Travestiekünstler können sich schon seit Jahrzehnten größter Beliebtheit frönen. Schon in den frühen Filmjahren war es nichts ungewöhnliches, dass Männer in Frauenrollen schlüpften und bis heute gibt es Namen, die man sofort mit der Liebe zur vorübergehenden Geschlechtsumwandlung in Verbindung bringt. Marry und Lilo Wanders dürften hierzulande da noch die bekanntesten Transvestiten sein, aber auch Ades Zabel ist, hauptsächlich im Berliner Kreis, immer gerne gesehen. Vor allem seine Figur der Türkin Hürriyet Lachmann ist da sein Steckenpferd. Nun allerdings soll sich Zabel sogar mal für ganze 105 Minuten Filmlänge in Frauenkostüme zwängen und neben Hürriyet ist es dieses mal vor allem die Figur des Miss Marple-Verschnitts Karin Kühne, die sein Spiel beherrscht. Als Parodie angelegt, ist "18.15 Uhr ab Ostkreuz" wohl eine der trashigsten, schrillsten und dabei dennoch merklich unterhaltsamsten Marple-Verarschereien, die das Kino je gesehen hat.
Wie es sich für eine Krimiparodie gehört, gibt es natürlich auch hier eine Geschichte, die zwar spürbar nah an die Originalgeschichte angelegt wurde, dabei aber logischerweise hauptsächlich vom Nonsens regiert wird. Es geht also um Karin Kühne, die eigentlich nur zu einem Kaffeekränzchen wollte, als sie in einem Zug einen grausamen Mord beobachtet. Da die Polizei offensichtlich kaum Interesse hat den Fall aufzuklären (und durch den amerikansichen Austauschbullen kaum ein deutsches Wort versteht), macht sich die selbsternannte Detektivin nun selbst an die Aufklärung des Mordes. Dabei stößt sie auf ein Friseurgeschäft, in dem das Opfer gearbeitet haben soll. Nun heißt es also Spuren sichern und alle Angestellten des Salons sind verdächtig. Doch der Mord im Zug soll nicht der Einzige bleiben und eine vergiftete Perücke spielt auch noch eine große Rolle... Ja, beim genaueren Betrachten der Story kommt man einfach nicht umhin, sowohl die liebevolle Karikatur auf Margaret Rutherford-Filme zu erblicken, als auch die Tatsache, dass man sich hier wirklich allerlei schräges Zeug hat einfallen lassen, um den Zuschauer zu unterhalten. Logik, Sinn und Verstand sind dabei natürlich nicht auszumachen, es regiert der trashige Blödsinn.
Und dieser begründet sich schon, wenn man nur einmal einen Blick auf die illustere Riege von Figuren macht, die sich allesamt in Schrägheit zu überbieten drohen. Da hätten wir unsere Schnüffelnase Karin Kühne, welche vor allem mit allerhand schrägen Aktionen auf sich aufmerksam macht. Dann den schwulen Saloninhaber nebst glatzköpfigem Liebhaber, der seinem Freund und seiner sexuellen Neigung aber nicht wirklich treu ist. Dann die türkische Angestellte Hürriyet, Gisela Drache, eine alternde Dominajungfer als Angestellte auf Lebenszeit, eine Haarspraysüchtige Friseuse, versnobte Kunden, sowie die mysteriöse Freundin von Karin, die der Guten zwar stehts und ständig zur Seite steht, dabei aber auch nicht wirklich etwas Hilfreiches zu Stande bringt. Schräg, abgefahren, und zu jedem Zeitpunkt auf absolute Überzogenheit getrimmt, dass macht das Ensemble von 18.15 aus. Und als wäre das noch nicht genug, geben einem die Figurennamen wie Tausendschön, Brüller, Brathuhn(!!!) oder auch Glücklos dann den Rest.
Aber auch die absolute Schrillheit der Handlung lässt einem nicht kalt, sofern man etwas mit recht abwegigen Blödsinn anfangen kann. Die Krimihandlung selbst strotzt z. Bsp. nur so von Wegen zur Lösung, auf die man als Zuschauer, aufgrund der Abwegigkeit, nie selbst gekommen wäre und die Aufklärung des Falls entzieht sich jeder Nachvollziehbarkeit. Es wird gemordet, geschrieen und mit Abstrusitäten nur so um sich geworfen, dass man als Freund von abwegiger, ungemein schräger Filmkost, eigentlich nur so seine Freude hat. Es ist kaum in Worte zu fassen, was es hier so alles zu sehen gibt.
Dagegen wirkt die Inszenierung teilweise sogar recht professionell. Vor allem wenn man bedenkt, dass der ganze billige Spaß, übrigens von einer Firma die Heinz und Horst Filmproduktion heißt, eigentlich nur mit einer 18 mm-Filmkamera gedreht wurde, wirken die Bilder schon erstaunlich hochwertig. Die Kulissen und die Musik sind liebevoll an die guten Agatha Christe-Zeiten angelehnt worden und auch die Kostüme wirken durchaus glaubwürdig, genauso wie die Maske, durch die Ades Zabel täglich sicherlich einige Stunden lang gehen musste. Etwas abwegig wirken da nur die schrillen Frisuren und Perücken, welche von steifer Plastikfrisur, bis zum Frisurmeisterwerk par excellence, so ziemlich alle Facetten bedient, die man auf dem Kopf haben kann. Und die abgetrennten Gliedmaßen am Anfang des Films sind deutlich als Plastikattrappen zu erkennen, was dem ganzen aber schon wieder einen spürbar deutlichen, wenn auch wieder ungemein trashigen, Parodiecharme verleiht.
Am allermeisten Spaß dürften aber immer noch die Darsteller machen, die von Overacting bis "Underacting" so ziemlich alles zu bieten haben und Dialoge aufsagen, die man mitunter nicht für möglich halten würde. Ades Zabel macht dabei sicher noch die beste Figur, schließlich ist er ja auch schon viele Jahre darin geübt, in Frauenkleidern über die Bühnen von Berlin zu stolpern. Seine Performance der beiden gegensätzlichen Damen Karin Kühne und Hürriyet Lachmann ist jedenfalls wunderbar. Aber auch über all die Anderen kann man sich herrlich amüsieren.
Fazit: "18.15 Uhr ab Ostkreuz" ist wieder einmal der Beweis, dass man auch aus äußerst bescheidenen Mitteln unterhaltsame "Filmkunst" machen kann, sofern der Film nicht mehr sein möchte, als er unterm Strich ist. 18.15 ist jedenfalls eine äußerst trashige, von großen Fans der Miss Marple-Filme aber liebevoll detailliert in Szene gesetzte, MM-Parodie, die vor allem durch seinen grandiosen Hauptdarsteller, sowie einem schräg-schrillem Einfall nach dem Anderen, nie langweilig wird. Freunde des gepflegten Krimiblödsinns, mit einem schweren Hang zu schrägem, und sicher irgendwo auch homosexuell angehauchtem, Trash, sollten sich dieses recht schwer erhältliche Werk jedenfalls nicht entgehen lassen.
Wertung: 6,5/10 Punkte (inkl. Trashbonus)