In einem Satz: Dies ist der beste Film über Besessenheit bzw. Exorzismus den ich kenne. Natürlich auf einer Ebene mit dem 1973er Original. Aber REQUIEM ist natürlich weit mehr als das und will sich gar nicht mit den Genre-Klassikern messen. Er ist ein fabelhaftes Psychogramm einer kranken Frau in der Zerrissenheit zwischen dem mit der Muttermilch aufgesogenem Christentum und eigener kognitiver Erkenntnisse und Widersprüche.
Sandra Hüller als Michaela brilliert in dieser Rolle in preisverdächtiger Form und während des Films und danach war ich der Meinung den Ereignissen selbst beigewohnt zu haben. Dies liegt an dem extremen Realismus des Gezeigten, von den authentischen Ereignissen einmal abgesehen, der durch die sehr nachvollziehbar agierenden Schauspieler in Teilabschnitten manchmal wie eine Dokumentation wirkte.
Dazu kommt der weitgehende Verzicht auf vermeintlich spannungserzeugende Musik wie bei Michael Haneke und eine gut harmonierende Schauspielercrew die ihren Namen wirklich verdient hat. Die Geschichte (OHNE SPOILER!) der 21-jährigen Michaela Klingler (Sandra Hüller) deren Epilepsie von Ihren Eltern und den Dorfgeistlichen als Besessenheit interpretiert wird, verzichtet auf jeglichen Prunk in der Darstellung und REQUIEM verlässt sich zu Recht und zum Glück auf die sehr großen Möglichkeiten seiner Darsteller zum Transport von Emotionen.
Dies wird für mich sehr gut in der zentralen Tanzszene von Michaela deutlich und im späteren Verlauf durch ihre Mimik und Gestik in der die Angst und Unsicherheit die in ihr aufsteigt förmlich greifbar ist. Mittels ultra-realistischer Dialoge entwickelt Regisseur Hans-Christian Schmidt die Leiden einer Frau, bei der sich aus der Familie gelebten konservativen religiösen Orientierung eine schon fast an Realitätsverlust grenzende Eskalation ergibt.
Aus der Massenneurose Christentum entwickelt sich eine individuelle Psychose bei Michaela. Diese wiederum überfordert sichtlich genau die Menschen dir ihr diese Dogmen, die Schwarz-Weiß Sicht der Welt und die unmenschliche Einteilung in personalisierte Inkarnationen von Gut und Böse vermittelt haben. Dies lässt die Kirche leider als das erkennen was sie ist: eine Institution zur körperlichen und geistigen Disziplinierung des Menschen mit menschenverachtenden und -zerstörenden Methoden, mit dem Ziel, der Welt die eigene Ordnung aufzuzwingen.
Dies ist meine Sicht der Dinge in Bezug auf die Erlebnisse von Michaela. Dies klopft auch an der psychoanalytischen Sichtweise der Kirchen an, warum sie der Hort der Doppelmoral ist und alles Übel in den Statuten der Kirchen bereits angelegt und systemimmanent ist. Nach unter anderem den starken Beiträgen des Regisseurs Hans-Christian Schmidt über 23, WAS BLEIBT und STURM in den letzten Jahren lieferte er mit REQUIEM auch erstklassige Drama-Kost ab und somit kann ich den Film nicht nur empfehlen. Ich würde es mal als Pflichtprogramm bezeichnen.
9/10 Punkten