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The Night Listener ist ein unterschätzer Film des jungen Regisseurs Patrick Stettner und kann mit Robin Williams in der Titelrolle einen echten Charakterdarsteller aufweisen, dessen Interesse allein, in diesem Low Budget-Film die Hauptrolle zu übernehmen, schon für das Drehbuch spricht. Er hat sogar seinen Agenten überstimmt und die Rolle persönlich angenommen. Und wie man schon am Bart sehen kann, ist es eine ernsthafte Rolle. (Es gibt ja die Theorie, dass man an Williams Bartwuchs erkennen kann, ob es ein lustiger oder ein ernster Film ist: Bart = ernst | glatt rasiert = Komödie...)Williams hat eine Radioshow im Nachtprogramm, in welcher er mit unvergleichlich fesselnder Stimme kleine wahre Geschichten erzählt. Er hat einen gewissen Promi-Status, allerdings eher in der Homosexuellen-Szene, zu der er selbst gehört, doch eigene Beziehungsprobleme drücken ihm auf's Gemüt, als er den Anruf eines jungen Autors bekommt, der ihn bittet, sich seine Geschichte anzuhören. Es ist eine Geschichte über Kindesmissbrauch, Gewalt und abscheulichen Dingen, die dieser Junge in einem Buch zu verarbeiten sucht.

Williams freundet sich mit dem AIDS-kranken Jungen an, sie telefonieren oft und er liest das Manuskript. Und obwohl ihn Freunde und Bekannte warnen, verstrickt er sich in ein Dickicht aus Wahrheit und Lüge, Glauben wollen und Beweisen können. Als er schließlich entscheidet, den Jungen persönlich zu treffen, stößt er auf Dinge, die er lieber niemals ans Licht geholt hätte...

Die Schwäche des Films, seine Langsamkeit, ist m.E. gar keine, sondern genauso gewollt. Man kann sich viel intensiver in Williams Charakter hineinversetzen, weil man ebenso lang über das Gesehene nachdenken muss. Spannung baut sich auf allein durch das Fehlen von Aktion - irgendwann passiert etwas, das ist sicher. Man kommt sogar vor dem Protagonisten zu den richtigen Schlüssen und merkt befriedigt, dass dieser dann auch genau so handelt, wie wir es getan hätten. Und dennoch liegen wir alle falsch...

Ein ruhiger aber spannender, leiser aber verstörender Film, den man erst nach dem Ende voll begreifen kann. Der Regisseur versteht es, den Zuschauer auf's Glatteis zu locken, und erst spät bedenkt man, dass die filmische Perspektive nicht zwingend die des allwissenden Regisseurs bleiben muss...

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