Er kann es also noch! Das ist die wichtigste Erkenntnis nach „16 Blocks“. Während Regisseure wie Walter Hill („Southern Comfort“, „48 Hrs.“) oder John McTiernan („Die Hard“, „Predator“) als Anachronisten gehandelt werden und bei Großprojekten nicht mehr berücksichtigt werden, hat es einer der letzten der alten Garde, die den Actionfilm der so grandiosen Achtziger entscheidend mitprägten, noch mal gezeigt, dass er nicht „zu alt für den Scheiß“ ist.
„16 Blocks“ bringt wahrlich keinen frischen Wind in das Genre, hantiert auch nur mit bekannten Versatzstücken und kann auch nicht mehr so sehr als Realtime-Movie auftrumpfen, weil es diese Drehbuchkniff in letzter Zeit zu oft gab, ist aber nun einmal von Richard Donner („Lethal Weapon“, „Assassins“), den ich nach seinem Superflop „Timeline“ schon abgeschrieben hatte, frei vom CGI und bisweilen altmodisch umgesetzt worden und verfügt mit Bruce Willis („Die Hard“, „Hostage“) als Hauptdarsteller einen Schauspieler, der jetzt im Alter immer besser wird.
Cop-Figuren sind für ihn bekanntlich kein Neuland, aber so hat man ihn gewiss noch nicht gesehen. Sein Jack Mosley ist die genüssliche Demontage seines „Die Hard“ – Images, der den seit langem angekündigten vierten Teil im Grunde für überflüssig erklärt.
Denn Willis ist als ausgebrannter Gesetzeshüter enorm beeindruckend. Alkoholabhängig, übergewichtig, mit einer deutlichen Plauze, ewig transpirierend. schnauzbärtig und mit lichtem Haar humpelt mit er mit einer Fahne den Dienst an, hat eigentlich gar Lust mehr. Seine Vergangenheit frisst ihn auf. Er ist ein Wrack sondergleichen, das, von seinen Kollegen wenig geachtet, sich durch die Straßen New Yorks quält... – eine Paraderolle für Willis, dem die Merkmale des Alters mehr denn je entgegenkommen. Zerknittert, aufgedunsen, innerlich zerfressen und ohne Selbstwertgefühl gibt er sich hier bravourös am Ende.
Auch sein Vorgesetzter weiß um die Form seines Untergebenen, aber weil sonst niemand zu Hand ist, soll er eben ran. Mosley, wenig begeistert, muss den Häftling Eddie Bunker (Mos Def, „The Italian Job“, „The Hitchhiker's Guide to the Galaxy”) zu seinem Gerichtstermin überführen, damit er dort eine Aussage machen kann. Für die 16 Blocks hat er mehr als genug Zeit. Ein Routinejob also? Mitnichten. Als Mosley mitten im dichten Berufsverkehr kurz rechts ranfährt, um sich Alkoholnachschub zu besorgen, kann er Eddie mit einem beherzten Headshot das Leben retten. Denn urplötzlich hat es eine ganze Armada auf Eddie abgesehen – Mosleys Kollegen...
Die 16 Blocks dauernde, lineare Flucht und die damit verbundene Zeitknappheit sind die beiden grundlegenden Prämissen des aus der Feder von Richard Wenk („Just The Ticket“) stammenden Actionthrillers.
Richard Donner erweist sich bei der Umsetzung endlich mal wieder als Fachmann von alten Schrot und Korn, der einen keinesfalls außergewöhnlichen, aber reifen Actionthriller abliefert, der trotz seines PG-13-Ratings ein paar herbe Momente hat.
Die Flucht nach vorn und vor Frank Nugent, den der völlig unterschätze David Morse („The Crossing Guard“, „The Rock“) endlich mal wieder in einer größeren Rolle stark spielt, der zusammen mit seinen Kollegen Eddies Aussage, die nicht wenige innerhalb des Departments belasten könnte, verhindern will, geht flott von der Hand und bleibt in einem realistischen Actionrahmen, wobei vor allem die proppevollen Straßenzüge des wuseligen New Yorks für reichlich Unübersichtlichkeit sorgen, damit das Duo mehr als nur einmal knapp entkommen kann.
„16 Blocks“ ist aber nicht nur eine regelmäßige Abfolge von kurzen Shootouts zwischen Mosley und seinen Kollegen in Wohnungen oder Wäschereien oder knappen Hetzjagden durch Gassen und Treppenhäuser, sondern auch im Rahmen eines Actionthriller eine überraschend gelungene Charakterstudie.
Denn Jack Mosley, so verbraucht er auch ist, schlägt alle verführerischen Angebote, die man ihm unterbreitet aus. Seine Widersacher wollen nur den Zeugen, um jeden Preis, Mosley soll nur weggucken oder am besten weggehen. Doch der fängt sich ausgerechnet in diesem Moment.
Er will seit langem mal wieder etwas richtig machen und selbst wenn es seinen Tod bedeuten würde. Er beschützt Eddie mit seinem eigenen Leben und der hat mit ein paar bemerkenswerten Kommentaren dazu einiges zu sagen, auch wenn er leider phasenweise in eine allzu penetrante Quasselstrippen-Manie verfällt, die ich seit Eddie Murphy nicht mehr sehen kann. Mos Def gibt seiner Figur nicht allzu viel Tiefe und legt sie ein ums andere mal auch zu nervig und vorlaut an, vereint aber dennoch regelmäßig einige Sympathien auf sich, so dass Mosleys Entscheidung zumindest nachvollziehbar ist.
Ob klassisch oder einfach nur klischeehaft, muss jeder Zuschauer dabei für sich ausmachen, denn Fakt ist, dass „16 Blocks“ dem Genre eigentlich nichts Neues gibt und man bis zum absehbaren Ausgang eigentlich alles bereits aus ähnlich gestrickten Filmen kennt, was der Unterhaltung allerdings keinen Abbruch tut.
Denn Donner versteht es die Situation zuzuspitzen, indem er beispielsweise Paranoia und Misstrauen mit einfließen lässt, so dass Mosley bald niemandem mehr vertraut und in seiner Verzweiflung schließlich einen Linienbus mit Passagieren kidnappt, woraus dann auch die größte Actionszene des Films resultiert, als der Bus Amok fährt, Autos zerdeppert und schließlich mit zerschossenen Reifen zum Stehen kommt. Die sich daran anschließende Geiselsituation entbehrt nicht einer gewissen Ironie, war Willis doch erst in „Hostage“ letztes Jahr als Verhandlungsführer tätig.
Die zunehmende Konstruiertheit der Geschichte kostet „16 Blocks“ mit zunehmender Spielzeit leider ein wenig die Glaubwürdigkeit, weil sich alles wirklich bis zum Schluss so entwickelt, wie es sich entwickeln muss und Mosley Wandel zum rechtschaffenen Cop mit der Entscheidung Eddie heil zum Gericht zu bringen natürlich noch längst nicht abgeschlossen ist. Ein ziemlich überraschender Twist betreffend Mosley sorgt da nämlich noch für Aufgeregtheit zum Schluss.
Die Chemie zwischen Willis und Mos Def ist nicht kongenial, aber zweckmäßig, was vor allem in den Szenen zum Tragen kommt, wenn die Zielperson lernen muss ausgerechnet dem Mann zu vertrauen, dessen Kollegen ihn ins Visier genommen haben. Wenn später dann Eddie sich gegen die lockende Freiheit und für den sich aufopfernden Beschützer entscheidet, ist das einer der größten Momente des Films.
Doch „16 Blocks“ hat noch mehr zu bieten. Zu der gelungenen, hitzigen Atmosphäre des Großstadtdickichts trägt beispielsweise enorm New Yorks (beziehungsweise das als New York verkaufte Toronto) Lokalkolorit mit seinen Läden, Bewohnern, Wohnungen, Gasse und Märkten bei und natürlich Donners ruhige Hand. Sicher, die Steadycam ist auch bei ihm ab und an im Einsatz, aber sein souveränes Auge, das niemals in unübersichtlich-modernde Intermezzos verfällt, honoriere ich auch hier wieder - eine Wohltat in der modernen Kinolandschaft.
Selbst die Gags, gar nicht einmal plakativ außerhalb der Reihe und sich nur auf Publikumslacher ausrichtend, verschmelzen mit dem eigentlich grundernsten Actionthriller, wobei sie vornehmlich von Mos Def serviert werden.
Fazit:
Die Moral siegt! Die Message von „16 Blocks“ ist simpel wie effektiv. „The Gauntlet“, mit dem „16 Blocks“ freilich mehrmals vergleichen wurde, scheint bei einigen Ideen auch durch, insgesamt betrachtet gelang Richard Donner aber schon ein eigenständiger Film, der nur das Problem hat absolut nichts Neues zu zeigen. Die vorgestellten Themen waren so oder ähnlich alle schon mal da und vor allem die vor allem in den jüngeren Jahren rege Verwertung findenden korrupten Cops sind hier nur bekannte Standards, wobei man dem tollen David Morse da Unrecht tut.
Die eigentlich Stars sind jedoch Mos Def, der über die Funktion des plappernden, comedian Sidekicks dank ein paar guter Dialoge hinauskommt und Bruce Willis, der mit wahnsinnig viel Spielfreude erfolgreich wie emotionell gegen sein altes Image anspielt und trotzdem beidhändig ballernd immer noch unverwechselbar cool rüberkommt.
Den Rest erledigt Richard Donner. Obwohl „16 Blocks“ an den Kinokassen nicht zündete, so ist das für ihn ein wichtiger Schritt zurück in das Qualitätssegment, wo er auch hingehört. Er setzt den Puls der geschäftigen Metropole New York an diesem heißen Sommertag atmosphärisch um und legt mit viel Lokalkolorit auf eine authentische Stimmung. Die wenig effektive Zeitknappheit wird währenddessen als Bonus schon fast vergessen, wobei zusätzliche Rasanz den Unterhaltungswert eventuell noch einmal gesteigert hätte.
Wahrlich kein Genrefilm, den man überschwänglich abfeiern wird, doch die Fans werden daran sicherlich ihren Spaß haben. Zuviel Actionszenarien sollte man dabei jedoch nicht erwarten, sondern sich stattdessen auf die tollen Darsteller und die zweifellos gelungene Umsetzung freuen. „16 Blocks“ ist dabei aber auch irgendwo ständig ein Film der alten Schule, wie sie heute immer rarer werden. Leider...