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"It's just a nightmare", wird den anwesenden Beteiligten dieser verheerenden Folge von unglücklichen Schicksalsschlägen als Trost bereitgehalten, als Versuch der Aufmunterung, um der zurückliegenden Vergangenheit und ihrer stetig schmerzvollen Auswirkungen in der Gegenwart zu entkommen, zu entfliehen, in die Zukunft zu blicken. Das Leben selber ist der Albtraum, der Soziale Schrecken, die Gesellschaft in einem verwachsenen Alltag von Massenveranstaltungen, in der Einer dem Anderen nur dann die Aufmerksamkeit schenkt, wenn er scheinbar selber etwas zu seinem Nutzen davon hat. In der die Kommunikation selbst oder vielleicht auch gerade unter Eheleuten so sehr ausgespart und brachliegend vermieden ist, dass sich eigentlich Nahe stehende Menschen nichts mehr oder zumindest nicht die wichtigsten Dinge zu sagen haben, und den Partner, so wie er momentan in Wahrheit hinter der Fassade ist, gar nicht mehr erkennen und wohl möglich auch gar nicht mehr kennen.

Crazy Blood, zuweilen als Horror tituliert und damit in Ansätzen mehr in das Reich der Phantasie verschoben, als etwaige Auflösungserscheinung der Wirklichkeit in das anaphorisch Abstrakte und illusorisch Fern liegende signiert, hat allerdings keinerlei Elemente des Übernatürlichen oder sonst wie auserkoren Metaphorischen zu bieten, sondern ergeht sich vielmehr in einer gültig vorstellbaren Realität. An einem Zeit und einem Ort, an dem nichts Jenseitiges herrscht, sondern die nackte Existenz allein schon befremdend und monströs genug und mit schattenhaften Personen gefüllt ist. Eine demoralisierende Phase eingewurzelter Freudlosigkeit, in der scheinbar Alles den Bach hinuntergeht:

Der im Dienst der Polizei angestellte Tatortfotograf Lo Wei - ming [ Eddie Chan ] lebt zusammen mit seiner Frau Chen Ching - min [ Olivia Cheng ] und ihrem kleinen Sohn Chia - pu [ Leung Jun-Git ] in einem eher schäbigen Hochhausviertel inmitten in HK. Da Ching - min sich auch außerhalb ihrer Sprechzeiten als Anlaufstelle speziell für minderjährige, auf die schiefe Bahn und in die Drogen- und Prostituiertenszene abgerutschte Mädchen kümmert, hat sie wenig Zeit für ihren Mann, der seine komplette Aufmerksamkeit deswegen auf den Sohn lenkt. Wieder einmal des Nachts unterwegs engagiert Ching - min in Abwesenheit ihre Schwägerin Lo So - fong [ Priscilla Koo ] als Babysitterin, welche allerdings auf dem Weg dahin von dem Freund David [ Deon Lam ] eines der betreuten Schützlinge vergewaltigt wird. Ohne einen Erwachsenen in der Nähe stürzt der unbeaufsichtigte Kleine von der Fensterbrüstung in die tödliche Tiefe. Kurz darauf finden zahlreiche Attentate auf die Adoleszierenden statt. Die Polizei [ Cheng Chu-Fung & Lai Kim-Hung ] schaltet sich ein.

Die thematischen Ansätze des Filmes, und neben dem gleichen Produktionsjahr 1983 zum Glück mehr Übereinstimmungen auch nicht, erinnern dabei an den ähnlich eingestellten Rape and Die. Der weniger als erwartetes Exploitationexemplar die geschürten Sensationslüste des Publikums serviert, aber dafür als gar greuliche Zusammenfassung den Hammer von Vorhersehung und Verhängnis ohne jede materielle Prädestination oder formelles Geschick schwang. Hier wie dort wird im Widerpart der sittlichen Autorität eine Personengruppe in unentrinnbarer Vorherbestimmung in Augenschein genommen, die, ob sie es wollen oder nicht auf engsten Platze bescheidener Verhältnisse leben und ihren Tag und ihre Nacht miteinander teilen müssen. Manche der Figuren kennen sich gar nicht persönlich, sondern nur über mehrere Ecken, über das Hörensagen oder vielleicht auch flüchtig vom Sehen. Einer wie der Andere beeinflusst mit seinem Tun und seinem Unterlassen aber den Gegenüber, mittelbar oder unmittelbar, mit Absicht oder aus Versehen, im Schweigen oder Verschweigen. Eine wahre Hinterfragung der Potentiale dieser Kontakte und schnell anwachsenden Konflikte zu verheerend gekennzeichneten Zuständen findet auch hierbei nicht statt, ebenso wie die konstruktive Kritik und eine Auseinandersetzung mit der Klagerede so wenig zu sehen ist wie das Sonnenlicht. Aber die Details für Beobachtungen weist man ausnahmsweise auf, die Differenzen und Divergenzen, die Auseinandersetzung mit der scheinbar verabsolutierenden Feststellung. Die Ruhe und Konzentration für eine überlegte Dramaturgie, offen für den Identifikationsvorgang in Verpflichtung und Anteilnahme, der sich Zeit auch für die Umstände sich verschärfender Fronten, die zerstörenden Kräfte der Zivilisation und die wechselwirkende Einheit dessen nimmt.

Die Handlung schreitet achronologisch mit dem Aufhänger des schlechten Beispiels, einer vergeltenden rampage - Aktion und so mit Signalfunktion, sichtlichem Wohlwollen an der vigilante force Spekulation und einem stetig provozierenden Rest unmotivierter Bosheit voran, bleibt aber nicht lange mit Verachtung und Haß und der Beeinflussung visueller Augenblicksreize am Werke. Sondern schlüsselt in einer Rückblende, die ein Großteil der Perspektive einnimmt, das Zustandekommen dieses vom Schluss her bestimmte Interesse einer hypochondrisch gefühlten Ausweglosigkeit in Weltschmerz und Selbsttäuschung und Mord und Totschlag auf.

Gruppierungen, die sich ausschließlich an ihrem eigen Überleben ausrichten, von ihrer Geschichte her verschieden, gleichzeitig ein und derselben Umwelt ausgeliefert, laufen in fortschreitender Entwicklung der gemütskrank verdüsterten Erzählung mehr und mehr zusammen, konvergieren ohne Kompromiss und finden ihre identischen Aufschrei in Belastung und Anklage. Eine zunehmend unbewusst ablaufenden Fähigkeit oder Notwendigkeit, für sich persönlich eine eigene Wirklichkeit ohne die gängelnden Begleiterscheinugen zu konstruieren; ohne auf zustimmenden öffentlichem Urteilsspruch hoffen zu dürfen. Wei - ming ist als Außenseiter und ohne Interesse oder Verständnis für die Belange karikativen Tuns sowie der Profession von Sozialarbeit und Sozialpädagogik mehr von seiner Frau getrennt als mit ihr zusammen und in damit völlig isolierter Entleiblichung eine traurige Erscheinung des großstädtischen Zusammenlebens, in nachfolgend paradoxer Übersteigerung: Zwischen die Extreme von Gut und Böse und Henker und Märtyrer gespannt, introspektiv veranlagt, mechanisch beschäftigt, von der Bestimmung enterbt und keiner Selbstbesinnung außer der instinktiven Überzeugung von der Notwendigkeit allen Geschehens mehr fähig. Er und seine Frau sehen des Abends ihre niemals endende Arbeit schmerzlich und trübe ausklingen. Ist es erst fremdes Leid, Enttäuschung, Unglück und Kummer, dass sie bis an das Ende der Kräfte beruflich beschäftigt, so gelingt es Ihnen nicht einmal, diese niedergedrückte Grundstimmung vor der Wohnungstür und damit einen Ort zum Atmen und Leben und Für Sich selber zu schaffen.

Auch den Jugendlichen, aus Wei - mings gramgetrübten und somit eingeschränkten, aber deswegen nicht gleich reaktionären Blick als Organisation von Schmach und Schande gesehen, soll der Aufbau einer selbstständig erfüllbaren und in Freiheit möglichen Existenz aus ganz verschiedenen Gründen nicht gegeben sein; wobei es sicherlich wenig hilfreich ist, die eh nihilismusgetränkte Aura noch zusätzlich mit explosiven Brandanschlägen aufzuheizen. Gravierend auffällig ist gerade in dem Akt urbaner Suizidkultur vor allem der Verlust öffentlich - politischen Handels. Nicht nur hierbei erscheinen die Gesetzeshüter erst dann zu Stelle, wenn alles zu spät ist und bloß noch für das Protokoll notiert und aufgeräumt wird.

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