Review

„Es geschieht, wenn du zum ersten Mal zwischen Dir selbst und anderen unterscheiden kannst. Von diesem Moment an wird die Welt zur Bühne der Geschichte, in der Du die Hauptrolle spielst. Alle Menschen leben in einer Fantasie, in der sie die Hauptrolle einnehmen.“ - Der Autor

Kino ist auf Reisen und besucht und besucht neue Länder. Drei Tage lang. Wichtige Vorraussetzung: Kino mischt sich nicht in die dortigen Verhältnisse ein. Nur so werden Reisende auf der ganzen Welt willkommen geheißen. Kino will Menschen kennen lernen und fremde Gebräuche. Doch meist sind die neuen Erfahrungen von Schrecken und Traurigkeit geprägt. Kino sieht Kriege, in denen keine Soldaten sterben, die dennoch unendlich grausam sind. Es gibt Länder in denen Bücher verboten sind, um Freigeister zu verhindern. Nur so könne man ewig in Frieden zusammen leben. Gemeinsam mit dem sprechenden Motorad Hermes philosophiert Kino über das Erlebte. Und kommt trotz aller widriger Umstände zum Schluss: Das Leben ist schön.

Ryutaro Nakamuras „Kino no tabi“ ist ein echter slow-starter. Durch die langsame Erzählweise klassischer japanischer Filme wird der Zuschauer eingesogen in die fiktive Welt des 13-teiligen Anime. Viele Action-Freunde werden vielleicht schon nach zwei, drei Folgen die Segel streichen und die nachdenklich stimmenden Reisen als langweilig abtun. Aber gerade die ersten Folgen sind wichtig, um in Stimmung und Atmosphäre der häufig spartanischen Bilder einzutauchen. Zwar überzeugt „Kino’s Journey“ auch durch prachtvolle Animationen von mitteleuropäischen Städten zur Jahrhundertwende (Miyazaki lässt grüßen), doch die bewegendsten Momente finden im Kleinen statt. Wenn Kino von der Geschichte eines Weisen erfährt, der unter traurigen Umständen zu seinem Ruf gekommen ist. Oder wenn sich Kino in Gedanken von einem liebenswerten kleinen Mädchen verabschiedet, dass kurz zuvor mit seinem gesamten Land untergegangen ist.

Zwar wirken anfangs so manche philosophischen Einblendungen recht plakativ, doch im Laufe der Serie lassen die Themenässt und die wunderschöne Melancholie der Serie nicht mehr los. Zudem wartet "Kino no tabi" immer wieder mit mehr oder weniger versteckten Anspielungen auf aktuelle geschichtliche Themen auf. Kinos Sanftmut, der nur einmal harter Durchschlagskraft weicht, trägt den Zuschauer durch die teils düsteren Szenarien. Charaktere, Animationen und natürlich die Musik (unter anderem singt Kino-Sprecherin Ai Maeda den wunderbaren Song „Beautiful Life“) stimmen und sorgen für einem höchst anspruchsvollen Anime.
10/10

P.S.: „Kino no tabi“ hat zwar offiziell nur 13 Folgen. Abgerundet wird die Geschichte aber erst durch das Special „Life goes on“, das einen weiteren Blick auf Kinos Vergangenheit wirft. Und noch ein kleiner Tipp: Folge 4 unbedingt im Original ansehen. Der erwachsene Reisende Kino hat eine so angenehmen Stimme, dass man ihm gerne zuhört, auch wenn man kein Wort versteht.

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