Wenn wir einen Menschen ausschließlich über Telefongespräche kennen lernen, woher sollen wir dann wissen, ob dahinter nicht eine völlig andere Identität steckt?
Auf diese Frage läuft „Night Listener“ schließlich hinaus, auch wenn die unausgegorene Mischung aus Drama und Thriller zunächst kaum eine roten Faden erkennen lässt, weil man sich zwischen Aids-Drama, Radiogeschichten, Missbrauchs-Erzählungen und Beziehungsproblemen nicht entscheiden kann.
Dank zweier vielschichtig agierender Gesichter wie Robin Williams und Toni Collette kann zumindest ein gewisses Interesse Aufrecht erhalten werden, auch wenn die große Enthüllung gegen Ende beileibe nicht überraschend ausfällt.
Zu ausladend gestaltet sich der Storyaufbau rund um die Hauptfigur, den schwulen Radiomoderator Noone (Williams), der sich soeben von seinem Freund getrennt hat und folgend mit dem Manuskript des todkranken 14jährigen Pete beschäftigt ist.
Noone nimmt telefonischen Kontakt mit dem Jungen auf, der von seiner Pflegemutter Donna (Collette) behütet wird.
Nachdem man jedoch feststellt, dass sich Petes und Donnas Stimme am Telefon sehr ähneln und ein persönliches Treffen immer wieder verschoben wird, beschließt der Radiomoderator der Sache auf den Grund zu gehen.
Bis dahin dauert es jedoch eine ganze Weile und es steht lange Zeit ein zäh und zu oberflächlich erzähltes Drama im Vordergrund, das die gescheiterte Beziehung der Hauptfigur viel zu stark thematisiert, mit Besuch der Eltern, einer Erkenntnis während einer Feier und Gesprächen mit Freundin und Verleger. Mit den Telefongesprächen zwischen Noone und Pete geht man indes zu wenig in die Tiefe, um deren Außenseiterpositionen klar herausstellen zu können.
Sehr langsam nähert man sich der eigentlichen Thematik, der Existenz Petes, der ein Buch über seinen Missbrauch verfasste, der Rolle seiner Pflegemutter und die Frage, ob eine von beiden Personen womöglich gar nicht existiert.
Erst nach einer halben Stunde kommt ein annehmbarer Erzählfluss zustande, als Noone die Geschichte Petes als einen miesen Plan für bessere Promotion ansieht und von New York ins ländliche Wisconsin reist.
Und tatsächlich finden sich im letzten Drittel noch spannende Szenen zwischen den Fragen, ob eine Frau tatsächlich blind ist, Pete in einem der umliegenden Krankenhäuser aufzuspüren ist und warum die Leute im Ort so voreingenommen auf Noones Fragen reagieren.
Endlich finden sich Elemente eines Thrillers, die sogar ein wenig Atmosphäre (Flucht aus einem Krankenhaus, ein Polizeiwagen inmitten eines einsam gelegenen Feldes) aufweisen können.
Doch leider lässt sich auch die Auflösung diverser Geheimnisse vorzeitig entschlüsseln, zu deutlich werden Hinweise geliefert und zu durchschaubar zeichnen sich die Syndrome eines sexuell missbrauchten Opfers ab.
Dabei bietet Robin Williams als ruhiger, ein wenig in sich gekehrter Träumer und Philosoph eine durchweg sympathische Vorstellung, die der schwach konzipierten Story mühelos entgegen wirken kann. Auch Toni Collette weiß als Figur zwischen leidgeplagter Mutter und verschlossener Einzelgängerin zu überzeugen.
Doch auch die beiden können nicht das flatterhafte Script zusammenhalten, das für ein Drama zu wenig Tiefe und für einen Thriller zu wenig Suspense aufweist.
Die Enthüllung geheimnisvoller Identitäten, das Ergründen seiner eigenen Rolle im Spiel und die Frage, wer wen für seine Zwecke ausnutzt, hätte mit wesentlich mehr Drive und spannenden Momenten ausgestatten werden können.
So bleibt ein über weite Teile lahm erzähltes Drama mit vielen verschenkten Möglichkeiten, das Dank zweier überaus solider Hauptdarsteller noch einigermaßen unterhält.
5,5 von 10