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Da ist er also - der erste vollständig im geldgierigen Kopf von Sony-Studio-Präsidenten entstandene programmierte Blockbuster 2006!
Man nehme eine weltweit supererfolgreiche Buchvorlage, für die das Wort "Literatur" beinahe ein Prädikat wäre, einen zweimaligen Oscarpreisträger und Zuschauergarant als Hauptdarsteller, einen Regie-Routinier, der sich in beinahe jedem Genre wacker schlägt und jede Menge geschichtsträchtige Schauplätze mit eindeutig europäischen Flair (auf das die US-Amerikaner mangels eigener Geschichte ja ohnehin abfahren).
Nun werden die Wochen vor Kinostart noch mit jeder Menge heißer Luft in den unterschiedlichsten Medien angefüllt und auf eine Pressevorführung bis zur Weltpremiere kurzerhand verzichtet, und schon hat man das Publikum im Griff und dessen Geld in der Hand!
Die Rechnung ging natürlich auf und so bleibt jetzt Zeit, "Da Vinci Code" etwas aus der Distanz zu betrachten:

Vorweg gesagt, der Film hat handwerklich alles, was ein guter Blockbuster braucht - Rasanz, gute Darsteller, schöne Drehorte, Überlänge und sogar eine gewisse Atmosphäre!
Tom Hanks wirkt, von der bescheuerten Frisur mal abgesehen, wieder wie in alten Zeiten als der sypmathische Träger der Erwartungshaltungen der Zuschauer und man merkt, dass dieser Mann noch lange nicht seine Stellung an seinen Sohn Colin abtreten wird - denn alleine seine Präsenz kann noch immer einen Film tragen.
Jean Reno bleibt ein Abziehbild eines französischen Bullen und ist von seiner Vorlage im Roman ungefähr so weit entfernt wie Catherine Deneuve von einem Comeback in einem Rapper-Musikvideo. Hier war wohl Star-Power alles!
Audrey Tatou füllt ihre erste internationale Blockbuster-Rolle ganz zufriedenstellend aus, obwohl sie sich stellenweise ohne den Schatten ihres Co-Stars Tom Hanks ziemlich verloren und unsicher anstellt. Feuerprobe bestanden und auf zu neuen Ufern!
Das Highlight von "Da Vinci Code" ist aber Sir Ian McKellen, der als besessener Gralssucher Sir Leigh Teabing die witzigsten, charmantesten und sympathischsten Momente der Handlung ausfüllt - zwar wird auch er seiner Vorlage nur bedingt gerecht (hier ist nichts von einem Elten John-Verschnitt zu spüren) doch seine lebhaften AUgen, gewitzten Sprüche und köstlichen Gesichtsausdrücke beweisen mal wieder, nur wo gestandener englischer Shakespeare-Darsteller draufsteht, da ist auch Ian McKellen drin.
Alfred Molina und Paul Bettany tragen ihren Teil bei und in einem kurzen Auftritt als Bankangestellter bietet Jürgen Prochnow eine vorzügliche One-Man-Show als deutsches Klischee.

Zur Handlung bleibt ja wohl kaum etwas zu sagen, was nicht bereits den Millionen Lesern der Romanvorlage oder Zuschauern diverser Pseudo-Fernseh-Dokus offenbart worden wäre. Drehbuchautor Akiva Goldsman, bekannterweise nicht gerade der nächste Favorit auf den Skript-Oscar, strickt aus den wirklich lächerlichen Theorien von Dan Brown eine massenkompatible, religiöse Hetzjagd durch die Geschichte der Kirche, bei der die tragenden Eckpunkte seiner Kartenhaus-Gebilde erhalten bleiben und allen Figuren genügend Raum für ihre Handlungsrechtfertigung zugestanden wird.
Als großes Manko ist anzumerken, dass sich die Story mehr wie eine Rolle Toilettenpapier vor dem Zuschauer entrollt und nicht die mystifizierende Ungewissheit wie im Roman enthält. Hier wird alles als Tatsache hingestellt und wirkt daher noch viel unglaubwürdiger als noch in Dan Browns gepushtem Bestseller!
Da es sich aber um einen Sommerblockbuster handelt, sei dies zu verschmerzen - umso unverständlicher also die Tatsache, dass die Kirche in ganz Europa und diversen anderen Hochburgen des Glaubens der Welt zum Boykott des Films aufruft. Entweder bekamen sie Einspielbeteiligung und lassen die religiöse Marketing-Maschinerie (Leugnung, Ketzerei und wieder Leugnung - funktioniert hat das ja bereits zu Zeiten der Inqusition) laufen oder Sony hat etwas mehr provoziert als im Vorfeld möglich war, um die Marketing-Maschinerie der Kirche (siehe oben) zur Vermarktung zu nutzen!
Dieses Geheimnis wird wohl auch ein Dan Brown nicht lüften können und so bleiben 152 Minuten perfekt inszenierte Unterhaltung von Ron Howard, denen zwar das Kunststück gelingt, eine Romanvorlage 1:1 auf die Leinwand hinüberzuretten (inklusive des fehlenden Funken für Zuscheur beziehungsweise Leser), jedoch dabei keinerlei Chance genutzt hat, wenigstens dem filmischen Werk etwas Charme und Geist einzuhauchen!

Fazit: Handwerkliches Meisterstück seelenloser und programmierter Unterhaltung, die der menschlichen Klaviatur genau die benötigten Töne entlockt, um sein Ziel zu erreichen - den Zuschauer und die Studiobosse freut es gleichermassen und alle sind zufrieden. Wer gerne mitdenkt, dem sei jedoch vom Fimgenuss abzuraten.

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