Amerikanisches Suspense- und Actionkino der alten Schule. Altmeister John Frankenheimer (French Connection 2) gedenkt endlich seiner Qualitäten als Regisseur wieder und serviert seinem Publikum hier einen Retro-Film erster Güte, der schon mit seinem veralterten Sujet hausieren ging, noch ehe seine Qualitäten einem breiten Publikum zugänglich wurden.
Tatsächlich ist "Ronin" eben kein Actionfilm im eigentlichen Sinne, obwohl einige gut inszenierte Actionsequenzen aufweisen kann und ferner ein paar schön rasante, altmodisch aufgemachte und deswegen sympathisch realistische Autoverfolgungsjagden bietet. Eigentlich ist der Film in der Struktur eher ein Hitchcock, auch wenn der romantische Subplot hier etwas zu kurz kommt.
Frankenheimer arbeitet wie der Suspensemeister hier nämlich mit einem MacGuffin (der Aufhänger, der die Geschichte ins Rollen bringt und ständig im Gespräch bleibt, obwohl er selbst vollkommen unwichtig ist), dem Koffer, dem alle Agenten und Söldner hinterherjagen. Tatsächlich ist der MacGuffin reinsten Wassers, denn weder wird je erklärt, was sich in ihm befindet, noch erfährt es (außer de Niro und der schweigt) eine der Filmfiguren. Trotzdem dreht sich alles Tun und Handeln um dieses Gepäckstück.
Der Rest ist atmosphärisch geschickter Standard vom Feinsten. Eine zur Besorgung engagierte Söldnertruppe, die den Koffer seinen Besitzern abnehmen soll, bevor die ihn an die Russen verkaufen. Einer der Söldner ist ein Fake, ein anderer wird zum Verräter und alsbald wird die Jagd auf den Koffer zum blutigen Getümmel, wenn jeder jeden bekriegt.
Frankenheimer mischt ruhige, beinahe stille Bilder seiner mysteriösen, wortkargen Protagonisten, die sich langsam kennenlernen mit den hitzigen Actionsequenzen, an denen sich der Film gegen Ende mehr und mehr entlanghangelt. Charakter werden hier nicht einfach präsentiert, sondern der Zuschauer muß sich selbst ein Bild aus den wenigen Hinweisen, die die Protagonisten geben, zusammenbasteln. Dabei werden de Niro und Reno bald zu den Sympathiefiguren, obwohl sie eigentlich nichts tun, was das unterstützen würde, außer ihren Auftrag zu erledigen und sich nicht betrügen lassen.
Was die Autoverfolgungen und Feuergefechte angeht, so sind sie virtuos inszeniert. Die finale Autojagd (als Geisterfahrer über eine Autobahn) ist sogar ein wenig zu viel des Guten und strapaziert in ihrer Endlosigkeit die Geduld der Zuschauer. Die sparsam, aber effektiv eingesetzten Feuergefechte schneiden, trotz daß sie weniger Presse bekamen, da besser ab, vor allem die Hetzjagd im Stadion/Colloseum von Arles ist ein rasanter Filmhappen.
Für Filmfreunde viel interessanter ist das suspensereiche Zusammenspiel der Charaktere, die sich gegenseitig vorsichtig beschnuppern, abschätzen und austesten, ohne je dem anderen ganz zu vertrauen. Obwohl die Szenen völlig ruhig inszeniert sind, liegt hier die inhaltliche und spannungstechnische Schwere der Produktion, besonders in der Waffenkaufsequenz, die ein kleines Meisterwerk an Spannungsaufbau ist, ehe sie zu einem explosiven Schluß kommt.
Schauspielerisch ein Ensemble-Pic, fokussiert sich der Film mit der Zeit mehr und mehr auf de Niro (wortkarg) und Reno (noch wortkarger), die bald ein Team bilden, daß in Freundschaft enden könnte. Aber auch sonst macht die knackige Besetzung einiges her. Wunderbar wie immer Stellan Skarsgard, der hier den skrupellosen Deutschen Gregor gibt, wie auch Michael Lonsdale und Jonathan Pryce (beide wie Sean Bean Ex-Bond-Bösewichter), die ein doppeltes Spiel treiben. Sean Bean hat nur einen vergleichsweise kurzen Auftritt, kann aber mal mit ein paar neuen Charakterzügen aufwarten.
Natürlich trägt der Film dem heutigen Modegeschmack nicht Rechnung, wirkt aber in seiner Retro-Konsequenz wie ein freundlicher Lichtblick im Action-Bombast-Allerlei und erzählt darüber hinaus noch eine abwechslungsreiche Geschichte, ohne sich per Staraufgebot auf bekannte Gesichter zu stützen.
Das ist großartiges Kino, kein Meisterwerk, aber doch ein Klassefilm, der nahezu keine Schwächen kennt, was die Wahl seiner Mittel betrifft. Definitives Pflichtprogramm für Filmfreunde. (8,5/10)