Mit „Fearless“ nimmt Jet Li Abschied vom klassischen Wirework-Film, doch seine Abschiedsvorstellung ist ein echtes Geschenk an die Fans.
Thematisch geht es bei „Fearless“ um die Entstehung des Wushu-Sports. Ende des 19ten Jahrhunderts wächst der junge Huo Yuanjia auf. Sein ist Meister der Wushu, beweist sich in Wettkämpfen. Also lernt Sohnemann auf eigene Faust und schwört nie besiegt zu werden, nachdem im ein anderes Kind kräftig einen auf die Drömsel haut. Erstaunlicherweise sind die Schilderungen der Kinderjahre trotz verstärkten Teppichrattenaufkommens nicht nervig geraten und leiten zügig in den Hauptteil über.
Als junger Mann macht Yuanjia (Jet Li) den Wechsel ins 20te Jahrhundert mit und ist mittlerweile ein großer Meister. Als er jedoch Anerkennung, Freunde und Familie durch übertriebenen Ehrgeiz verliert, zieht er allein in die Welt...
Besagter Teil nimmt ungefähr eine Stunde des Films ein und besitzt extrem viel Drive. Es kommt in regelmäßigen Abständen zu Kämpfen, in denen Drahtseiltricks nur moderat eingesetzt werden und oft auch kaum bemerkbar. Die Fights sind akrobatisch, die Story von Hochmut, der zum Fall führt, wird zackig durchgezogen und die Kämpfe steigern sich von Auseinandersetzung zu Auseinandersetzung. Gerade das Duell im Restaurant ist ein echter Leckerbissen.
Danach schaltet „Fearless“ erst mal einen Gang zurück, zeigt Selbstfindung und Rückkehr Yuanjias, der nun eine andere Wushu-Philosphie vertritt. Leider dauert die Selbstfindung als Reisbauer etwas sehr lange, die eingestreuten Weisheiten wirken aber nicht zu aufdringlich und vor allem die Bilder sind malerisch schön. Durch die Naturbilder und den passenden Score kann „Fearless“ passagenweise sogar episches Flair aufkommen lassen, wenngleich man nicht ganz an die Atmosphäre des artverwandten „Once upon a Time in China“ anschließen kann.
Die Schlussphase um die neue Wushu-Konzeption wirkt dagegen etwas gehetzt, bietet dafür aber erneut Kämpfe, in denen intrigante, klischeehafte Nicht-Chinesen Yuanjia und seiner neuen Philosophie den Wind aus den Segeln nehmen wollen.
Toll sind auch diese Fights geworden, wobei hier deutlich mehr Wirework eingesetzt wird. Zwar ist die Wahl von Gegnern und Waffen illustrer, vom Speerkämpfer über den Fechter bis zum US-Ringer Hercules O’Brien (Nathan Jones) ist hier einiges vertreten, doch ganz so spektakulär wie Konfrontationen in der ersten Stunde des Films wirken sie leider nicht. Doch auch hier leistet Ronny Yu großartige Arbeit und lässt seine Recken mal wieder unglaubliche Moves vollführen, die teilweise erst durch Zeitlupen wirklich genau erkennbar sind.
Jet Li erweist sich dabei nicht nur körperlich topfit, sondern legt auch mal wieder schauspielerisch eine sehr überzeugende Leistung vor, wie er es in den letzten Jahren ja bereits häufiger tat. Doch auch der Rest der Darsteller leistet meist sehr überzeugende Arbeit; Nathan Jones muss wie schon in „Tom Yum Goong“ einfach durch pure Körpergröße bedrohlich wirken ohne groß zu schauspielern.
„Fearless“ erreicht in seinen rund 140 Minuten Laufzeit nie ganz die Dynamik der ersten Stunde, da er in der Mitte einen kleinen Hänger hat, gehört aber dennoch zu den besten Filmen Jet Lis. Die Kämpfe sind schlicht und einfach atemberaubend, die Inszenierung klasse und sogar episches Flair kann „Fearless“ verströmen.