Review

Schön, dass es noch so etwas Gutes gibt. Gerade mit den uninspirierten Reißbrettwaren „Firewall“ und „Chaos“ im Hinterkopf, die ich mir vorweg anschaute, hinterlässt „Inside Man“ einen erfrischend leidenschaftlichen Eindruck, der einzig und allein aufgrund seiner enttäuschenden Konstruktion das vorhandene Potential nicht gänzlich ausschöpft.
Regisseur Spike Lee („Malcolm X“, „He Got Game“) lässt sich nach etlichen Jahren nun doch einmal von Hollywood einvernehmen. Er durfte mit einem größeren Budget hantieren, sich mit einer Riege von Top-Stars schmücken und dazu noch auf ein R-Rating spekulieren. Das ist schön. Entweder legt einer von seinem Schlag mit solchen neuen Voraussetzungen die Bauchlandung seiner Karriere hin oder beweist Klasse und serviert einen Topfilm. „Inside Man“ liegt letzten Endes dazwischen. Lee hat das Optimum extrahiert. Mehr war aus der Vorlage nicht zu holen. Damit bewegt er sich noch lässig im oberen Bereich.

Denn so clever sich das Drehbuch auch wähnt, Drehbuchautor Russell Gewirtz strukturiert es leider denkbar falsch. Die Twists werden nebenbei ausgespuckt, die Überraschung, auf die man bis zum Schluss als Zuschauer vergebens wartet, glänzt mit Abwesenheit und das Knallbonbon platzt nicht. Irgendwas fehlt dem Streifen und das sind weder ein guter Regisseur noch etwa tolle Darsteller, sondern ein Skript, das mit dieser Prämisse intelligenter umgeht, die Erwartungshaltung steigert, mit unorthodoxen Wendungen glänzt und die Auflösung mit dem Vorschlaghammer vor den Knopf knallt. „Inside Man“ fehlt schlicht der Wow-Effekt. Dies ist der größte Vorwurf, den man dem Thriller machen kann, wenn man von ballastartigen Ergänzungen (Frazier und seine Aversion gegen die Ehe etc.) zwecks Charakterzeichnung absieht.

Denn ansonsten berstet der Film nur so vor Kompetenz und Qualität. Spike Lee schöpft aus dem Vollen, bricht zwar nicht mit den Sehgewohnheiten, angelt mit der Kamera aber fröhlich in ungewöhnlichen bis abwechslungsreichen Perspektiven und drückt mit satten Farben und den harten Kontrasten der Optik seinen Stempel auf, die einfach anders aussieht. Mal lässt er narrativ die Chronologie außer Acht, dann spielt er im Schnellverfahren mögliche Optionen durch, aber verwirrt den Zuschauer damit nie. Unkonventionell aber nicht gleich völlig anders.
Den Rest erledigt der beeindruckende Cast mit Freude bei der Sache. Vor allem sein Kumpel Denzel Washington („Crimson Tide“, „Man on Fire“) findet sich wieder ganz in seinem Element, auch wenn dies keine One-Man-Show ist und er deshalb nicht ganz so viele Freiheiten wie gewohnt erhält.

Dalton Russell (obwohl kaum zu sehen sehr charismatisch: Clive Owen, „Sin City”, „Derailed”) überfällt also eine Bank. Warum? Weil er das kann! Das erklärt uns auch gleich so. Faszinierend irgendwie. Schade, dass er ein totales Mysterium mit besonnenem Gemüt bleibt. Denn mehr erfährt der Zuschauer zunächst nicht, aber seine Vorgehensweise bewegt sich schon nah an der Perfektion. Detailliert kalkuliert in der Durchführung, ohne Chance für die Polizei und ohne den Geiseln zu schaden. Man spaziert verkleidet als vermummte Maler in die Bank, riegelt ab, überrascht die Wächter und schaltet die Überwachungskameras via Infrarot-Licht aus. Alles generalstabsmäßig durchgeplant und mit exaktem Timing versehen. Die Belegschaft und die Kunden werden in den Keller gescheucht, bekommen dort die selben Anzüge und Masken der Bankräuber verpasst und müssen sich in den Büros verkriechen. Wer nicht spurt, bekommt etwas zu spüren.

Währenddessen rückt draußen schon SWAT unter der Führung von Captain John Darius (leider etwas verschenkt: Willem Dafoe, „Platoon“, „xXx: State of the Union“) in Stellung und warten auf den Einsatzleiter. Detective Keith Frazier (Washington) bekommt den Job, obwohl er wegen einer möglichen Unterschlagung hinter den Schreibtisch verbannt wurde, und peilt zusammen mit seinem Partner Detective Bill Mitchell (Chiwetel Ejiofor, „Four Brothers“, „Children of Men“) vor Ort die Lage, tritt Darius ein wenig auf die Füße und klärt die Hierarchie.

Was sich von da an anbahnt, kann man nur als erstklassiges Schauspielerkino bezeichnen, dem lediglich das Überraschungsmoment fehlt. Dies ist auch der Grund, warum diese Geiselnahme beispielsweise nie die Intensität eines „The Negotiator“ atmet.
Frazier wiegelt ab, lässt Russell zappeln und wartet auf eine Reaktion. Sein Gegenüber weiß, dass er Herr der Lage ist, zieht konsequent wie ruhig sein Ding durch und wartet seinerseits auf die Kontaktaufnahme. Kurze Telefongespräche unterbrechen die Funkstille. Wie er ungesehen entkommen will, erahnt der Zuschauer leider früh und dort outet sich das Drehbuch bereits zum ersten Mal als zu vorhersehbar.
Dennoch macht das Duell Spaß, weil Fraziers Anflüge von trockenem Humor die Szenerie auflockern. Ein paar Geiseln dürfen zurück in die Freiheit. Danach gibt es Pizza für die in der Bank verbliebenen Menschen. Abhörtricks funktionieren nicht. Der Cop und der Bankräuber sind beide ausgemachte Profis, aber weil Russell alle eventuellen Strategien vorausahnt und bloßstellt, bleiben Frazier nicht mehr viele Möglichkeiten.

Der Schlüssel zur eigentlichen Geschichte soll dann ein weiterer Subplot sein, indem der herrlich überheblich gespielte Edeljoker Jodie Foster ausgespielt wird, um etwas Wichtiges aus der Bank zu holen. Sie lässt dafür alle ihre erpresserischen Beziehungen spielen, um vor Frazier freie Hand zu haben. Ihm selbst bietet sie einen Kuhhandel an und die ersehnte Beförderung in Aussicht, damit er sie in Ruhe lässt.
Dass wenig später dann schon das eigentliche Motiv Russells hinausposaunt wird, kostet „Inside Man“ nur leider einen Großteil seiner Spannung, weil das Warum gestrichen wird und nur noch das Wie (die Flucht) übrig bleibt. Zumindest die erfahrenen Zuschauer durchschauen das Treiben in der Bank aber schon soweit, um sich diese letzte Frage selbst zu beantworten.

Ironische, stichelnde Anspielungen auf den 11. September, „Killerspiele“ und Verunglimpfungen von empörten, potentiellen Terroristen erneuern, obwohl sie kritisch verstanden sein wollen, regelmäßig die nötige Lockerheit, die dem Film aber ohnehin dank einiger flapsiger Dialoge nie abgeht. Der großartige Cast, zu dem später auch Christopher Plummer stößt, hat nämlich soweit alles im Griff und so kann man sich als Zuschauer bequem zurücklehnen und genießen. Leider ohne von überraschenden Wendungen durchgerüttelt zu werden, die dem Szenario fehlen. Einen netten Trick lagert Lee zwar noch, aber der ändert auch nichts daran, dass „Inside Man“ sehr kompetent inszeniertes und gespieltes Kino ist, dem die Klasse zur Großartigkeit durch sein ungeschicktes Drehbuch verwehrt wird.

Immerhin kann Frazier am Ende allen noch eine lange Nase zeigen. Tatsächlich tauchen die Bankräuber unter und lassen keinen Cent mitgehen. In dem Wissen, dass es um wesentlich mehr ging, klopft er am Ende mit einem einzigen Hinweis nochmal an die richtigen Türen. Der Fall wurde zu schnell zu den Akten gelegt, seine Beförderung hat er auch umgehend in der Tasche und das verschwundene Geld, das ihn belastete, ist auch wieder aufgetaucht. Warum also nicht noch einmal auf die Kacke hauen? Das gefällt am Ende auch dem Zuschauer, wenn Denzel Washington quasi als wandelnder Epilog noch ein paar Minuten erhält. Schließlich ist jede Minute mit ihm auf der Leinwand ein Genuss.


Fazit:
Spike Lee bürstet „Inside Man“ sorgfältig unkonventionell, zwar nicht gegen den Strich aber optisch versiert und ganz eigentümlich mit indischen (!) Tracks. Die Gelegenheit einen Film genießen zu können, der in Punkto Inszenierung und Schauspiel ungewöhnlich hochwertig ausfällt, machen bei mir ein paar Extrapunkte aus. Konventionalität von der Stange und einsilbiges Herunterrattern von erklären Standards kennt man schließlich zu Genüge.
Schade, dass Autor Russell Gewirtz sich diese Worte nicht auch hinter die Löffel schrieb, als er dieses von der Idee her vielversprechende Konzept so denkbar ungeschickt schrieb. So ziemlich jeder Twist verpufft deswegen schon bei seiner bloßen Ankündigung, überflüssiges Charakterdevelopment verschleppt ein wenig das Tempo und eine Pointe existiert nicht einmal.
Ansonsten beherrscht allerdings die totale Kompetenz die Szenerie. Spike Lee beweist, dass er auch Blockbuster drehen kann und der erlesene Cast bestätigt nur mal wieder seine Klasse. Da kann man sich hinterher echt die Finger ablecken.

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