Review

Optisch und darstellerisch ist das auf jeden Fall einer der besten deutschen Filme des Jahres 2006. So gut, dass er auch als internationale Produktion durchgehen würde. Die Story ist interessant, die Inszenierung spannend. Man kann den Film jedem empfehlen.

Kritik gibt es nur auf extrem hohem Niveau und die beschreibt auch eher, warum der Film nicht ganz perfekt ist. Was nichts daran ändert, dass „Elementarteilchen“ nach einer ganzen Reihe von mauen Filmen ein Ausrufezeichen setzt. Erstklassige Darsteller – sogar in Nebenrollen (Corinna Harfouch, Jasmin Tabatabei)! Szenerien, die – trotz scharfer Wechsel – immer glaubhaft sind. Und als Regisseur Oskar Roehler, der in den besten Szenen inszeniert wie Kubrick!!!

Zur Geschichte: Eine Mutter bringt ihre zwei Söhne bei den jeweiligen unterschiedlichen Großeltern unter. Die beiden Halbbrüder haben das Gefühl, von ihr abgeschoben worden zu sein. Mit unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet machen sie sich auf die Suche nach Liebe. Während der eine Lehrer wird und im Verlauf versucht seine Erfüllung in ausschweifenden sexuellen Erlebnissen zu finden, versucht sich der andere, sinnesfeindlicher eingestellte Bruder, als Forscher, der am Thema Zeugung ohne Sexualität arbeitet (bei Rindern).

So weit so gut. Mehr muss man nicht wissen, um den Film zu sehen. Man kann allerhöchstens schwärmen von der sauguten Inszenierung: Oskar Roehler hat hier Gewaltiges geleistet – bis ins kleinste Detail Emotionen und Szenerien ausgearbeitet. Man kann auch schwärmen von den sauguten Darstellern. In den Hauptrollen Moritz Bleibtreu und Christian Ulmen, Nina Hoss als deren Mutter (was natürlich schon schmunzeln lässt) und trotzdem gibt es eine, die das gesamte edle Ensemble überragt: Martina Gedeck. Wow! Kann man das eigentlich noch steigern? Wie ihre Figur lebt und leidet und mit welchem Mut sie sich dabei zeigt! Das ist absolute Schauspielreferenz!!!

------SPOILER-------


Diskussion über den Film. Viele haben Roehler dafür kritisiert, dass er der Geschichte die Trostlosigkeit genommen hat. In Houellebecqs Roman sterben am Ende alle Protagonisten. Sie bleiben Elementarteilchen, die nicht teilbar sind, aber auch nicht in der Lage sind mit anderen eine Verbindung einzugehen – Liebe existiert nicht.

Roehler hat ein anderes Ende gefunden. Ein besseres Ende. In Interviews hat er gesagt, dass er zunächst versucht, hat alles wie im Buch zu belassen, aber das war so trostlos und traurig, dass man gesagt hätte: So einen Film möchte man nicht sehen.
Ich denke damit hat er Recht. Figuren, die nur zum Sterben und Scheitern geschaffen sind, können in zwei Stunden keine Sympathien gewinnen. Da wäre auch der Aufwand – den so ein Film erfordert - zu hoch gewesen. Roehler schenkt deshalb ein kleines Happy End. Mit der Erfahrung eines älteren Menschen, der eben nicht am Leben verbittert ist: Liebe ist möglich, sagt er, wenn man bereit ist, etwas dafür zu geben.

Das ist eine schöne Botschaft und dafür sollte man ihm auch dankbar sein. Aber gleichzeitig stellt sich natürlich die Frage, warum er sich überhaupt an Elementarteilchen versucht hat, wenn er die eigentlich hoffnungslose Botschaft verändert.
Doch die Antwort ist ganz einfach: damit man sich den Film ansieht und überhaupt mit der Geschichte beschäftigt. Roehler ist ohnehin nicht der erste Regisseur, der umschreibt. Auch Blake Edwards hat bei Frühstück bei Tiffany (geschrieben von Truman Capote) hart eingegriffen und die Figuren am Ende zueinander finden lassen – anstatt Holly Golightly allein nach Brasilien fliegen zu lassen – wie in der Kurzgeschichte. Ist der Film dadurch schlechter geworden ist? Und dasselbe gilt für Elementarteilchen.

Aber, aber, aber. Es gibt trotzdem einige Kritikpunkte bei den Darstellern (natürlich nicht bei Martina Gedeck oder Nina Hoss). Wie gesagt: Kritik auf sehr hohem Niveau. Insgesamt gesehen ist Elementarteilchen eine sehr, sehr stimmige Geschichte. In Nuancen ist allerdings Christian Ulmen nicht ganz perfekt. Zum einen ist er viel zu jung und dann stellt er den Forscher und genialen Professor nicht ganz glaubhaft dar.
Zusätzlich fehlt seiner Figur die Krise, die innere Zerrissenheit. Er ist zwar schön unscheinbar und weltvergessen, aber sein Leid und auch seine Geschichte kommen insgesamt etwas zu kurz im Film.

Die andere Kritik betrifft Moritz Bleibtreu. Der ist eigentlich ein ganz schöner Arsch. Benimmt sich wie die letzte Sau – und trotzdem kann man ihn nie als verachtenswert empfinden. Seine Augen machen ihn irgendwie immer liebenswert und aus demselben Grund wirkt er auch nie so richtig am Boden und kaputt – also so abstoßend, wie das Skript erfordert (beispielsweise in der Szene im Nudistencamp, bei der keiner Eincremeübungen mit ihm machen möchte).
Man hat Moritz Bleibtreu einfach gern und verzeiht ihm … fast alles. Aber wie gesagt sind das alles nur Nuancen.

In den besten Szenen wirkt Elementarteilchen wie ein Film von Kubrick. Insbesondere in den verzweifelten Momenten mit Gedeck – aber auch die Atmosphäre im Swingerklub ist gigantisch, beispiellos und hocherotisch. Tatsächlich reichen diese nur sehr kurzen Szenen aus, um den Film zu einem modernen Meisterwerk zu machen – aber die Geschichte bietet noch deutlich mehr als diese Orgien.

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