Review

Als Freund mittelalterlicher Szenarien nagt man - stellt man gewisse Ansprüche - schon sehr am filmischen Hungertuch. Denn nicht jeder mag die alten, bisweilen sehr reißerischen Nonnenfolter- oder Hexenjägerfilme, die ob ihrer ausbeuterischen Ausschlachtung dieser damaligen Epoche genau jenes Verlangen befriedigen, weswegen man sich diese Historienstreifen so gerne anschaut: Befriedigung einer gewissen Sensationsgier. Um Authentizität bemühte Darstellungen des Mittelalters können diese Schauwerte verdrängen, verleugnen wohl aber nicht, sind sie doch unabstreitbar Zentralthema der damaligen Zeitrechnung. Genauso verhält es sich mit dem Zuschauer solcher Filme, der irgendwo tief in seinem Herzen eine gewisse Faszination für diese Morbidität fernab klassischer Ritterfilme hegt. Wie dem auch sei, die so genannten “Exlpoiter” (to exploit = ausbeuten) sind nicht jedermanns Geschmack und dürften den meisten eher unbekannt sein und auch bleiben. So zehrt der historisch interessierte Zuschauer nur von einer handvoll Filmen - unter anderem sei der fantastische Der Name der Rose erwähnt - die sich ernsthaft mit dieser Zeit beschäftigen.

Es war eine Zeit, in der die Macht bei der katholischen Kirche lag, welche ihre (ideologischen) Feinde mit grausamer Härte verfolgte und versuchte auszurotten, da sie in diesen sogenannten Ketzern eine Bedrohung für ihr rigoroses Machtgefüge sah - darauf gemünzte Sprichwörter wie “den Teufel mit Beezlebub austreiben“ in diesem Zusammenhang bekommen fast schon einen galligen Nachgeschmack, kommen sie einem über die Lippen. Vor genau solchem Hintergrund ist auch die Geschichte von Der Henker angesiedelt, welcher in Tirol im 16. Jahrhundert spielt.

In die Triebräder dieses machtpolitischen Karussells geraten zwei in ihrer Jugend voneinander getrennte Waisenkinder, von dem der eine unter der Obhut der Kirche aufgezogen zum Prior eines Klosters berufen wird, der andere eine Ausbildung zum Soldaten erfährt. Die Lage spitzt sich zu als Martin der Soldat sich in die Henkerstochter verliebt und nach dem Tod ihres Vaters entgegen seiner legitimen Nachfolge - immerhin hatte der alte Mann einen vielleicht schon zu fleißigen Gehilfen - dessen Amt als Scharfrichter weiterführt und damit zum Außenseiter der Gesellschaft wird. Als Exekutive einer Rechtsprechung, dessen Meinung er im Geheimen nicht immer ist, wird sein Gewissen und die Freundschaft zu Georg dem Priester nach Jahren auf eine starke Probe gestellt - denn die spanische Inquisition kommt ins Dorf und so sehen manche in diesem einschleichenden Akt der geistigen Brandstiftung ihre Chance für sich nutzen zu können …

Vorab: Trotz seines Originaltitels ist Der Henker sehr zurückhaltend was die grafische Darstellung scharfrichterlichen und inquisitorischen Treibens anbelangt. Gerade mal eine Köpfung ist zu sehen, dafür ist diese aber ziemlich explizit dargestellt und hätte durchaus eine 18er Freigabe gerechtfertigt. Um eine bessere Vermarktung zu erlangen, vordergründig wohl aber eher die eigentliche Geschichte zu erzählen und sich weniger auf Folter & Mord zu konzentrieren, sind die übrigen Gewaltszenen sehr zurückhaltend inszeniert wurden. Das Herausreißen einer Zunge im kirchlichen Folterkeller ist aber auch ohne - im Gegensatz zu Hexen bis aufs Blut gequält - Details zu zeigen durch die Soundkulisse ziemlich intensiv geraten.

Überhaupt wurde die dreckige und emotional kalte Atmosphäre der damaligen Zeit gut eingefangen; das Mittelalter war eben trist und öde und so ist es auch dargestellt: Fernab opulenter Kostümfilme sind die Kleider eher schlicht geschneidert, sehen aber immer noch so gut aus, dass sie nicht wie drittklassige Theaterrequisiten wirken. Der Marktplatz ist nur so bevölkert vom “niederen Volk” - heruntergekommene Existenzen mit faulen Zähnen, Spielleute und Marktschreier tummeln sich auf den von herumlaufendem Getier voll geschissenen Straßen, in dem Kloster schreiten bedächtig in Kutten gehüllte Mönche umher. Also insgesamt auf visueller Ebene gelungen, auch akustisch wird das Geschehen durch ruhige mittelalterliche Instrumentarien wie Schalmei, Oboe und Sackpfeifen ansprechend begleitet. Lediglich manch unsauber mit dem Bildvordergrund verbundene, gemalte Hintergrundbilder (“Matte Paintings”) trüben den sonst positiven Gesamteindruck. Etwas mehr Sorgfalt hätte gut getan, insgesamt ist dieses Manko aber nicht weiter störend.

Da fällt einem schon eher der stellenweise etwas holprige Erzählstil und die klaffende Drehbuchschwäche gegen Ende hin ins Gewicht. So ist zum einen der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenendasein der beiden männlichen Protagonisten sehr abrupt abgehandelt wurden, ohne dass auch in späteren Rückblenden über ihre persönliche Entwicklung eingegangen wird; das nimmt etwas der charakterlichen Tiefe, die für spätere moralische Entscheidungen entschieden wichtig gewesen wären - gerade da die beiden (wenn auch unfreiwillig) doch zwei ganz unterschiedliche Wege eingeschlagen haben und zu ihrem eigenen Schutz diesen konsequent gehen müssen.

Keine Frage, die Darsteller sind mehr als solide, richtig herausstechen tun aber nur zwei. Da wäre zum einen Peter McDonald als Prior Gregor, der sichtlich bemüht ist den Zwiespalt seiner Figur (einerseits die Freundschaft zu Scharfrichter Martin zu wahren, andererseits den ihm abverlangten Gehorsam seinen Vorgesetzten entgegenzubringen) darzustellen. Dieses den ganzen Film durchziehende Beziehungselement wird leider am Ende mehr schlecht als recht abgehandelt und passt nicht wirklich zu der im Laufe des Filmes durchlaufenen charakterlichen Entwicklung Gregors. Schade. Jedenfalls wartet der Film noch mit einem gelungenen “Bösewicht”, Steven Berkoff als eindimensional dargestelltem, aber hundsgemeinem Inquisitor auf. Die Figur des Martin bleibt leider etwas blass, so das sie trotz ihrer sympathischen Zeichnung nur bisweilen um ihre Entwicklung mitbangen lässt.

Dramaturgisch wirken sich ebenfalls jene bereits erwähnten übergroßen Zeitsprünge in einem unschönen Erzählrhythmus aus, der aber trotz dieses Mankos den Zuschauer durch seine interessante Storyentwicklung bei Stange hält. Wenn auch manches absehbar ist, z.B. dass der Gehilfe des ehemaligen Scharfrichters in der Inquisition, respektive in deren intrigantem Machtgehabe und ihrer Furcht vor ketzerischen Aufruhrn, seine Chance zur Rache sieht, so ist insgesamt aber doch die historischen Fakten ordentlich eingearbeitet wurden. Große Actionszenen wie spektakuläre Schwertkämpfe werden einem aber genauso wenig geboten wie opulente Massenszenen. Doch dieses dem Film als Tempobremser anzulasten wäre unfair, ist doch die restliche optische Darstellung gelungen. Vielmehr darf man sich wegen des etwas unausgefeilten Drehbuchs etwas ärgern; aus der Story hätte man meiner Meinung noch mehr rausholen können.

Leider nicht so gut wie erhofft, wohl aber besser als von einer deutschsprachigen Produktion finanziell mittleren Rahmens erwartet, ist Der Henker ein solider Historienfilm geworden, der zwar nicht die Klasse eines Der Name der Rose hat, wohl aber zu den gelungeneren zeitgenössischen Mittelalterwerken aus hiesigen Landen gezählt werden darf. Im Anbetracht der wenigen Alternativen fast schon ein Pflichtfilm für geschichtlich Interessierte! (6,5 )

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