Review

Es interessiert nicht wirklich jeden, am wenigsten wohl den Atheisten, ob der Heiland ganz gewöhnlichen menschlichen Blutes mit Maria Magdalena, den kontroversen Thesen nach angeblich seiner Ehefrau, Kinder zeugte, ob bis heute die Nachfahren Christi auf Erden weilen und ob da herrsche ein unsichtbarer Kampf zwischen den Geheimbünden Opus Dei und Prieuré de Sion. Das interessiert nicht wirklich jeden, aber fast jeden zieht es ins Lichtspielhaus. Kein Wunder, eine Verschwörung wurde gewittert - obwohl, bei aller medialen Allgegenwärtigkeit fanden wir nicht sie, sondern sie eigentlich uns. Wir haben wohl ein Faible für Verschwörungstheorien, und umso unglaublicher sie sind, umso größer ist ihre Anziehungskraft. Der Berichterstattung zufolge sehen wir mit "The Da Vinci Code" nun einen Film, der fest an klerikalen Fundamenten rüttelt. Freilich muss es so etwas wie der cineastische Antichrist sein.

Leider ist die Verfilmung von Dan Browns Megaseller "Sakrileg" dies nicht. Bedauernswert ist das in der Hinsicht, dass uns ein wirklich aufbegehrender Film vorenthalten bleibt und stattdessen einer die Kinos heimsucht, der sich am Ende gar noch selbst entschärft, indem er die Wunder Jesu nicht einmal zu leugnen versucht. Das wirkt in etwa so zahnlos wie die Prieuré de Sion, der sagenumwobene Orden zum Schutze der Blutlinie Christi, bei dem man Mühe hat, ihn hier nicht mit einer braven Touristengruppe auf Kaffeefahrt zu verwechseln. Irgendwie erinnert dieser Film an die müden Point-and-Click-Spiele mit ihren starren Hintergründen, in denen es irgendwo einen Gegenstand aufzuspüren gilt, um sich von Schauplatz zu Schauplatz durch irgendeine Geschichte zu klicken, nur mit dem Unterschied, dass uns jemand selbst das Klicken noch abnimmt. Dieser Jemand ist Robert Langdon. Mystische Puzzleteile setzt er nach kurzen Augenblicken der Eingebung zusammen, spuckt Anagrammlösungen aus wie ein Supercomputer und erschließt als Überdetektiv die Geheimnisse der Welt, während Sophie Neveu zumeist verblüffend dreinschaut, okay, ab und an dann auch einmal ein Rätsel lösen darf. Im Mittelteil doziert gleichwohl noch Sir Leigh Teabing wie im Rausch vor interaktiver Tafel und schließt als Aiman Abdallah mit Pferdefuß unsere Wissenslücken im Crashkursverfahren.

Zwischen Louvre, Letztem Abendmahl und Temple Church komplettieren Opus-Dei-Killer Silas und Captain Fache von der französischen Polizei die an uns vorbei laufende Schnitzeljagd; und obgleich sie schnitzelt und schnitzelt, langweilt sie beinahe zu Tode. Regisseur Howard ist das unbegreifliche Kunststück gelungen, einen eilenden Film auf zweieinhalb Stunden zu strecken und dabei das Medium zu zerreden. Zweieinhalb Stunden, in denen jedoch nicht einmal Zeit bleibt, die menschliche Dechiffriermaschine Langdon zu dechiffrieren, eine Hauptfigur, deren Vergangenheit, deren Persönlichkeit auf ein traumatisches Kindheitserlebnis reduziert wird: Langdon fiel in einen Brunnen. Batman auch.

Was "The Da Vinci Code" so bemitleidenswert erscheinen lässt, das alles manifestiert sich in der Figur des Harvardprofessors. Ihm fehlt der Geist, ihm fehlt die Seele. Selten war Tom Hanks austauschbarer. Manchmal erinnert das Treiben fast schon an einen Werbetrailer, in dem Hanks und Co. sich auf Sightseeingtour begeben, europäische Kultur abgrüßen und zur Freude der Tourismusverantwortlichen ihre Brandzeichen hinterlassen: "Forrest Gump was here", will sich nur nicht die Westminster Abbey rühmen. Hanks zieht indes alles spielend aus dem Ärmel: Flucht, Verfolgung, das Haar sitzt. Hier ist die Welt gestriegelt, unterkühlt, künstlich. Natürlich kommt da alles zusammen, was zusammenkommen kann. Etwa Hans Zimmers Recyclingscore, zusammengeflickt aus uraltem Material, der schon seit Jahren jedwede Originalität vermissen lässt. Oder die Rückblenden hin zum Konzil von Nicäa und dem Massaker an Tempelrittern, die grobkörnig ein Live-Erlebnis vermitteln wollen, aber doch nur BBC-Infotainment ähneln.

"The Da Vinci Code" ist ein überlanges Fast-Food-Produkt, wird verschlungen und wieder ausgeschieden. Natürlich ließe sich die Frage in den Raum stellen, wie es hätte besser gemacht werden können, wie Jesus, Heiliger Gral und Da Vinci, Anagramme und Geheimorden sonst unter einen Hut zu bringen gewesen wären? Vielleicht war es anders nicht zu leisten, vielleicht aber war diese Verfilmung auch überhaupt nicht notwendig. Denn der Elefant ist nicht diese filmische Mücke, sondern ihre Verschwörungstheorie. Seit Menschengedenken kriechen Zweifler, Skeptiker und Phantasten in die Hinterhöfe des Okkulten. Die Verschwörungsparanoia, eine schöne Leidenschaft. Ein Leben ohne sie, wie langweilig wäre denn das? Die Mondlandung wäre Fakt und in der Area 51 würden wir auch keine Ufowracks und ihre außerirdischen Leichname vermuten. Und wie fürchterlich wäre es doch zuletzt, wenn wir die Existenz von Bielefeld nicht anzweifeln könnten?

Details
Ähnliche Filme