Harter Drill, Durchhalteparolen und die Unterordnung des Individuums unter das Kollektiv. Die Anfangstage des Produzenten Jerry Bruckheimer - hier liegt seine vierte Produzententätigkeit vor, allesamt unter der Regie von Dick Richards - riechen bereits entfernt nach dessen besonders erfolgreicher Phase in den späten Neunziger Jahren. Allerdings charakterisieren die militärischen Attribute in “Marschier oder stirb” hier schlicht und ergreifend das im Blickpunkt stehende Kollektiv. Gene Hackman, Terence Hill, Max von Sydow und Ian Holm besetzen die tragenden (Männer-)Rollen in einem Portrait der französischen Fremdenlegion, einer Institution, die zwar seit Anfang des 20. Jahrhunderts relativ regelmäßig, aber insgesamt selten mit Filmen bedacht wurde. Erstaunlich, bedenkt man, welch potenzielle Dynamik hinter dem soziologisch gesehen nicht uninteressanten Wechselspiel zwischen militärischem Einheitsdenken und der multikulturellen Herkunft der Söldner steckt.
Dick Richards findet einen seriösen, Hauptdarsteller Terence Hill zum Dank jedoch nicht trockenen Ton, die Situation der Fremdenlegion nach Ende des Ersten Weltkriegs angemessen einzufangen. Die Stimmung ist geprägt von Zwangslagen. Eine erste Szene zeigt die Rekrutierung neuer Söldner direkt am Bahnhof, eine notwendig gewordene Maßnahme, nachdem der Erste Weltkrieg einschneidende Verluste gefordert hatte. Die Motivation, sich der französischen Armee anzuschließen, resultiert offenkundig aus der Perspektivlosigkeit von Menschen, die sonst nicht wissen, welchen Sinn sie ihrem Leben noch geben könnten. Manchmal sind es auch verwöhnte Burschen der oberen Gesellschaftsschichten, die endlich mal ein Abenteuer erleben wollen. Terence Hills Figur Marco Segrain wiederum gelangt aufgrund seiner Karriere als Fassadenkletterer und Dieb unfreiwillig in die Legion und zeigt im Laufe der Ausbildung auch Charaktereigenschaften, die sich nicht mit den Ausbildungsregeln vertragen.
Es wird also im Ansatz ein Bild unterschiedlichster Charakterköpfe gezeichnet, imprägniert durch erinnerungswürdige Gestalten wie Jack O’Halloranns hochgewachsenen russischen Riesen Ivan. Hill selbst bekommt die Gelegenheit, seinem klassischen Rollenbild zu entsprechen, insbesondere durch eine der üblichen Frauengeschichten, wobei Catherine Deneuve ins Spiel gelangt. Die Liebeleien und sonstigen Muster, wie man sie aus den Spaßbalken mit Bud Spencer kennt, wirken zu Beginn fremdkörperartig, können im späteren Verlauf der Geschichte ihr Vorhandensein jedoch rechtfertigen. Letztendlich sorgt Hill, wenngleich die ihm aufgedrückte ernsthafte Note seiner darstellerischen Leistung nicht allzu sehr bekommt, für die nötige Heterogenität, um die Vorstellungen des Majors William Foster (Gene Hackman) von einer tödlich präzise funktionierenden Einheit aufzubrechen.
So ist “Marschier oder stirb” über weite Strecken auch der klassische Kampf des Individualisten, der aus seiner Gruppe herausstechen muss, nicht anders als das, was Jean-Claude van Damme schon alleine aufgrund seines Images als Schauspieler und des typischen Verlaufs seiner Filme in “Der Legionär” spielte; jedoch gelangt nun noch das Schüler-Mentor-Verhältnis in die Geschichte, das ansatzweise an “Mein Name ist Nobody” erinnert (allerdings viel gedämpfter) und aus dem letztendlich auch eine ironische Schlusspointe folgt.
Zur gleichen Zeit beleuchtet der Film die inneren Zweifel des von Hackman gespielten Majors an seiner fragwürdigen Mission (das Beschützen der Expedition einer Gruppe von französischen Archäologen in der Wüste Marokkos). Zudem muss auch noch die funktionelle Struktur der eigentlichen Ausbildung nachgezeichnet werden, wobei der Wüstenmarsch, bei dem ein Mann zurückgelassen wird, den Schlüssel bildet. Keinesfalls wird also eine Perspektive konstant beibehalten, vielmehr wechselt die Sicht auf das Geschehen auf mehreren Ebenen. Das wird alles in allem recht solide gelöst, gewisse Schwächen in der Dramaturgie können aufgrund dessen allerdings nicht verhindert werden.
Des weiteren kommt die eigentliche Handlung im Gegensatz zu den interessanten Figurenkonstellationen etwas dröge, aber auch zu geradlinig daher. Die Ausbildungsszenen sind in der Filmmitte unglücklich platziert und bevor man sich versieht, steigt bereits die einzige, deswegen aber auch sorgfältig inszenierte Wüstenschlacht. In den Arrangements heranstürmender Angriffswellen von eingemummten Beduinen auf das provisorisch errichtete Fort der Legionäre wird ein Feingespür für aufwendige und strategisch nachvollziehbare Choreografien bewiesen, wie unsereins es erst mit den “Herr der Ringe”-Filmen und der darauffolgenden Welle von Schlachtengemälden wiederentdeckt hat. In “Marschier oder stirb” ist selbstverständlich alles eine Nummer kleiner, dennoch höchst ansprechend inszeniert.
Zu viele Ansätze bedeuten, dass in Dick Richards’ Arbeit zwar einerseits eindrucksvoll demonstriert wird, welch erzählerisches Potenzial in Fremdenlegionsfilmen steckt; andererseits wird keine der eingeschlagenen Richtungen so intensiv verfolgt, dass man sich mal nennenswert von der Oberfläche absetzen könnte. “Marschier oder stirb” ist keineswegs ein oberflächlicher Film, aber aufgrund seines Perspektivenreichtums gelingt es ihm zu keiner Zeit, ein abgedichtetes Bild der französischen Fremdenlegion zu bieten und letztendlich leiden auch Intensität und Spannung im Handlungsverlauf darunter, aller einprägsamen Szenen zum Trotz. Doch wenigstens wird es dem Kritiker schwer gemacht, sich auf fragwürdige Ideologien einzuschießen, denn die Geschichte wird dafür schlichtweg von zu vielen Seiten aus beleuchtet.