Dass der Western Vorarbeit für den modernen Actionfilm leistete, ist inzwischen Allgemeinwissen. Vor allem die bewährte Westerngeschichte vom einsamen Fremden, der in einer von krimineller Hand beherrschten Stadt für Ordnung sorgt, wurde immer mal wieder in Actiongefilde übertragen, mal mit mehr („Stranger“) oder weniger („Best of the Best 3 – No Turning Back“) deutlichen Westernbezügen, so etwa auch in „Kid – Einer gegen alle“, im Original einfach nur „Kid“.
Kurz zuvor hatte bereits „Young Guns“ den Western mit Jungstars und MTV-Ästhetik für eine neue Generation flottgemacht und auch in „Kid“ ist der Held ein Vertreter der jüngeren Garde: C. Thomas Howell spielt den namenlosen Fremden, der nicht mit dem Gaul oder der Postkutsche, sondern mit dem Bus in die Kleinstadt einfährt, die der Schauplatz des Geschehens ist. Dass hier nicht alles im Lot ist, zeigen schon die ersten Minuten, in denen die Rowdys Harlan (Michael Bowen) und Pete (Damon Martin) sich aufführen wie die Axt im Walde, jeden Ladendiebstahl noch mit einem Verweis auf ihren mächtigen Vater rechtfertigen und sogar beinahe den Hund von Kate (Sarah Trigger) in einem Anfall von Sadismus ermorden.
Als cooler Towntamer geht der Namenlose, von den Credits nur als Kid bezeichnet, dazwischen und steht damit bereits auf der Shitlist der ortsansässigen Bullys, auch wenn Harlan und Pete vorerst den Hintern vollkriegen. Weder den western- noch den actionerfahrenen Zuschauer wundert es allerdings, wenn sich bald darauf herausstellt, dass der Vater der beiden Fiesfressen der cholerische, übellaunige Sheriff Luke (R. Lee Ermey) ist, der im Dorf eher gefürchtet denn respektiert ist. Doch Kid lässt sich auch davon nicht abhalten, selbst wenn die Intervention Lukes ihn aus seiner Pension herausbugsiert.
Für den Zuschauer ist jedoch zu diesem Zeitpunkt eh klar: Kid ist nicht zufällig hier. Das haben bereits erst kurze, später immer längere Flashbacks zu einem traumatischen Erlebnis in der Vergangenheit gezeigt – aus einer Zeit, in welcher der Namenlose tatsächlich noch ein Kind war. Und nun rechnet er mit den Tätern von damals ab, die vermeintlich gestandene Bürger des Ortes sind…
Schon am Filmtitel „Kid“ und der entsprechenden Betitelung des Helden lässt sich der Westerncharakter des Films ablesen, denn wer mag bei dem Namen und der Prämisse nicht ein wenig an Westernlegende Billy the Kid denken. Auch sonst überträgt „Kid“ in erster Linie Westernmuster in die Gegenwart, ersetzt den Saloon durch eine Countrybar, die Pferde durch Autos und die freundliche Bardame durch die Tochter aus gutem Hause, die natürlich dem Helden verfällt (und umgekehrt). Insofern verläuft die Handlung in erwartbaren Bahnen, gerade die nach und nach enthüllte Identität der letzten Übelwichte dürfte kaum einen genregestählten Zuschauer aus den Socken hauen, während sich Kid nach und nach durch die kleine Gruppe der Unsympathen arbeitet. Ebenso wenig überraschend ist es, wenn die Flashbacks schließlich enthüllen, dass die Schurken dereinst seine Eltern meuchelten. Diese waren als Hippies, die ihr Land nicht verkaufen wollten, den Bösewichten ein Dorn im Auge. Als naturverbundene Ökofans mit beweglichem Heim erinnern sie natürlich auch an jene Indianer, die in zahllosen Western von schurkischen Cowboys oder Soldaten niedergemetzelt wurden.
Dass „Kid“ diesem Westerncharakter treu bleibt, bedeutet freilich auch einen Verzicht auf allzu auslandende Actionszenen: Ein paar Schusswechsel, ein paar Prügeleien und hin und wieder mal ein Stunt, etwa wenn ein Wohnwagen über eine Klippe geht und dabei formschön explodiert. Regisseur John Mark Robinson liefert da eher Hausmannskost der bodenständigen Art ab, das aber handwerklich sauber. Aber diese kurzen, meist sehr endgültigen Konfrontationen passen zum Westernstil des Films, welcher sich auch in manchen Running Gags niederschlägt – etwa die wiederholte Frage an den Fremden, ob er schlicht und einfach an der falschen Haltestelle ausgestiegen sei, da sich kaum jemand vorstellen kann, dass man den Ort freiwillig ansteuert.
So hat die Bildsprache durchaus etwas von einem Western, auch wenn die Inszenierung sich vor modernen Elementen nicht verschließt, teilweise sogar klar jüngere, hippere Zielgruppen bedienen will – Kates Bruder Louie etwa wird von Brian Austin Green gespielt, der kurz nach „Kid“ mit seiner „Beverly Hills, 90210“-Rolle zum Teenidol der 1990er aufstieg. Seine Figur hört stets gitarrenlastige Mucke und quatscht davon, weshalb er in den Credits auch als Metal Louie geführt wird, was wiederum den Einbau zielgruppengerechter Rockmusik inhaltlich rechtfertig. Wobei die Abspannhymne „Restless Heart“ von Tattoo Rodeo tatsächlich echt gelungen ist, wenn man auf treibenden Rock in der Tradition von Survivor usw. steht.
Mit C. Thomas Howell ist dann allerdings ein nicht ganz so zugkräftiger Jungstar an Bord, der es trotz seiner Mitwirkung an Filmen wie „Die rote Flut“, „Die Outsider“ und „Hitcher“ nicht zum Ruhm eines Tom Cruise oder eines Charlie Sheen brachte, sich aber durchaus gut macht in der Rolle des schweigsamen wie tatkräftigen Rächers. Sarah Trigger als Love Interest ist ganz gut, Brian Austin Green, Michael Bowen und Damon Martin geben sich in weiteren wichtigen Jungrollen dagegen eher dem fröhlichen Overacting hin. So sorgen dann eher die erwachsenen Nebendarsteller für Akzente, allen voran R. Lee Ermey, der seine cholerische Persona als fieser Sheriff weiter kultivieren kann, aber auch Dale Dye als Vater von Kate und Louie sowie Don Starr in einer seiner letzten Rollen.
„Kid“ gewinnt definitiv auf inhaltlicher Ebene keine Innovationspreise, da die Mischung aus Rachethriller, Teen-Western und bodenständiger Action arg nach bekannten Mustern abläuft. Die Schauwerte sind sparsam eingesetzt, doch Charme und Atmosphäre hat die Übertragung einer klassischen Westerngeschichte ins zeitgenössische Amerika schon, handwerklich sauber und recht kurzweilig ist das Ganze auch gemacht. Ein netter kleiner Actionthriller für den Hausgebrauch ohne größere Ansprüche. 5,5 Punkte.