Eine gelungene Umsetzung eines PC-Spiels in einen abendfüllenden Spielfilm – wir warten immer noch!
Auch nach „Silent Hill“, der mit Spannung erwarteten Umsetzung eines Mystery-Horror-Klassikers kann noch nicht erleichtert aufgeatmet werden. Das Ergebnis ist zu durchwachsen, um als Erfolg gewertet werden zu können.
Horrorfilme müssen wirken und funktionieren. Sie müssen auf das Publikum einwirken, den nötigen Nerv treffen, sie müssen aber so erzählt werden, das ihre Funktionsfähigkeit außer Frage steht. Eins von beiden ist schon mal extrem hilfreich, beides zusammen natürlich besser.
„Silent Hill“ wirkt – aber er funktioniert nicht.
Seine Wirkung bezieht er hauptsächlich aus dem visuellen Sektor.
Regisseur Christophe Gans weiß, wie man eine Geschiche in zwingende Bilder umsetzt, das hat er mit „Der Pakt der Wölfe“ bewiesen. Und hier stampft er ein infernalischen Pandämonium aus dem Boden, das sich gewaschen hat.
Die Suche einer Mutter nach ihrer Adoptivtochter in einer unheimlichen, vom Rest der Welt abgetrennten Geisterstadt, in der das Böse in der immer wieder auftauchenden Dunkelheit umgeht, ist zwar klassisches und daher nicht eben originelles Material, aber Gans versteht es, denn Terror der Bilder zu erwecken.
Seine Rose irrt, unterstützt von der Polizistin Cybil, durch die von stetem Ascheregen ergraute Stadt, stets in Gefahr, von der dämonischen Finsternis eingeholt zu werden und von irgendwelchen Höllenkreaturen ermordet zu werden.
Das Skript von Roger Avary lässt sich dabei nicht viel Zeit, um die Grundsituation in dem Städtchen Silent Hill aufzustellen, aber dann suhlt sich der Film geradezu in der Verlorenheit der Protagonistinnen.
Ist der bleigraue Anblick einer heruntergekommenen Stadt schon bedrückend genug, fängt der Tribut an Dantes Inferno bei Dunkelheit erst richtig an. Glosende Aschekreaturen, ein käferbefehlender Höllenknecht mit Riesenschwert, brutal verknotete und verdrahtete menschenähnliche Wesen, Krankenschwester ohne Gesicht auf Slashertour, es gibt reichlich zu sehen, was der Abgrund ausgespuckt hat. Den bedrückenden Terror, der auf der verzweifelten Rose liegt, walzt Gans aus und lässt sie nach und nach an verschiedenen Orten in der Stadt Informationen sammeln, um das Puzzlespiel um Silent Hill zusammensetzen zu können. Unterstützt von einer Kamera, die das Gefühl des Verfolgtwerden zu ihrem Existenzzweck gemacht zu haben scheint, walkt der Plot Radha Mitchell und Laurie Holden ordentlich durch. Eine Tour de Force!
Und genau da beginnt die negative Seite von „Silent Hill“.
Zunächst einmal nimmt sich Gans zwar Zeit, aber hier hat er des Guten ein bisschen zu viel getan. Es ist ein ewiger Spießrutenlauf für die gute Rose, der nie richtig zu enden scheint. Und eine Identifikation findet nicht statt, denn Avarys Skript lässt sie zwar wie in den PC-Spielen an verschiedenen Orten verschiedene Aufgaben erfüllen und belohnt die Figuren mit ein paar Informationsbrocken, aber die sind dermaßen vage und bezugsarm, dass der Film die ersten anderthalb Stunden wie eine endlose Flucht wirkt.
Level für Level, Ort für Ort wird abgearbeitet, hier eine Entdeckung, da ein Rätsel, dort wieder Angriff und Flucht. Zusammenreimen kann sich der spielunkundige Zuschauer nichts, dafür sind die Entdeckungen zu beliebig.
Gestreckt wird das gleichzeitig durch einen Extra-Handlungsstrang, in dem Roses Ehemann, gespielt von Sean Bean, versucht, seine Frau in dem realen Silent Hill (der Film spielt in einer Art Vorhölle oder Zwischenwelt) aufzufinden.
Nicht nur, dass Beans Suche die Fremdwelthandlung immer wieder störend unterbricht, der komplette Strang ist für den Plot auch total witz- und bedeutungslos, nichts was er herausfindet, erfährt nicht auch Rose irgendwie.
Die kapitelhafte Erzählweise wird dann noch unterstrichen, in dem Schwärze bei den Übergängen knallend die Szenenenden unterstreicht, im Falle von Ohnmachten und ähnlichem. Als man dann gegen Ende bei den letzten menschlichen Überlebenden von Silent Hill der Wahrheit näher kommt, dann das größte Eingeständnis der erzählerischen Niederlage, wenn Rose „als Belohnung“ die Auflösung vom „Bösen“ erhält und damit der Zuschauer zusammengefasst bekommt, was er vorher ansatzweise gesehen hat, aber wohl kaum entschlüsseln konnte.
Der Film mündet dann in einem recht brutalen Finale, das an „Hellraiser“ gemahnt und endet schließlich relativ offen, bzw. mit einem Fragezeichen, was denn nun geschehen ist. Zwar kann man sich zusammenreimen, was nun Fakt sein könnte, befriedigend ist aber kaum eine der Alternativen und da hilft auch die späte Splatterattacke wenig.
Wie überhaupt reichlich Anleihen in der Filmgeschichte gemacht wurden, als Spiel oder Skript entworfen wurden. Die Schule in Silent Hill etwa heißt „Midwich School“ und gemahnt an „Das Dorf der Verdammten“, der ständig weglaufende Tochter-Doppelgänger erinnert an „Wenn die Gondeln Trauer tragen“; das durch die Wand stoßende Schwert kennt man aus „Terminator 2“, einige Sequenzen erinnern an „Shining“, hektische Malbewegungen des Kindes an moderne asiatische Horrorfilme, die Sirenen auf der Kirche an Pals „Zeitmaschine“.
Immerhin: es wirkt nicht plump geklaut!
Dennoch muß man den Plotaufbau nach normalen Maßstäben als Flop betrachten und das hat Roger Avary eigentlich nicht nötig, auch wenn der Ehemann-Handlungsstrang nachträglich ins Drehbuch eingefügt wurde. Der Zuschauer muß mitarbeiten können, hier wird er der Protagonistin als Punchingball gleichgesetzt und bekommt in den Ruhephasen auch noch ein paar geradezu klassisch schlechte Dialoge um die Ohren gehauen.
Damit wird „Silent Hill“ zu einem Film, der erfahren werden will, nicht genossen und es verlangt eine ganze Menge Ausdauer und Kraft, um diesen Brocken schlucken zu können.
Ich weiß nicht, ob Spielefreaks den Film vielleicht aus anderer Sicht sehen werden – auf jeden Fall ist Gans das Kunststück gelungen, dass man praktisch Gefallen und Nichtgefallen gleichzeitig akzeptieren kann.
Für die visuelle Tour de Force – Top!
Für Plot und Erzählstruktur – Flop!
Immerhin war es eine Erfahrung und das der Film nicht in gängige Horrorraster passt, macht ihn immerhin sympathisch, wenn auch auf eine bizarre Art und Weise (5/10).