Na endlich! Es geht doch! Lange genug musste man darauf warten endlich mal eine gelungene Spiel-Adaption vorgesetzt zu bekommen.
„Silent Hill“ wird zumindest meinen Ansprüchen gerecht, während die Game-Puristen schon Sturm laufen und sich anderorts über das verschlüsselte Drehbuch beschwert wird. In befreiender Unkenntnis der Vorlage muss ich zumindest den Kritikern insofern Recht geben, dass der Film ein paar Strukturschwächen hat, aber der von mir verehrte Regisseur Christophe Gans („Crying Freeman“, „Der Pakt der Wölfe“), in meinen Augen ein Virtuose, der viel zu selten einen Film dreht, fegt mit seiner wahnsinnig atmosphärischen Inszenierung diese Kritikpunkte hinweg.
Denn „Silent Hill“ ist ein mustergültiges Beispiel geworden, wie effektiv sich die akustischen Möglichkeiten des heutigen Kinos einsetzen und CGIs optimal nutzen lassen. So viel Feingefühl für Bild und Ton ist im heutigen Bombastkino leider selten geworden, zumal Gans versteht abseits etablierter Hör- und Sehgewohnheiten dem Film wieder seine eigene Note zu vergeben. Ganz ehrlich: Ich bin sehr positiv überrascht. Der Film übertrifft meine Erwartungen.
Beginnen wir erst einmal mit den negativen Punkten, denn das positive Erlebnis überwiegt doch deutlich. Obwohl „Silent Hill“ flott loslegt und bereits nach wenigen Minuten Rose (Radha Mitchell, „Pitch Black“, „Man on Fire“) und ihre Tochter Sharon (Jodelle Ferland, „Tideland“) in Silent Hill ankommen, gerät der Film regelmäßig aus dem Tritt, weil der Subplot mit Ehemann Christopher (Sean Bean, „Ronin“, „The Island“) für die Erklärungen der Geschichte zuständig ist, aber ständig mit der wahnsinnig vereinnahmenden Atmosphäre in Silent Hill bricht. Dass dieser Strang erst nachträglich zum Skript ergänzt worden ist, merkt man leider über die gesamte Distanz. Meinetwegen hätte der Film auch kryptischer bleiben und dafür zügiger wie gleichförmiger ablaufen können. So gern ich Sean Bean auch sehe und die Funktion seiner Figur verstehe, Autor Roger Averys, der sich wiederum der Weisung der Produzenten zu fügen hatte, Ungeschick nachträglich einen männlichen Part zu integrieren, kostet dem Horrorthriller viel Qualität.
Denn in Silent Hill ist die Hölle los – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich weiß gar nicht mehr, wann mich ein Film im Kino so fesseln konnte. So sorgfältig wie Gans hier arbeitet, spürt man seine Leidenschaft, die er für sein Werk hegt. Immerhin hat er sich viele Jahre lang um die Rechte bemüht und Akira Yamaoka auch gleich noch den Komponisten der Spiel-Reihe mit an Bord geholt.
Eigensinnig und entgegen des Willen ihres Mannes bringt Rose ihre von Albträumen geplagte Tochter nach Silent Hill, lässt sich auch von gut gemeinten Ratschlägen an der Tankstelle vor der Abfahrt aufhalten und flüchtet vor der motorisierten Polizistin Cybil Bennett (Laurie Holden, „Past Perfect“, „Fantastic Four“), die später zu ihrer einzigen und damit naturgemäß wichtigsten Verbündeten in Silent Hill wird.
Ein Beinaheunfall am Ortsschild trennt Mutter und Kind, worauf Rose sich allein auf die Suche nach ihrer Tochter macht und der Spuk beginnt...
Wie Gans darauf Silent Hill aufzieht, ist brillant. Die Sicht ist durch den Ascheregen begrenzt, die scheinbar menschenleere Geisterstadt nur schemenhaft zu erkennen. Neblig wabert die Sichtweite, gibt Gebäude preis oder verschluckt die Umgebung. Jedes Geräusch erzeugt Aufmerksamkeit und dazu die kribbelnden Töne Yamaokas. Ein Fest!
Rose läuft orientierungslos durch die Straßen und Gassen oder sucht in der Schule, Anspannung für den Zuschauer allerorten, hört nur ihre selbst verursachten Geräusche wiederhallen. Alles wirkt verlassen und wie ein vergessenes Relikt.
Die verfallenen Gebäude sind herrlich schmierig, verkommen und von einer schwarzen Rußschicht überzogen. Rose, die nur mit einer Taschenlampe bewaffnet in die Kellergewölbe absteigt, weil sie glaubt ihrer Tochter zu folgen, die schemenhaft vor ihr wegrennt, betritt das bizarre, groteske Grauen voller entstellter, verkrüppelter Leichen, die ihrerseits auf sie zuhumpeln, und plötzlich tauchen aus dem Nichts eigenartige Wesen ohne Gesicht und Augen auf, die ihr ans Leder wollen.
Wenn die Alarmsirene plötzlich anfängt, Gans die Leinwand in ein einziges Schwarz taucht, das schon nicht einladende, von Asche bedeckte Silent Hill regelmäßig auflöst und in ein höllisches Ambiente verwandelt, indem die eigenartigsten Kreaturen zum Vorschein kommen, geht er an die Eingeweide seines Publikums. Insbesondere der heißersehnte Auftritt des Pyramiden-Kopfes mitsamt seiner krabbelnden Käferbrut, auf den Rose und Cybil natürlich in den düsteren, schmuddeligen Katakomben auch treffen, ist ein Highlight mitsamt seiner unbändigen Brutalität. Terror pur.
.... und dann, wenn es gerade am Schönsten ist, löst Gans die Fesseln und blendet auf Christopher, der seiner Familie hinterhergereist ist, aber nicht nach Silent Hill kann, weil Police-Officer Thomas Gucci (Kim Coates, „Open Range“, „Assault on Precinct 13“) ihn abhält, keine Informationen preisgeben will und Christopher damit neugierig macht. Der beginnt zu recherchieren und nachzuforschen, aber ich will eigentlich wieder zurück nach Silent Hill und es in seiner ganzen Pracht genießen, anstatt dieser Erklärungen beizuwohnen.
Dort trifft das weibliche Duo auch irgendwann auf Einwohner und natürlich die Auflösung des Geheimnisses von Silent Hill, die sich mit okkultistischem Fanatismus, religiösem Übereifer und der Inquisition gleichen Hexenjagd einer elitären Gruppierung wohl ganz gut umschreiben lässt, ohne explizit auf die tragischen Vorfälle in der Vergangenheit einzugehen, die überhaupt dazu geführt haben, dass unter dem Ort in den Stollen ein ewiges Feuer lodert.
Der Weg zur Wahrheit ist schön direkt wie voller Andeutungen, die wiederum Rose anweisen. Ich muss zugeben, dass mich der Ausgang weniger interessiert hat und das ich lieber noch ein bis zwei Stunden länger in Silent Hill verbracht hätte, aber gerade als Adaption eines Spiels verfügt der Film über eine gelungene Aufschlüsselung, die um einiges komplexer als so manch andere, gescheiterten Versuche der letzten Jahre ein Computerspiel auf die Leinwand zu transferieren, ist.
Christophe Gans hält mit diversen Monsterkreationen und der stetig wiederkehrenden Umwandelung des surrealen Silent Hills die beklemmende Atmosphäre aufrecht und kann mit Laurie Holden und vor allem Radha Mitchell auch auf doppelte Frauenpower zurückgreifen, die für so einen Film auch gute Leistungen abliefern. Von der Not zusammengeschweißt laden sie das Publikum zum munteren Mitfiebern ein, zumal mit Waffen ohnehin Essig ist.
Die CGI-Kreationen sind top-notch, was natürlich auch für die Masken-Effekte wie Kostüme gilt und regelmäßige Visionen oder shocking moments sorgen jeweils für den nötigen Aufruhr im Kinosessel, um sich mal an der Cola zu verschlucken. Insbesondere das Finale in der Kirche mit einer äußerst fiesen Bestrafung und dann der Entfesselung des puren Bösen, das auch umgehend per Stacheldraht bestrafend einzuwickeln anfängt, gehen deutlich an die Nieren.
Reichlich creepy ist „Silent Hill“ trotz seiner unliebsamen Unterbrechungen also allemal und Roses Suche nach Sharon verläuft dank kryptischer Items auch ganz spannend, bis zum Schluss alles in einem wiederum gelungen verfremdeten Flashback die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Bis dahin gibt es aber viele Tote, fies brutale Bilder und atmosphärische Sets, wie ich sie mir prächtiger nicht vorstellen kann. Da steckt Liebe im Detail und Sympathie für das Produkt. Diverse Locations werden besucht, immer wieder folgt auf eine Neuentdeckung ein Angriff und verzweifelte Verteidigung.
Eine sicherlich nicht bis ins Detail erklärte Geschichte, die die Wahrheit lange hinterm Berg hält und dann die Brechstange auspackt, indem gleich Ultimatives losgelassen wird, mag auf den ersten Blick unausbalanciert erscheinen, trifft damit aber die volle Breitseite des Zuschauer dafür plötzlich umso mehr. Wenig Erklärung ist in diesem Fall ein Plus.
Die wummernde Soundkulisse mit großzügigem Bass-Einsatz sei noch einmal explizit hervorgehoben, weil der Film ohne sie deutlich an Faszination einbüßen würde. Der Ton nimmt bei Gans einen besondere Stellenwert ein und ist wie selten zuvor ein wichtiger Bestandteil, fast so wichtig wie die Bilder selbst. Man achtet auf jedes einzelne Geräusch, dessen Ursprung sich nicht klären lässt, und wenn die alarmierenden Sirenen losgehen oder das brummelnde Unheil sich ankündigt, macht sich Gänsehaut breit.
Fazit:
Bitteschön, wer will kann sich ja gern stundenlang mokieren, indem er Game und Film vergleicht oder schon von vorn herein Spieleverfilmungen verflucht. Wer indes jedoch offen und unbelastet an „Silent Hill“ geht und Zugang zu Gans Inszenierung findet, wird hier schwer seinen Spaß haben und einen Ausklang finden, der gerade ungewöhnlich viel zulässt. Rational erklärbar will dieses Universum mitsamt seiner Bewohner nicht sein und soll es auch nicht.
Der Subplot mit Sean Bean tut dem Film leider wirklich nicht gut, weil er die fesselnde Atmosphäre unterbricht und damit der eigentlichen Stärke oft die Munition nimmt. Trotzdem hat „Silent Hill“ mich gepackt und bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Die innovative und liebevolle Inszenierung ist ein einmaliges Erlebnis, da muss man Gans einfach riesigen Respekt zollen, die guten Darsteller tragen ihren Teil dazu bei und die Sets wie auch Monsterkreationen, Masken und Kostüme zeugen von Phantasie und Sorgfalt. Mehr davon, aber bitte ohne in Routine zu verfallen.
Wir haben darauf verzichtet, alles zu erklären, weil es doch viel spannender ist, wenn das Publikum selbst mitdenkt und versucht, eine Erklärung zu finden. Diese Undurchsichtigkeit ist eine Herausforderung, eine Einladung zum Nachdenken, wenn man so will.
(Christophe Gans)