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Kann man, darf man einen berüchtigten Diktator und Despoten sorgfältig porträtieren, obwohl klar ist, dass er Oppositionelle hinrichten lässt (oder sogar Krokodilen zum Fraß vorwirft), ein erklärter Antisemit und sowieso völlig irrational ist?

Tja, ich sage mal vorsichtig: ja, man kann, muss es aber nicht. Ich habe wenig Filme in letzter Zeit gesehen, die mich (abgesehen von SPRING BREAKERS und BULLHEAD) so fasziniert haben. GENERAL IDI AMIN DADA – A SELFPORTRAIT ist ein zeitgeschichtlich unfassbar interessantes Dokument, dem es aber dennoch bei aller Selbstentlarvung Idi Amins nicht ganz gelingt zu klären, inwieweit das Gezeigte bloß inszeniert ist und inwieweit Amin mit uns „spielt“ – ich weiß es nicht…
Der französisch-iranische Regisseur Barbet Schroeder (MORE; WEIBLICH, LEDIG, JUNG… SUCHT) erhielt 1974 über einige Umwege den Auftrag, eine Dokumentation über den ugandischen Herrscher Idi Amin Dada zu drehen. Besonders bemerkenswert war, dass Amin seine volle Unterstützung gewährte, just als er auf dem Höhepunkt seiner Macht war.

Zur Erinnerung: Idi Amin Dada kam 1971 durch einen Militärputsch gegen den ehemaligen Diktator Milton Obote an die Macht und zunächst waren die Ugander froh, Obote los zu sein. Amin wollte sein Land primär zu einer waffenstarrenden Militärmacht ausbauen, am Anfang mit Hilfe der USA, Briten und Israelis. Er war sogar zunächst großer Freund Israels, in deren Armee er 1967 eine Fallschirmspringerausbildung absolviert hatte. Als aber Israel sich seinen Waffenwünschen verweigerte, kippte Amins Politik und er beendete die diplomatischen Beziehungen mit Israel und so residierten bald Palästinenser in deren alten Botschaftsgebäude. Einer seiner besten Freunde wurde dann auch Libyens Muammar Al Gaddafi – ein schönes Paar, an dem sich Sascha Baron Cohen nahtlos orientieren konnte.
Amin wurde sogar so antiisraelisch, dass man im Film sieht, wie er eine ugandische Armeetruppe befehligt, die Golanhöhen zu erstürmen, sozusagen als Manövertestlauf für den Ernstfall, wenn arabische Truppen mit ugandischer Hilfe das heilige Land zurückerobern.
Das kleine Uganda sollte zu einer weltpolitischen Kraft werden und Amin brüstet sich im Film auch damit, dass ihn US-Politiker oder Briten nie besuchen, weil sie Angst vor ihm hätten.

1979 schließlich, nach zahllosen Grausamkeiten mit ca. 400.000 Toten (!), stürzten Truppen des Nachbarlands Tansania (und ugandischen Rebellen) schließlich Amin, der dann ins Exil nach Saudi-Arabien ging, wo er 2003 friedlich verstarb.

Neben Israel galt seine weitere Obsession Großbritannien, den ehemaligen Kolonialherren. Amin stieg zunächst rasch in deren Ostafrika-Armee zum Leutnant auf und machte sich durch seine Brutalität einen großen Namen in der Bekämpfung anti-englischer Aufstände in Kenia.
Am Anfang hielten die Briten, wie so viele im Westen, Amin für einen zwar leicht exzentrischen, aber zupackenden Politiker, so mehr verwunderten sie aber seine irrationalen Ausfälle, so etwa der Rauswurf von zehntausenden Indern, die mit den Engländern ins Land gekommen waren und den Handel kontrollierten. Die Ugander sollten dies übernehmen, obwohl sie oft null Ahnung hatten. Dementsprechend ging es auch mit dem Land wirtschaftlich zügig bergab und die Aufrüstung tat ein Übriges.
All dies erfährt man im Film zum Teil nur am Rande…

Immer wieder gab es Gerüchte darüber, dass Amin Menschenfleisch essen soll und, wie erwähnt, Feinde an Krokodile verfüttern soll. Umso bizarrer die Szene in dem Dokumentarfilm, wo er leutselig ein Interview in einem Boot führt, sich als Safariguide aufspielt und dabei besonders von Krokodilen schwärmt. Wenn man nun dieses Wissen hat, erscheint einem die Szene sehr beklemmend – als der Film 1975 rauskam, wusste man dies noch nicht. Insofern bleibt die Frage, inwieweit Amin den Ton des Films bestimmt hat. Im Nachhinein erscheint einem der Film wie das schillernde Porträt eines Exzentrikers – doch mit unserem jetzigen Wissen ahnen wir, wie beklemmend realistisch viele Szenen waren.

Eine besonders düstere Szene in dem Film ist die Kabinettssitzung: hier filmt Schroeder, auf ausdrückliche Einladung von Amin, munter drauflos, und in einer seiner endlosen Predigten über dies und das echauffiert sich Amin über die Außenwirkung seines Landes, die zu wünschen übrig lässt und zu negativ sei. Es sei Aufgabe des Außenministeriums, dies zu korrigieren und er wiederholt dies deutlich und drohend mit Blick auf den Außenminister am Kabinettstisch. Wenig später erfährt man im Off-Kommentar, dass der Außenminister zwei Wochen später Tod am Ufer des Nils gefunden wurde…

Amin erscheint oft wie ein leutseliger, jovialer, freundlicher, dröhnend-lachender Clown, der keiner Ideologie anhing, sondern nur die eigene Macht sichern wollte, der irrational und irrsinnig alleine Entscheidungen traf und dabei brutal gegen Gegner vorging. Er hatte 5 Frauen und über 20 Kinder, er zeigt sich als liebevoller Vater in einer Schar kleiner Kinder, die teilweise grotesk im Kampfanzug herumlaufen.

Es ist wie der Traum eines Satirikers, aber doch war es bitterer Ernst – und diesen Ernst musste Regisseur Schroeder selbst erleben, als Amin die ungeschnittene Fassung sichten ließ: er war so empört, dass er sofort ein Hotel mit 200 französischen Gästen umstellen ließ, die dann bei Schroeder persönlich in Paris anrufen mussten, um ihn den Ernst der Lage zu schildern. Schroeder zögerte nicht lange und schnitt die Szenen für die weitere Kinoauswertung raus und fügte sie erst nach dem Putsch gegen Amin wieder rein.

Ein zwiespältiges, aber sehr faszinierendes Erlebnis: eigentlich verstörender als jeder Horrorfilm, weil es real ist und immer wieder muss man die Bilder hinterfragen, denn obwohl man weiß, dass Amin sich hier bewusst inszenieren lässt (und im Off-Kommentar darauf hingewiesen wird), so lassen zwei Szenen (neben der Kabinettssitzung noch ein Ärztetreffen in Kampala, wo man ahnt, wie unsicher sich Amin gegenüber den „Gelehrten“ fühlt und seine Augen geradezu hart und böse werden) ahnen, was für ein machtgeiler Tyrann Amin gewesen sein muss, der aber dennoch mit den „Leuten“ irgendwie konnte und gerne mal das Akkordeon herausholte und Musik machte. Ein wahnwitziger Provokateur und Vorbild für Cohen und Kim jong-Un. Ein beeindruckender Film.

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