Achtung, Text ist nicht spoilerfrei.
Komme gerade aus dem Kino und bin wieder um einen Film schlauer. Nachdem ich noch auf der Kinotoilette mindestens 30 Liter gelbe Flüssigkeit gelassen hatte, trat ich den Heimweg an und sinnierte im Auto noch reichlich mit mir selbst über die filmische Interpretation der Videospielreihe „Silent Hill“.
Als Fan der ersten Stunde und intensiver Zocker der ersten zwei teile (was danach kam, konnte mich leider nur bedingt für sich gewinnen) war ich zunächst hellauf begeistert, was Christophe Gans dem Zuschauer zu präsentieren hatte: vollkommen authentisch und sehr detailverliebt orientiert sich der Verlauf der ersten Stunde am ersten Teil der Serie und präsentiert was Look und Szenerien betrifft mehr als nur eine Hommage an das phantasievoll-schrecklichen Vorbild: die Hauptperson rennt wie in einem Videospiel durch die verlassene Geisterstadt, um nach ihrer Tochter zu suchen. Dabei gerät sie nicht nur an eine Reihe wirklich schaurig herübergebrachter Kreaturen, sondern auch an liebevoll nachempfundene Originalschauplätze des Serienerstlings – mitsamt originalgetreuer Namen und untermalt von den Sahnestücken der Soundtracks von Teil eins bis drei.
Nun kann man einen Film allerdings nicht so geradlinig machen wie ein Videospiel. Zwar hatte die Serie „Silent Hill“ schon von Anfang an reichlich Handlung, Metaphorik und Tiefgang zu bieten, und der Hintergrund der Horrorstadt wurde als erzählerisches Puzzle dem Spieler mehr und mehr enthüllt, bis am Ende das meiste in ein nachvollziehbares Gerüst eingebaut war. Dennoch macht man im Spiel von vorne bis hinten nur das Gleiche: man läuft herum, tötet Monster, löst Rätsel und entschließt sich neue Schauplätze. Klar, dass das einen interaktiven Konsumenten voll zufrieden stellen kann, aber für einen Film langt´ s nun mal lange nicht – also muss noch eigene Kreativität eingebaut werden; eine filmisch taugliche Storyline muss her. Die kann man entweder gut oder schlecht ausfallen lassen, unabhängig von ihrer Notwendigkeit.
Im Film fängt die Eigeninterpretation, also das Weiterspinnen der Story auf ein filmisch nachvollziehbares Niveau damit an, dass die Protagonisten in einer Kirche auf die letzten Einwohner der Stadt treffen – auf eine saalfüllende Menge, angeführt von einer merkwürdigen Vorturnerin, die ganz streng nach Hexenverfolgung geht und total auf Reinheit und Sündenfreiheit abfährt. Was dann im Film kommt, dürfte für Spielelaien mehr als nur in Ordnung gehen, mir als Kenner hat´ s ums Verrecken nicht zugesagt. Die Vielzahl von Personen negiert die Survivalstimmung, und mit dem Aufkommen der Sekte wird auch sonst alles sehr wirr und – in Relation zum Spiel, an das man sich bis dato sehr genau gehalten hatte – auch reichlich konfus. Das Ende, bei dem klar wird, dass Mutter und Tochter Silent Hill nie lebendig verlassen haben, geht dafür noch in Ordnung, auch wenn es auch nicht dem Spiel entspricht (zumindest nicht dem, was das Spiel zum Ende hin suggerierte).
Handwerklich hingegen stimmt alles. Christophe Gans hatte es schon immer drauf, wenn es um das Kosmetische ging. Crying Freeman, Pakt der Wölfe – optisch die totalen Hochleistungen. So schafft er es auch mit dem gefährlichen Thema Videospiele, seinen Ruf noch mehr zu festigen. Die Umsetzungen der Parallelwelt mit ihren bedeutungsschwangeren Monstern, Metaphern und Schauplätzen sind durch die Bank weg prima, kein Fan der Spiele kann sich darüber beklagen. Das Dargebotene geht zudem ziemlich an die Substanz, sodass man den Film – wie auch schon die Spiele – auch nur etwas Hartgesotteneren empfehlen kann. Die Animationen der Monster und der umgebungstechnischen Veränderungen können sich ebenfalls voll sehen lassen. Passend dazu liefert der Streifen ausschließlich Musik von Akira Yamaoka, eins zu eins übernommene Stückchen aus den Spielen selbst, schnörkellos und ohne Eigeninterpretation. Faulheit womöglich für den einen, die richtige Taktik für den anderen. Warum nicht voll und ganz auf die Stärken der Vorlage zurückgreifen? Und in Anbetracht der Tatsache, dass die Eigeninterpretationen des Films größtenteils in die Bux gegangen sind, war ich froh darüber, den bestens ausgewählten Originalklängen lauschen zu können. Die Darsteller sind top, auch wenn sie nicht die Attraktion des Films sind, geben sie sich größte Mühe, ihre Rollen passend umzusetzen. Auch durch ihre Unterstützung trifft der Film genau, fast exakt, die Stimmung der Spiele und deren suggerierte Emotionen.
Also, Horrorfans, die die Spiele nicht kennen, sollten „Silent Hill“ gesehen haben, denn die genießen volle Kanne Gans hervorragendes Handwerk, ohne dazu gezwungen zu sein, sich mit Vergleichen zu der Vorlage aufzuhalten (ich kam leider unmöglich drum rum, auch wenn ich anders gewollt hätte). Freaks der Spieleserie sollten Vorsicht walten lassen, aber auf jeden Fall das Geld für die Kinokarte ausgeben. Am besten allerdings an dem Tag, an dem´ s für Studenten ermäßigt ist.