Review

Das englische Wort "Prodigy" kann "Wunder", aber auch "Wunderkind" bedeuten (Dank für die Übersetzung an LEO). Wen mag Regiedebütant Kaufman (bevor hier die Besserwisser aufheulen: Einen Kurzfilm hat er zuvor schon gedreht) damit wohl meinen - sich selbst oder eine der düsteren Figuren, die in seinem durchaus beachtlichen Filmerstling ihr Unwesen treiben ?

Es ist kein guter Tag für den Kleingangster Truman (Holt Boggs, auch für das Drehbuch mitverantwortlich). Eigentlich hatte er nur einen Drogendeal geplant, aber dann taucht ein mysteriöser Maskenkiller mit High-Tech Ausrüstung auf, und das ganze endet in einem Blutbad. Und nicht genug: Als Truman Monate später den entführten Neffen eines Gangsterbosses suchen soll, spricht vieles dafür, dass der mysteriöse Entführer genau dieser Killer ist, und der erleichtert seine Opfer gerne mal um diverse Körperteile.

Debütfilme, denen schon gleich vom Start weg das Etikett "Kultfilm" aufgeklebt wird, kommen einem sicher nicht jeden Tag unter. Immerhin hat sich Kaufmann dafür einen bislang eher seltenen Genremix ausgesucht: Gangsterfilm meets Horror, und zwar nicht die Comic-Splatter Variante im Stil von "From Dusk till Dawn". Hier geht es nicht knallbunt zu, sondern in jeder Hinsicht extrem düster. In phasenweise (vor allem in den Gewaltsequenzen) fast monochromen Bildern entfaltet sich eine Geschichte, die an Grimmigkeit schwer zu überbieten ist. Vor allem dank der Hauptfigur des auf seltsame Weise nicht tot zu kriegenden Killers weht ein Hauch von "Saw" durch den Film, minus den schwarzen Humor und den fantasievollen Splatter (wobei insoweit hinter der deutschen Fassung hier zu Recht ein Fragezeichen steht; wenn der Streifen denn wirklich gekürzt ist, wofür in einigen Szenen einiges spricht, wäre das schon ein dicker Hund seitens der FSK, die in letzter Zeit einige wirklich unappetitliche Eingeweidewühlereien wie den letzten Romero einfach so durchgewinkt hat.)

So faszinierend die Grundidee und die Atmosphäre auch sind, bei der tatsächlichen Umsetzung muss man dann doch ein paar Abstriche machen. Klar, dass für eine derartige Indie-Produktion keine gewaltigen Geldsummen zur Verfügung stehen. Umso erstaunlicher und aus meiner Sicht auch unverständlich ist, dass der Film dennoch in (maßvoller) Überlänge antritt, und prompt sind im Mittelteil zwischen den beiden großen Shoot-Outs am Anfang und am Ende einige Längen festzustellen. Für weitere "echte" Action-Sequenzen reichte das Budget dann wohl doch nicht; trotz einiger guter Spannungsmomente und zum Teil recht heftiger Schockeffekte gerät der Film in dieser Phase tempotechnisch etwas außer Puste. Dazu tragen vor allem die Ausflüge in das nicht sehr interessante Privatleben des "Helden" bei, und nicht alle der zahlreichen Nebenfiguren werden wirklich vernünftig eingeführt (selbst unser geheimnisvoller Killer hüpft letztendlich aus der Kiste wie der sprichwörtliche Kai). Andererseits: Wer Serienkillerfilme kennt, weiß, dass fast jede Figur irgendwie zu irgendetwas zu gebrauchen ist, mehr brauche ich wohl nicht zu sagen.

Trotz einiger herber Szenen und entsprechender Stilmittel will der Film natürlich kein reiner Horror-Streifen sein, die Thriller oder Actionelemente sind mindestens gleichwertig. Schon der wilde Auftakt erinnert irgendwie an das Finale von "True Romance" - da stellt sich natürlich die Frage nach der Qualität der Actionszenen. Klare Ansage: Den neusten Standard im Blutbadgenre erreicht das Wunderkind nicht, aber für einen soliden Platz im oberen Mittelfeld reicht es allemal. Die zwei großen Ballereien wirken manchmal etwas ungelenk, aber rauh und nicht völlig unrealistisch (die Auftaktszene wurde angeblich mit echten Ex-Knackis gedreht); und unverbesserliche Body-Counter kommen auch auf ihre Kosten.

Fazit: Mit Debütantenbonus, Orginalitätspluspunkt für den selten gesehenen Mix aus Gangster- und Horrorfilm und dank schön grimmiger Atmosphäre verdient sich Kaufmans düsterer Erstling knappe 7 von 10 Sägeblättern. Ein paar Kürzungen hätten dem Film aber sicher gutgetan, und damit meine ich nicht die (wahrscheinlich) von unserer geliebten FSK verordneten.

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