Generell ist es schon aller Ehren wert, dass nach zwei halbwegs erfolgreichen Realverfilmungen und einem seit Jahren nicht mehr so recht fruchtenden Zeichenanimationszweig plötzlich eine neue “Asterix”-Verfilmung in Zeichentrickform ansteht, und zwar die erste seit zwölf Jahren Kinoabstinenz. Bewaffnet mit jahrelanger Comicheft- und Kinofilm-Kulturausbildung konnte man da, so ging es jedenfalls mir, durchaus mit frohen Erwartungen an die Sache gehen, zumal ausgerechnet eines der besten Comics zur Storyvorlage auserkoren wurde: “Asterix und die Normannen” von 1966 - aus den glorreichen Zeiten, als Uderzos Zeichnungen noch von Goscinnys Geschichten geführt wurden.
Jene Vorlage glänzte mit einer Geschichte voller Missverständnisse, einem toll niedergeschriebenen Antagonisten und hervorragender parodierender Aufbereitung von Kulturklischees. Die besten Voraussetzungen waren es für den Film, sich möglichst nah an die Vorlage zu halten und einfach so detailgetreu wie möglich die absurden Situationen des Comics zu kopieren - mehr wird derzeit von niemandem verlangt, denn auf den Schultern der Macher ist kaum Ballast geladen. Die Erwartungsträger des Genres sind eindeutig andere - so könnte “Asterix und die Wikinger” nur versuchen, sich durch die Geheimtipp-Luke zu schlängeln, als kleiner Überraschungshit die Kinosäle wieder zu verlassen. Doch ich sehe dazu leider kein Potenzial - der neue Asterix ist trotz aller guten Voraussetzungen auch nicht viel besser geworden als die schon arg schwächelnden beiden direkten Vorgänger.
Die Entscheidung, es bei einer Vorlage zu belassen und nicht etwa wie üblich zwei Hefte zu einer Filmhandlung zu verschmelzen, erscheint zunächst wie der Schritt in die richtige Richtung. Allerdings hat das die Drehbuchautoren - neben Jean-Luc Goossens auch Regisseur Stefan Fjeldmark - wohl dazu veranlasst, den in sich kompakten Plot noch mit unnötigen Ausschweifungen zu schmücken. So müssen wir uns mit einer zickigen Normannentochter plagen, die einen Klischees provozierenden Querschnitt sämtlicher berühmter Rotzgören darstellt, die jemals in Film und Fernsehen zu sehen waren - von Pippi Langstrumpf über die rote Zora, ja hin bis zum Wikingerbengel Wickie. Abba heißt die Gute, ist die Tochter vom Normannenboss, trägt rotes Haar, hat eine Zahnlücke und unbändiges Temperament. Worauf das in Kombination mit dem Bürschlein aus der Stadt hinausläuft, ist klar - eine Jugendromanze, die sich gegen die Fesseln der Familientradition aufbäumt (Stichwort: Zwangsheirat).
So sehr die Bemühung zu spüren ist, der Vorlage gerecht zu werden, drückt dieser Handlungsstrang, der in der zweiten Hälfte das Ruder übernimmt, alles runter - denn mit dem ausschlaggebenden Sprichwort “Angst verleiht Flügel” hat das nur noch rudimentär zu tun. Es ist im eigentlichen Sinne für die Grundidee der Geschichte nicht wichtig, und das merkt man.
Doch dessen ungeachtet bleibt auch die eigentliche Konstellation starke Gallier - verweichlichter Stadtjunge - Furcht lernen wollende Wikinger erschreckend schwach. Vor allem Angsthase Grautvornix ist unheimlich profillos gezeichnet, das Switchen zwischen dem überheblichem Trendsetter und dem feigen Würstchen kommt nur gedämpft zur Geltung.
Dabei spielt sicherlich auch die Tatsache eine Rolle, dass der Film durchweg darin bemüht ist, möglichst “hip” zu sein und “up to date” zu wirken - nicht umsonst kommen derartige Anglizismen immer wieder in den Dialogen vor. Das Problem daran ist, dass diese Versuche wirken, als seien sie dem aktuellen Trend immer einen Schritt hinterher. Kindern mag die bunte Dancefloorparade Spaß machen, aber wehe dem, der seit längst vergangenen Tagen mit Asterix aufgewachsen ist - ihm wird ein müdes Lächeln der Häme entweichen.
Sonstige Modernisierungen und Anspielungen auf die technisierte Gesellschaft wie die Kommunikationstaube SMSix sind hingegen durchaus verzeihlich, weil derartige Parallelismen seit jeher zur Asterix-Reihe gehören und irgendwo ja auch einen netten Kontrast zu dem historischen Ambiente des Comics ergeben. Hier zeigt die Franchise auch ihre prinzipielle Eignung für Modernisierungen, denn vieles in dieser Richtung funktioniert durchaus.
Insgesamt fehlen aber schlichtweg die Ecken und Kanten - keine der Figuren oder Figurengruppen kommt so unmissverständlich rüber, wie es eigentlich sein sollte, alles wirkt irgendwie weichgezeichnet. Das beginnt bei den Wikingern, denen es insgesamt - den ganzen Verheiratungsplot mal außen vor gelassen - einfach an Bösartigkeit mangelt. Ein Lichtblick vor allem in Sachen Animationsdesign ist der bullige Dummkopf mit den eingefallenen Augen - er parodiert allein durch sein Äußeres schon die reine Barbarei der Normannen und ihr fehlendes Verständnis für Angst. Seine Szenen sind deshalb auch mit die besten im Film, auch weil er die meisten von den wenigen treffsicheren Onelinern für sich gepachtet hat. Der Rest der Bande ist hingegen beliebiges Allerlei. Die Tatsache, dass der Häuptling eine Tochter hat und in Familienprobleme reingezogen wird, verstärkt das noch, und irgendwelche Partys machen die Wikinger auch nicht gerade furchterregender. Etwas mehr Bösartigkeit wäre Sechsjährigen (Freigabe bei uns FSK6) schon zuzumuten gewesen, gerade dann, wenn das Böse ironisch gebrochen wird.
Sehr traurig ist es auch, dass wir von unserem heißgeliebten Gallierdorf kaum etwas zu Gesicht bekommen. Abgesehen vom Opener und dem traditionellen Abschlussfest ist da nicht viel, weil es Asterix und Obelix recht schnell in die Eisgebirge der Wikinger verschlägt. Nach dem ebenfalls etwas Gallier-armen “Asterix in Amerika” hätte man sich wieder mehr gallische Power gewünscht. Dieser Wunsch wird uns leider nicht erfüllt, obwohl die Comicvorlage ja durchaus komplett im Dorf, an der Küste vor dem Dorf oder im Römerlager spielt.
Charmant wird’s tatsächlich auch immer dann, wenn alte Bräuche und alte Bekannte zum Vorschein kommen. Die Prügelei im Dorf macht immer noch Laune, genauso wie das Verdreschen der Römer, das Wildschweinfangen oder das Versenken des Piratenschiffs. Gerne hätte man hiervon noch mehr gesehen und dafür sicher auch etwas vom Plot geopfert, der sowieso über die Comic-Story hinaus nur mit belanglosem Füllmaterial abgedichtet wurde.
Die Synchronarbeit im Deutschen geht insgesamt sicherlich in Ordnung. Christian Tramitz macht seine Sache als Asterix recht unauffällig, ohne dabei zu glänzen; Tilo Schmitz (u.a. Ving Rhames) wirkt anfangs in der Rolle von Asterix’ großem, dicken (da fällt mir ein: Es gibt im kompletten Film keinen “DICK? ICH BIN NICHT DICK!!!”-Witz...schade!) Kumpel sehr gewöhnungsbedürftig. Allerdings gewöhnt man sich mit zunehmender Laufzeit daran, ohne zu vergessen, dass die meisten früheren Synchronstimmen Obelix’ die Figur besser trafen. Einen sehr guten Job macht Smudo, der als Grautvornix speziell diejenigen Szenen mit Leben füllt, in denen seine Figur wie ein Huhn mit abgehacktem Kopf umherrennt und aus tiefster Seele schreit.
Die Animationen wirken insgesamt sehr ordentlich, vor allem die Computerelemente schmiegen sich sehr fein in die recht weich gezeichnete Handanimation. Die Konturen der Figuren verlaufen in einem recht dicken mittelbraunen Strich; herausragen können hin und wieder Licht- und Schatteneffekte (zB. Unterhaltung zwischen Asterix und Obelix unter der schattenspendenden Hütte, wo das Licht nur auf die dicken Nasen und die gestikulierenden Arme fällt). Das Charakterdesign bleibt aber insgesamt zu grobschlächtig für wirklich detailverliebte Animationen, wie man sie aus den besten Zeiten Disneys kennt.
Fazit: Trotz sehr guter Buchvorlage und vielversprechender Ausgangslage leider wie schon “Asterix in Amerika” und “Operation Hinkelstein” selbst für Asterix-Schätzer nur ein mittelprächtiges Filmvergnügen. Der Biss der Vorlage geht dem Werk in jedem Moment ab und jedes von den Drehbuchautoren neu hinzugefügte Puzzleteil ist zu viel. Wenn mal etwas funktioniert, dann ist das durchweg dem ursprünglichen Comic oder der Tradition der Figuren zu verdanken. Inszenatorisch eher mau, schleppt sich das Geschehen bis zu seiner familienfreundlichen Auflösung dahin, ohne mal eine eigene Handschrift anzunehmen. Auf erwachsenenfreundliche Zweispurigkeit sollte man nicht spekulieren - für derartiges bleiben sämtliche Szenen zu eindeutig kindgerecht. Da hätte man mehr erwartet.