Inszenierungen bewiesen, ohne dass Spannung und Atmosphäre vom Bildbombast eingeschränkt wurden – im Gegenteil. Für die Verfilmung von Silent Hill also scheinbar eine Traumbesetzung.
Aber wie so oft in letzter Zeit gab es auch hier wieder im Vorfeld haufenweise Buhrufe von diversen Kritikern, die mich aber selbstverständlich nicht davon abhielten mir eine eigene Meinung zu bilden. Und so kam es, dass ich gleich einen Tag nach der Premiere im Kino saß und mich mit Freuden in den Sitz lehnte als die große Titelschrift von Silent Hill vor meinen Augen erschien.
Nach einem sehr stimmigen und mit einigen prächtigen Kamerafahrten gespickten Auftakt
geht Gans die Sache erst mal ruhig an, ruhig aber nicht unnötig lang oder überflüssig.
Die Familienumstände werden geklärt und die „Legitimierung“ für die Fahrt zur titelgebenden Geisterstadt wird geschaffen. Sie liegt in dem verzweifelten Versuch einer Mutter ihre junge Tochter von deren ständigen Schlafwandelaktionen, mit dem unterbewussten Ziel eben jene Stadt zu erreichen, zu heilen. Entgegen dem Willen ihres Mannes macht sie sich nachts mit ihrer Tochter auf dem Rücksitz auf in Richtung Silent Hill. Schon an der Hinfahrt, welche still aus einer überdimensionalen Vogelperspektive beobachtet wird, kann man sich schön satt sehen.
Und schon bald passiert, was passieren muss. Es kommt zu einem Unfall und einem Blackout der Hauptprotagonistin, die unbestimmte Zeit darauf mitten im scheinbar völlig verlassenen, nebelverhangenen und einem seltsamen, stillen Ascheregen unterliegenden Silent Hill wieder aufwacht. Das Problem: Ihre Tochter ist verschwunden. Das noch größere Problem: Die Suche entpuppt sich nach und nach zu einem wahren Albtraum, denn so ganz verlassen ist die Stadt wohl doch nicht...
Ich muss gleich anmerken, ich habe die Spielvorlage nicht durch- sondern lediglich angespielt. Aber bevor mich vorwiegend technische Probleme vom weiterspielen abgehalten haben, war ich fasziniert von der beinahe unvergleichlich düsteren Atmosphäre dieses Psychohorrorklassikers. Und umso erfreuter war ich, als ich in der Verfilmung zu Beginn eine Eigenheit nach der anderen wieder erkannte. Wenn Rhada Mitchell in der Rolle der kämpferischen Mutter beispielsweise in dunklen Grossen an einigen Gittern vorbei läuft, schwenkt die Kamera mit jedem weiteren Schritt ein Stück mehr in eine hochgelegene Ecke und verwehrt dabei den Blick auf den weiteren Verlauf des Weges. Auch der wahrhaftig fulminante, herrlich düstere Soundtrack des Films lässt einen unweigerlich an die Spielevorlage(n) denken – kein Wunder, denn klugerweise hat man den selben Komponisten engagiert.
Die Atmosphäre im seltsamen, völlig im dichten Nebel versunkenen Silent Hill ist wunderbar dicht. Und wenn es dann einmal losgeht und die finsteren Kreaturen aus ihren Ecken gekrochen kommen, dann kippt dem Zuschauer auch schon mal die Kinnlade runter angesichts der herrlich bizarren und surrealen Gestalten, die sich die Macher da haben einfallen lassen. So weit, so fantastisch.
Doch so gern ich es auch dabei belassen würde, fehlerfrei ist Silent Hill leider nicht. Gans schafft es vor allem nach der ersten Hälfte nicht mehr die Spannung konstant aufrecht zu erhalten, geschweige denn noch zu steigern. Die Gründe dafür finden sich im Drehbuch von Roger Avary. Zum einen mangelt es doch schon auffällig an einer interessanten Charakterzeichnung für die von Rhada Mitchell akzeptabel gespielte Hauptprotagonistin, denn etwas anderes als vor Angst weglaufen tut sie leider kaum. Zum anderen entpuppt sich die narrative Struktur vor allem im Mittelteil als ziemlich abwechslungslos. Die fantastischen Angstpassagen, wenn jegliches Licht aus Silent Hill zu verschwinden scheint wechseln sich mit ziemlich monotonen Passagen ab, in denen es lediglich darum geht den nächsten Hinweis zu finden. Dies mag am Anfang noch interessant sein, in seinem abwechslungslosen Verlauf wird es aber von mal zu mal ermüdender. Besonders die Storywende in der zweiten Hälfte, zu der hier nichts näher gesagt werden soll, raubt dem Film viel von seinen Möglichkeiten die dichte Atmosphäre aufrecht zu erhalten oder noch auszubauen.
Das wohl größte Problem aber liegt in dem merklich eingeschobenen Subplot, in dem Sean Bean in der Rolle des Vaters von außerhalb versucht Nachforschungen über den Verbleib seiner Frau und Tochter anzustellen und dabei sozusagen den Part der Storyenträtselung übernimmt. Dies ist zwar ebenfalls anfangs noch recht interessant, haut den Film aber jedes Mal wieder aus dem Takt. Gerade der Einsatz dieser Passagen im Anschluss an horror- und actionreiche Szenen erweist sich als wenig spannungsfördernd und wenn Bean in der eh schon qualitativ abfallenden zweiten Hälfte sogar im Weisenhaus „ermittelt“, oder Polizeiakten stielt, wartet man eigentlich nur noch ungeduldig ab, bis es endlich wieder zurück nach Silent Hill geht.
Die Geschichte, die sich letztendlich zusammensetzt, gipfelt nach einem vor allem für eine FSK:16 Freigabe mit dem Kunstblut überraschend verschwenderisch umgehenden Finale in einer fiesen und wirkungsvollen Schlusspointe und erweist sich damit besonders im Vergleich zu dem Standart der Genreverwandschaft als komplex und durchdacht. Es ist kein intellektuelles Meisterwerk, was Gans hier abliefert, aber es darf sich definitiv zum gehobenen Niveau zählen.
Dass Silent Hill aber sowieso kein Horrorfilm wie jeder andere ist, wird eh schon relativ früh klar. Der Film teilt die Schwächen von vielen, genießt in Hinblick auf seine Stärken aber weitestgehend Konkurrenzlosigkeit. In seinen stärksten Szenen wirkt er aufgrund der famosen optischen Inszenierung wie ein versinnbildlichter Albtraum, bei dem die Gemälde eines Hieronymus Bosch als Inspirationsquelle dienten und nicht lärmende Schockeffekte sondern die Kreativität der Macher im Vordergrund steht. Hätte man diese Passagen noch ausgeweitet und die Schwächen elemeniert, hätte aus Silent Hill ein Meisterwerk werden können.
So bleibt unterm Strich „nur“ ein guter bis sehr guter Horrorfilm, der in Sachen Optik und surrealistische Wirkung in seinem Genre Referenzstaus besitzen dürfte, leider aber auch klare Schwächen im narrativen Bereich besitzt.
So und jetzt wird erst mal wieder der alte PSX Controller rausgekramt und die Sache auf ein neues angegangen. 7.5