Elementarteilchen (Oskar Roehler, 2006)
Die seelisch völlig verkrüppelten Brüder Michael (dezent und doch eindringlich zugleich: Christian Ulmen) und Bruno (noch kaputter als sein Bruder, zieht alle Register seines Könnens: Moritz Bleibtreu) treffen sich regelmäßig in einem Lokal in Berlin auf ein Gläschen oder zwei zum reden, und Bruno, der Lehrer sowie ein verhinderter und rassistischer Mächtegern-Autor ist, übertrifft sich jedesmal mit seinen Schilderungen wie sehr ihn sein Leben, seine Frau und sein Kind ankotzen, wie er getrieben nach Lust und Abwechslung bald sich selbst verliert und doch nur nach etwas Liebe und Geborgenheit für seine zerrüttete Seele trachtet. Michael, das introvertierte bzw. völlig verklemmteMathegenie und Genforscher a.D., sagt zu all dem nicht besonders viel sondern lebt stattdessen in der Vergangenheit, in der er als junger Kerl (täuschend echt als junger Ulmen: Tom Schilling) es einfach nicht fertig brachte seiner Jugendfreundin und Nachbarin Annabelle (Jelena Weber & Franka Potente) seine Liebe zu gestehen. Als das Grab seiner Großmutter wegen dem Bau einer Autobahn umge"bettet" (ein Brüller die Szene!) werden soll und er deshalb kurzzeitig in sein Heimatdorf zurückkehrt, erhält er doch noch seine Chance bei Annabelle. Bruno, inzwischen wegen sexueller Belästigung inkl. Zurückweisung einer Schülerin und allgemeiner Verzweiflung ob seines Lebens in eine Nervenheilanstalt eingezogen, gibt im Gespräch mit der Frau Doktor (leicht schockiert von den Schilderungen Brunos und darin einen wahren Ozean an Ansatzmöglichkeiten zur Therapie sehend: Corinna Harfouch) Eindrücke der verkorksten Kindheit und Jugend der Brüder zum Besten. Nach mehreren Selbsterfahrungstrips (mit dem Ziel möglichst viele Frauen flachzulegen versteht sich) unter anderem in einem Nudisten-Feriencamp für Althippies und sexuell aufgeschlossene "Freigeister" lernt er schließlich Christiane (großartig, traurig, carpe-diem-deluxe lebend: Martina Gedeck) kennen, mit der er eine kurze aber glückliche Phase des gegenseitigen Verstehens und auch Respekts erleben darf. Doch einem wie ihm scheint das Leben einfach nicht viel gönnen zu wollen, vielleicht hat er es sich auch einfach schon viel früher mit dem Schicksal verscherzt...
Der finale Schicksalsschlag ist für die überlasteten Nerven von Bruno endgültig zuviel, aber wenigstens sein Bruder überwindet eine schwere Krise von Annabelle gemeinsam mit ihr und blickt frohgemut einer Zukunft auf einer Genfarm in Irland entgegen...wie sie da sitzen am Stand in den Liegestühlen, Bruno (und er Christiane) mit dabei und das letzte Lied des grandiosen Soundtracks ertönt wünscht man allen nur noch, dass sie doch noch irgendwie glücklich werden (die Textafeln am Ende klären einen dann diesbezüglich noch auf).
Ich muss zugeben dass mir der Vergleich mit Houellebecq's Vorlage abgeht da ich das Buch (noch) nicht gelesen habe (was ich aber schnellstens Nachholen werde) aber den Film für sich sehe ich als Meisterwerk des Deutschen Films an: so kraftvoll, mutig, schockierend, traurig, berührend, so großartig gespielt, inszeniert und vertont kann ein Film hierzulande sein, ich war wie gesagt platt!