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Nicht nur die Amerikaner lieben „ihren“ Volkssport Football, welcher vor allem das männliche Publikum zu faszinieren und begeistern vermag – die weltweiten „Super Bowl“-Einschaltquoten beweisen das immer wieder eindrucksvoll. Hierzulande mag man es eher „softer“ – Fußball bzw Soccer ist schon seit Ewigkeiten der große Renner. Filme über Football liefen in Deutschland noch nie sonderlich erfolgreich, doch auf der anderen Seite des Atlantiks sieht das natürlich ganz anders aus: Derartige Veröffentlichungen platzieren sich in konstanter Regelmäßigkeit beinahe spielerisch an der Spitze der US-Kinocharts. In der abschließenden Jahreshälfte 2006 markiert „Gridiron Gang“, nach „Invincible“ mit Mark Wahlberg sowie vor „We are Marshall“ mit Matthew McConaughey, das zweite große Sport-Drama dieser Ausrichtung, während parallel dazu im TV die Serie zu Peter Berg´s Hit „Friday Night Lights“ anläuft. Was die Werke allesamt miteinander verbindet, ist der kommerzielle Erfolg, dass sie jeweils auf authentische Ereignisse beruhen sowie inspirierende, bewegende und mitreißende Inhalte aufweisen, die beim Betrachter unweigerlich bestimmte Emotionen heraufbeschwören.

Angesichts der ernüchternden und frustrierenden Statistik, dass rund 75 Prozent der jugendlichen Straftäter nach ihrer Entlassung aus einem Detention Center erneut in ihre gewalttätigen Umgebungen zurückkehren und/oder später nochmals straffällig werden, wird man unweigerlich zum Nachdenken angeregt – wie kann es sein, dass diese jungen Leute keine Perspektive (mehr?) in ihrem Leben sehen und sich somit einer Gang anschließen oder „allgemein“ auf die schiefe Bahn geraten, selbst nach einer zuvor verbüßten Haftdauer, welche sie ja im Grunde abschrecken und bekehren sollte? Der engagierte „Juvenile Detention Probation Officer“ Sean Porter (Dwayne „the Rock“ Johnson) sieht sich konstant mit dieser Frage konfrontiert, denn tragische Meldungen über die Schicksale seiner ehemaligen „Schützlinge“ erreichen ihn in wenig umfangreichen Abständen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Malcolm Moore (Xzibit) müht er sich redlich, die Einstellungen der Kids im Camp Kilpatrick (etwas außerhalb von L.A.) zu ändern, nur kann auch er die landesweite Quote kaum unterschreiten. Eines Abends kommt Sean der entscheidende Gedanke: Wenn es ihm gelingen könnte, aus ihnen ein Football-Team zu formen, ließen sich auf diese Weise Punkte wie Teamwork, Selbstdisziplin oder die Motivation, gemeinsam ein spezielles Ziel zu erreichen, weniger erzieherisch wirkend vermitteln. Paul Higa (Leon Rippy) und Ted Dexter (Kevin Dunn), die Leiter der Institition, stehen der Sache eher skeptisch gegenüber, lassen allerdings einen Versuch zu, da eine Verschlechterung der Situation ohnehin kaum mehr möglich ist. Gemeinsam mit Moore stellt Sean in Folge dessen eine Mannschaft zusammen, die aus einer Auswahl potentieller Talente besteht, welche in der Vergangeheit Verbrechen wie Drogenhandel, Autodiebstahl, bewaffnete Überfälle oder gar Tötungen begangen hat. Probleme gibt es dabei allerorts – Willie (Jade Yorker) und Calvin (David Thomas) gehören etwa zu rivalisierenden South Central Gangs, andere verweigern sich vehement jeder Art von Autorität. Trotzdem schweißt sie das Training und der Wettkampf-Gedanke zusammen – ein weiter Weg in nur kurzer zur Verfügung stehender Zeit, an dessen Ende sie sich stolz als „Mustangs“ bezeichnen können. Andere Teams weigern sich jedoch, gegen die Verurteilten anzutreten. Beharrliche Überzeugungskraft ermöglicht es aber, dass man sie in einer vornehmlich weißen und christlichen High School Liga aufnimmt, wo sie sich fortan beweisen dürfen. Da Sean jedes Jahr eine andere Gruppe Kids betreut, hofft er innständig, dass diese eine Saison ausreicht, um wenigstens einige von Ihnen dauerhaft auf den rechten Pfad zurückzuführen…

„Gridiron Gang“ basiert auf einer wahren Begebenheit, wurde von der preisgekrönten 1993er Dokumentation gleichen Namens inspiriert und an Originalschauplätzen gedreht. Trotz dieser Vorlagen, an denen sich der Film ziemlich akkurat orientiert, ist das Ergebnis inhaltlich vollkommen „by the Numbers“ ausgefallen, denn es folgt so ziemlich jeder bekannten Formel dieses Sub-Genres, so dass man nicht lange nach Klischees oder 08/15-Handlungsabfolgen suchen muss. Indes sollte eigentlich jeder Zuschauer bereits im Vorfeld wissen, auf was er sich einlässt – schließlich spricht der Trailer eine deutliche Sprache. Hinzu kommt, dass es sich um eine ur-amerikanische Story handelt, welche die klassische Underdog-Geschichte mit positiven Botschaften über Respekt, Loyalität, Ehrgeiz sowie der Möglichkeit einer zweiten Chance kombiniert, angereichert mit persönlichen Problemen, inneren Konflikten und der niederschmetternden Befürchtung, in der Gesellschaft keine erstrebenswerte Zukunft mehr zu besitzen, da spätestens mit der ersten begangenen Straftat die (ohnehin stark eingeschränkten) Perspektiven beinahe völlig ausgelöscht wurden. Man wandelt unübersehbar in den Fußstapfen von Produktionen wie „Remember the Titans“, „Glory Road“, „Coach Carter“, „the longest Yard“ oder „Stand and Deliver“ – allein diese Konstellation macht deutlich, dass die Sportart an sich eine eher untergeordnete Rolle innehält, es vielmehr um das „Spiel des Lebens“ geht. Klar sieht man fast alles aus einer gewissen Entfernung auf sich zukommen, weshalb die Frage gestellt werden darf, was für eine Daseinsberechtigung dieses Werk vorweisen kann. Sicher war es kaum nötig, gerade dieses Skript umzusetzen, auch weil kein Element mit Abstand aus dem Gesamteindruck herausragt, doch schlecht ist das fertige Produkt keineswegs – die Inszenierung ist hochwertig, einige kraftvolle Statements werden nachhaltig rübergebracht, man wird, trotz aller Vorhersehbarkeiten, passabel unterhalten, und zwar ohne sich einer vordergründigen (Gefühls-) Manipulation auszusetzen.

Phil Joanou (TV´s“Wild Palms“) ist ein talentierter Regisseur, welcher im Verlauf seiner Karriere (kommerziell) mehr Pech als Glück gehabt hat – „Final Analysis“, „Entropy“ und „Heaven´s Prisoners“ sprechen da eine deutliche Sprache. „Gridiron Gang“ ist ungleich konventioneller, mehr ein Mainstream-„Crowd Pleaser“, weshalb es mich überrascht hat, dass er auf dem Regiestuhl Platz genommen hat – andererseits ist es wichtig, zumindest gelegentlich mal einen Box Office Erfolg in seinem Lebenslauf vorweisen zu können. In bestimmten Momenten schimmert Joanou´s dunkle, realistische Betrachtungsweise eindrucksvoll durch die „feel good“-Oberfläche hervor, was den Film einen Tick von der Masse abhebt. Die Hintergründe der Kids werden nie glorifiziert, sondern als gefährliche, unschöne Orte präsentiert, die Jugendlichen selber weitestgehend nie als nette, missverstandene Personen mit Zuckerguss versehen. Ihre Vergangenheit und gewalttätige Ader, die sie nach Kilpatrick, dem letzten Schritt vorm „Erwachsenenknast“, gebracht hat, wird immerzu in Erinnerung gerufen. So sehr man gewisse Figuren zu mögen beginnt (etwa in Anbetracht ihres Erkennens einer anderen, besseren, hoffnungsvollen Alternative), bestimmte Augenblicke legen regelmäßig die Sicht aufs Gesamtbild frei, welches weniger schön daherkommt: Zum Beispiel gibt es einen fröhlichen, ständig grinsenden kleinen Kerl, der seine Erfüllung als Waterboy der Truppe findet – als sich die Trainer in einer Szene über ihn unterhalten, meint Sean nachdenklich „I wonder if he was smiling when he stabbed that old Lady for her Purse.“ Wichtige Aspekte der Gefängnissituation sowie der Wiedereingliederung in die Gesellschaft werden thematisiert. Einer bittet gar darum, im Camp bleiben zu dürfen, da er um sein Leben fürchtet, wenn er nach der Entlassung in seine alte Gegend mitsamt der zugehörigen Gang zurückkehren „muss“. Im Verlauf führen diverse Gewaltausbrüche den Ernst der Lage wiederholt anschaulich vor Augen. An den rohen Anfang im Ghetto, der unweigerlich an „Boyz in the Hood“, „Menace II Society“ oder „Dead Presidents“ erinnert, ist Joanou wie bei „State of Grace“ herangegangen – also hart und direkt, aber optisch stilvoll. Irgendwann verlieren sich die Spieler in der Euphorie der Siege – bis eine aus Hass abgefeuerte Kugel sie schmerzhaft in die Realität zurückreißt. Es geht in erster Linie nicht um Sieg oder Niederlage auf dem Feld, sondern um individuelle Lehren, die man in der abgeschiedenen Umgebung für sich selbst verinnerlichen und (vor allem) später im „richtigen Leben“ fortwährend befolgen sollte.

Die Besetzung ist in diesem Fall ein unbestreitbares Plus – und das obwohl man einen ehemaligen Wrestler dafür auserwählt hat, die zentrale Rolle zu übernehmen, welche normalerweise eher an gestandene Mimen wie Denzel, Samuel, Billy Bob oder Gene vergeben wird. Dwayne Johnson (“the Rundown“/“Walking Tall“), der allmählich den „the Rock“-Namenszusatz fallen lassen bzw nur für Flicks wie „Doom“ nutzen sollte, verkörpert Porter zwar keineswegs schauspielerisch eindrucksvoll, dafür allerdings dem Material entsprechend sowie mit einer unbestreitbaren physischen Präsenz, die gar noch von seinem unglaublichen Charisma überstrahlt wird. Man nimmt ihm den Coach/Vollzugsbeamten in jeder Sekunde zu einhundert Prozent ab – selbst in den ruhigen, emotionalen Augenblicken, zu denen Gespräche mit seiner kranken Mutter oder einzelnen Schützlingen gehören. Es gelingt ihm (bislang) nicht, die großen Gefühle mimisch nach außen zu kehren, doch an Dwayne/Sean als glaubwürdige Autoritätsfigur, der selbst diese Kids respektvoll zuhören, gibt es keinen Zweifel. Johnson war früher Lineman in Miami, bevor ihn eine Verletzung aus der Bahn warf, er daraufhin ins professionelle Wrestling-Business einstieg und so seine Popularität begründete. Im jugendlichen Alter wurde er mehrfach verhaftet. Optimale Voraussetzungen für den Part, oder? Es geht hier primär um seine Ausstrahlung – ins Geschehen auf dem Platz greift er nur einmal kurz im Rahmen eines Trainings ein. Er besitzt Fehler, genauso wie seine Schützlinge. Sein Ziel ist es, diese jungen Menschen zu retten, ohne Illusionen zu folgen, es also wenigstens zu versuchen – das ist sein Antrieb, um etwas gegen die Botschaft der Statistiken zu unternehmen. Sean ist vorsichtig, aber zielstrebig. Er öffnet sich denen, die ihm Vertrauen schenken, und setzt sich gegen Widersacher (Bürokraten, Unruhestifter etc) hartnäckig durch. Als er nach einem verlorenen Spiel erschrocken erkennen muss, wie er selbst auf dieses Ereignis reagiert, ändert das sein zukünftiges Verhalten einschneidend. Ihm zur Seite steht Xzibit (MTV´s“Pimp my Ride“/“xXx 2“), der gleichwohl sympathisch und streng rüberkommt – als Kollegen ergänzen sie sich perfekt. Neben guten Leistungen der weitestgehend unbekannten Jungdarsteller, deren Charaktere allesamt Graustufen aufweisen und glücklicherweise überwiegend mehrdimensional konzipiert wurden, lassen sich zudem die bekannten Gesichter von Leon Rippy („8 Legged Freaks“) und Kevin Dunn („Snake Eyes“) als Camp-Vorgesetzte entdecken, welche, unabhängig anfänglicher Skepsis, nach und nach erkennen müssen, dass die Idee tatsächlich funktioniert.

Es ist schade und zugleich annähernd eine Schande, dass sich das Drehbuch aus der Feder von Jeff Maguire, gelobt für „In the Line of Fire“, verrissen für „Timeline“, derart stark auf bekannte bzw ausgelutschte Klischees verlässt, die sich hier geradezu auftürmen und das Sehvergnügen erheblich trüben. Angefangen bei Willie, der gerade seinen Cousin bei einer Drive-by-Schießerei verloren hat, und zuhause miterleben muss, wie seine Mutter von ihrem derzeitigen Lebensgefährten geschlagen wird, worauf er den Mann (quasi in Notwehr) erschießt … über ein schweißtreibendes Training, bei dem der Coach der Mannschaft (im Hinblick auf einen unvollbrachten Spielzug) Wasser verweigert, bis sich einer protestierend hinsetzt, die anderen ihm folgen und der Trainer sie daraufhin für das Teambewusstsein lobt … die Anwesenheit eines, angesichts der vornehmlich multikulturellen Insassen, „Token white Guys“ mit einer gestörten Beziehung zu seiner allein erziehenden Mutter … rassistische Tendenzen des Spielmachers der großen sportlichen Rivalen … bis hin zu dem tragischen, langsamen Krebstod von Sean´s Mom … von dem allgemeinen Grundablauf (sich zusammenraufen, verlieren, gewinnen, zu einer Einheit werden, den Sinn hinter dem Programm verinnerlichen etc) ganz zu schweigen. Zentrale Dialogzeilen werden dazu genutzt, Botschaften zu übermitteln, weshalb sie mehr nach Reden klingen. Apropos: Es gibt eine ganze Reihe Ansprachen im Verlauf, jeweils zu unterschiedlichen Anlässen, also nicht bloß vor einem Spiel in der Umkleidekabine. Natürlich ist da das Auftreten von Pathos unweit, womit gewöhnlich ein unterstreichender Score einher geht: Trevor Rabin (“the One“/“Snakes on a Plane“/“Torque“) liefert diesen ab – besonders aufgebauscht, um den Ohren des Publikums die gewollten Gefühle möglichst nachhaltig zuzuführen – und ertränkt die betreffenden Bilder in Schlüsselsequenzen auf diese Weise förmlich. Wenigstens ist „Comic Relief“ vorhanden. Dass Phil Joanou es mag, Zeitlupe einzusetzen, weiß man ja aus seinen Vorgängerwerken – ohne der Verwendung dieses Stilmittels wäre der Film locker um ein Viertel kürzer, denn die Spiele strotzen nur so davon. Insgesamt sind sie weniger kraftvoll als, sagen wir mal, bei „Any given Sunday“ (in meinen Augen ohnehin der beste Sportfilm überhaupt), nichtsdestotrotz aber voller Energie, vornehmlich dank konstant in Bewegung gehaltener sowie sich nahe am Geschehen befindlicher Kameraarbeit. Das „Endgame“ dürfte vor allem Fans begeistern, denn es läuft (wie erwartet) recht lang, greift jedoch zu stark auf plumpe Feindbilder (z.B. noch offene Rechnungen) zurück, um das moralische Gewicht der Eindrücke zu erhöhen.

Knapp 120 Minuten Laufzeit kommen einem einen Tick zu lang vor – kleine Straffungen wären durchaus wünschenswert gewesen. Einige werden sicher argumentieren, dass man diverse antreibende bzw motivierende Ansprachen getrost hätte trimmen können, zumal diese sehr direkt und beinahe theatralisch wirken – wobei zu erwähnen ist, dass eine der (zweifellos vorhandenen) subtileren Sequenzen diese Abfolge gekonnt umgeht, nämlich als Sean in einer Halbzeit darauf verzichtet, vor den Spielern zu reden, und ihnen selbst die Analyse ihrer Handlungen überlässt. Der Abspann zeigt jedoch anschaulich auf, dass gerade diese Momente notwendig sind und darüber hinaus der Realität entsprechen: Während die Credits rollen, werden Ausschnitte aus der 93er Dokumentation eingeblendet, in denen man den echten Coach mit seinem Team in Aktion sieht. So wird (rückwirkend) schnell klar, dass Maguire viele Ereignisse und Zitate (teils Wort für Wort) übernommen hat, was diesem Hollywood-Produkt zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht und den formelhaften Eindruck geringfügig abmildert, denn manchmal entstammen Klischees tatsächlich der wahren Welt da draußen. Abschließende Informationen, was aus den echten Mitgliedern der ursprünglichen Mustangs geworden ist, sind im Übrigen genauso deprimierend wie die anfangs aufgeführten Statistiken. Gut zu wissen, dass es tatsächlich Menschen wie Sean Porter gibt, der das „Unmögliche angeht, da das Mögliche schlichtweg nicht funktioniert“. Den Kern der Sache, die Umgangs- und Familienverhältnisse der Kids, kann er nicht verändern, daher versucht er, im Rahmen seines Einflussbereiches einen Wandel herbeizuführen – Schritt für Schritt, Person für Person. Respekt!

Fazit: Nach dem Abwägen aller Pros und Contras, von denen sich jeweils diverse Vertreter anführen lassen, kann man „Gridiron Gang“ letzten Endes als ein klassisches, somit typisches Sport-Drama einstufen, bei dem sich Licht und Schatten, Stärken und Schwächen geradezu die Waage halten, weshalb es von mir glatte „5 von 10“ als abschließende Bewertung gibt.

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