Wholetrain (2006)

Ich war nie ein Writer bzw. Gebäudeverunreiniger oder neudeutsch: linksradikaler Graffiti-Gangster. Doch als Teenie frönte ich in meiner Selbstfindungsphase u. a. deutschem Hip Hop und Piece / Gras, weshalb „Wholetrain“ bei mir vor allem als nostalgischer Flashback funktioniert. Mit Ordnungshütern hatte ich bisher nie Streß, kann mich aber gut in die Lage von Anführer David hineinversetzten, der als Vorbestrafter den Kopf für die Machenschaften seiner Crew hinhält. Ärger gibt es nicht nur mit Cops, sondern auch mit einer rivalisierenden Sprayergang, die mehr drauf hat als unsere Oldschool-Bande.

Was dieser Dokumentation zugutekommt, sind die authentischen Darsteller, die typische Straftaten wie Diebstahl (Farbdosen im Baumarkt) und Sachbeschädigung weniger als Glorifizierung und mehr als Notwendigkeit zum Ausdruck des künstlerischen Standpunkts betrachten. Dabei treffen unterschiedliche soziale Schichten aufeinander (Söhne aus dem Prekariat, Mittelstand, Bürgertum) und fechten einschlägige Konflikte aus wie Autorität vs. Unabhängigkeit usw. Im Hintergrund pumpen die Raps, als wollten sie eine Revolution anzetteln, zu der die Protagonisten noch nicht bereit sind.

Die Lage spitzt sich zu, als David den Frischling Achim unter seine Fittiche nimmt. Dessen Atzen Tino und Elyas stehen dem Neuzugang kritisch bis abweisend gegenüber und sollen damit Recht behalten. Tino ist ein typischer Whigger (Kenner wissen was ich meine, ALTA), und Elyas mimt den Türken von nebenan, der im Gegensatz zu einigen seiner hiesigen Landsmänner deutlich weniger rumprollt und dadurch neben David als Charakter am ehesten zugänglich ist. Den gegnerischen Chef fand ich auch cool, optisch eine Mischung aus Samy Deluxe und hochgewachsenem Fitneßstudio-Monster.

Zwischendurch wird gekifft, gemalt, gesoffen, Musik gehört und mehrmals die Polente verarscht. Gegen Ende nimmt das Ganze eine tragische Wendung, die aber durch den Szene-Zusammenhalt in etwas Positives umgewandelt wird. Das checkt nicht nur der Verschwörungsfreak als er zum Schluss einen Wholetrain (von vorn bis hinten bemalte S-Bahn) bestaunen darf. Cooles Resultat, was aber nur Eingeweihte (Hopper, Druffies, Sprayer etc.) ansprechen dürfte. Ich hab das Alles hinter mir gelassen, aber derartige visuelle Erinnerungen lassen mich trotzdem gutgelaunt zurück – 8/10.