Seit Jahrzehnten hält sich die urbane Legende, dass in Roswell, New Mexico / USA, 1947 ein Ufo abgestürzt sein soll. Wasser auf die Mühlen gutgläubiger Ufologen waren die verwackelten Schwarzweiß-Aufnahmen, die Ray Santilli 1995 der Öffentlichkeit präsentierte und eine vermeintliche Autopsie eines ebensolchen Außerirdischen zeigten. Nach einem gewaltigen Medienrummel gab Santilli zu, dass es sich gefälschte Aufnahmen handelte, bestand aber darauf, lediglich nachgedreht zu haben, was er im echten Autopsie-Video sah, das, nachdem es ihm vorgeführt wurde, aufgrund des Materialverschleißes angeblich nicht mehr zu gebrauchen war.
Die britische Komödie „Alien Autopsy“ von Regisseur Jonny Campbell („Death In Holy Orders“) aus dem Jahre 2006 nimmt sich dieses Themas an und versieht es sowohl mit Schenkelklopferhumor als auch satirischen Elementen. Dabei werden die Ereignisse in ausgedehnten Rückblenden erzählt, die in eine Rahmenhandlung eingebettet wurden, innerhalb derer Ray Santilli (Declan Donnelly, „Tatsächlich… Liebe“) und sein Kompagnon Gary Shoefield (Ant McPartlin, ebenfalls „Tatsächlich… Liebe“) während eines konspirativen Treffens mit einem Regisseur ihre Erlebnisse Revue passieren lassen. So erfährt der Zuschauer, wie es dazu kam, dass zwei wenig erfolgreiche, junge Männer mit einer versammelten Mannschaft amateurhafter Dilettanten eine gefälschte Außerirdischen-Autopsie in einer Privatwohnung drehten und damit nicht nur den großen Reibach machten, sondern auch das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich lenkten. Weshalb man um ein Treffen mit dem Regisseur bat, erfährt man indes zunächst nicht…
„Alien Autopsy“ erhebt keinerlei Anspruch auf eine authentische Wiedergabe der wahren Ereignisse, sondern erkennt das komische und medienrealsatirische Potential der aberwitzigen Vorgänge und überzeichnet diese so stark, dass man in Sachen Humor auf Nummer sicher geht. Das funktioniert auch in der Tat einwandfrei, der sympathische Loser-/Buddy-Humor mit seinen zielsicheren Pointen in Verquickung mit plakativen Seitenhieben auf sensationslüsterne Medien klappt hervorragend kurzweilig. Die Dreistigkeit auf Seiten aller Beteiligter und die daraus resultierende Absurdität mancher Situation beschert viele wunderbar humoristische Momente. Genretypisch ergehen sich dabei einige Charaktere in Overacting und klischeehafter Eindimensionalität, was sich aber nicht sonderlich negativ auswirkt. Donnelly und McPartlin sind ohnehin ein eingespieltes Team, treten sie als Duo „Ant & Dec“ doch häufig im britischen Fernsehen auf. Sie machen ihre Sache ebenso einwandfrei wie der Rest der Belegschaft.
Angereichert wurde die Geschichte um mit Ruhm und Reichtum einhergehende charakterliche Veränderungen. Während Gary als vernunftbetonter Bedenkenträger und eher introvertierter Typ gezeichnet wird, ist Ray der Lautsprecher, derjenige, der ohne den Anflug von Zweifeln oder Gewissensbissen das ungewohnte Lotterleben in vollen Zügen genießt. Dadurch wird es sein Gesicht, das mit dem Autopsie-Film in Verbindung gebracht wird, während man Gary gar nicht erst erkennt. Ray fliegt erster Klasse von TV-Auftritt zu TV-Auftritt und bringt das gemeinsame Projekt in Gefahr, wenn er keine passenden Antworten parat hat, Gary hingegen bleibt im Hintergrund und läuft Gefahr, paranoid zu werden. Zwar wird auch diese Entwicklung komödiantisch dargestellt, hat jedoch einen ernsten Hintergrund, der sich problemlos auf die Gesellschaft übertragen lässt.
Während „Alien Autopsy“ also hier und da tatsächlich ein wenig an über den reinen Unterhaltungsfaktor hinausgehenden Anspruch gewinnt, fiebert der Zuschauer – sofern es ihm wie mir ergeht – richtiggehend mit den Beiden mit, denen man den Erfolg zunächst von Herzen gönnt. Besonders spannend ist der Film natürlich dann, wenn man gar nicht mehr so genau vor Augen hat, was damals ablief. So sehr „Alien Autopsy“ auch augenzwinkernd den Mythos um die angeblichen Originalaufnahmen nährt: Man sollte ihn als das sehen, was er ist und was auch das vermeintliche Autopsie-Video seinerzeit war: Eine unterhaltsame Farce, eine willkommene Ablenkung vom Alltag. „I Want to Believe“-Ufo-Fanatiker hingegen werden sich ob der Verulkung des Themas vermutlich erbost abwenden.
Eine Bemerkung sei mir noch gestattet: 1995 wirkte der Autopsie-Film, der unter Mitarbeit eines Spezialeffektkünstlers für Horrorfilme entstand, immerhin so authentisch, dass lange und ausgiebig über ihn diskutiert wurde. Ob das im Falle von CGI auch passiert wäre? Ein Hoch auf die gute, alte, manuelle, plastische Spezialeffektkunst – ein besseres Argument für ihre Verwendung als einen Film wie jene Ray-Santilli-Produktion kann es gar nicht geben!