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Dieser Film beruht auf einer wahren Begebenheit um 1976.

Die junge Michaela verlässt Anfang der siebziger Jahre ihr streng gläubiges, katholisch geprägtes Elternhaus, um in Tübingen zu studieren. Zu diesem Zeitpunkt weiss sie schon seit geraumer Zeit, dass sie psychische Störungen hat, gegen die sie auch Tabletten verschrieben bekommen hat. Ausserdem musste sie schon mehrere epileptische Anfälle über sich ergehen lassen. Da sie eine starke Persönlichkeit darstellt, lässt sie es sich trotz massiven Abratens ihrer überdominanten Mutter nicht nehmen, ihren Plan des Studiums in die Tat umzusetzen. Ihr Vater, der selbst unter seiner dominanten Frau zu leiden scheint, ist ihr in ihrem Vorhaben eine wahre Hilfe, von ihm erfährt sie vorerst volle Unterstützung. An der Uni freundet sie sich mit einer Mitstudentin, die sie noch von früheren Schulzeiten kennt, an. Trotz Michaelas anfangs biederen Aussehens, hält auch ihre neue Freundin zu ihr, und in ihrer Gegenwart fängt Michaela langsam an , "aufzutauen" und sich etwas lockerer zu geben. Sie lernt auch einen Freund kennen und lässt schon mal laute Rockmusik bei Discobesuchen auf sich wirken. Leider ist ihr "Hoch" nur von kurzer Dauer, denn ihre psychischen Störungen (sie hört teilweise Stimmen, die sie wüst beschimpfen) und epileptischen Anfälle holen sie wieder ein. Fatalerweise deutet sie diese Vorfälle als teuflischen Einfluss von innen, da sie während dieser Anfälle nicht mehr in der Lage ist, ihren Rosenkranz zu berühren. Sie nimmt deshalb an, jemand tief in ihr will sie vom Beten abhalten. Mit dieser Annahme sucht sie ihren Priester auf, von da an nimmt eine bittere Tragödie ihren Lauf, die in mehreren Exorzismen und schliesslich ihrem Tod endet.

Hans-Christian Schmid, der schon in "23" von einer Persönlichkeit, die immer mehr den Bezug zur Realität verliert erzählte, hat mit seinem neuen Film ein kleines Meisterwerk geschaffen. Wie die Schauspielerin Sandra Hüller die vermeintlich vom Teufel besessene Michaela Klingler spielt, ist nicht zu fassen. Wenn man sich nicht ständig ins Gedächtnis rufen würde, dass es sich hier um einen Film handelt, müsste man meinen, es wäre eine mitgefilmte Dokumentation.Dieser Eindruck wird durch die filmische Machart (Handcam etc.) noch verstärkt. Ein ausgezeichnetes Setting versetzt einen zudem direkt und authentisch in die 70iger, was durch ausgesuchte Musikstücke noch untermalt wird.

Ob Michaela nun "nur" psychisch gestört oder tatsächlich, in welcher Form auch immer, besessen ist, lässt der Film offen. Auch scheint es fraglich, ob die fortschreitende psychische Krankheit von Michaela mit herkömmlichen Heilmethoden und Hilfe von Psychologen hätte gestoppt werden können. Zu tief sitzen die Schuldgefühle, die durch ihren extremen und bis zur Selbstaufgabe praktizierten Glauben in ihr gewachsen sind. Dass der Exorzismus, der in dem Film nur angedeutet wird, sie allerdings tatsächlich in den Tod getrieben hat, scheint auf alle Fälle klar zu sein.

Fazit: Nachdenklich stimmender, teilweise trauriger Film über eine psychisch kranke junge Frau, die Opfer ihres eigenen Glaubens und der damit verbundenen Praktiken wird, von Sandra Hüller unglaublich intensiv gespielt und bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt. So muss anspruchsvolles deutsches Kino sein, ohne gekünstelt zu wirken. Ein wirklich beindruckender Film! 9/10

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