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In der langen Geschichte der Oscarverleihung ist es eine große Seltenheit, dass ein deutscher Film die Auszeichnung als bester nichtenglischsprachiger Film erhält. Nach Volker Schlöndorffs Beststeller-Verfilmung "Die Blechtrommel" war es im Jahre 2007 wieder so weit: Der Film "Das Leben der Anderen" erhielt die begehrte Trophäe.

Es geht um die dunkelsten Seiten der DDR-Vergangenheit. Am Beispiel eines Künstlerpaares wird die Paranoia und menschenverachtende Ideologie des Staatsapparates vorgeführt, der nicht davor zurückschreckte, die intimsten Dinge seiner Bürger auszuspionieren oder sie unter sozialen und psychischen Druck zu setzen, um sie linientreu zu formen.

Ulrich Mühe in der Hauptrolle als überzeugter Stasi-Mitarbeiter Gerd Wiesler, der sich durch seinen Überwachungsjob verändert, die Menschen, die er überwacht, bei ihren antisozialistischen Plänen schützt und schließlich selbst von dem System, für das er immer eingetreten ist, zermalmt wird, liefert eine Glanzleistung ab. Auch wenn seine Rolle über weite Strecken nur als passiver Zuhörer funktioniert, vermag er seiner Figur eine moralische Ambivalenz zu verleihen, die ihn mehr als jeden anderen Protagonisten des Films zum Menschen macht. Er glaubt ehrlich und felsenfest an das System, für das er seinen Mitmenschen das Leben zur Hölle macht. Und seine schleichende Wandlung zum Helfer des Widerstands gegen die Unterdrückung erfolgt vollkommen überzeugend. Da hört er ein Gespräch über Fluchtmöglichkeiten ab und schreibt ins Protokoll: "Keine erwähnenswerten Ereignisse."

Diese unaufgeregte, fast beiläufige Art der Inszenierung ist es, die dem Film sein intensives Schwergewicht verleiht. Man erfährt beinahe nichts über die Person Wiesler. Nur ein einziges Mal wird er von einer Prostituierten besucht, und diese Szene sagt sehr viel über die Einsamkeit seines Lebens aus, das er voll und ganz dem Staatsdienst verschrieben hat. Die triste, blasse Farbgestaltung breitet eine große Hoffnungslosigkeit aus, die kaum Platz für Wünsche und Freiheitsgedanken lässt.

Angesichts dieser inszenatorischen Größe enttäuscht es ein wenig, dass "Das Leben der Anderen" sein Potenzial teilweise verschenkt. Als Geschichte über die Ungerechtigkeit des DDR-Staatsapparates überzeugt der Film voll und ganz und zeigt die Paranoia und Brutalität des Regimes auf. Doch diese Paranoia und Brutalität sind Bestandteile einer jeden Diktatur. Hätte der Film eine Ebene angespielt, auf der diese allgemeine Betrachtung funktionierte, hätte er ein großes Meisterwerk werden können. So jedoch bleibt er bei aller Souveränität und Intensität nur einer von vielen Beiträgen zum Thema DDR und ihre Schrecken. Das ist natürlich wichtig, aber bei weitem nicht so komplex und intelligent, wie es hätte werden können. Und auch der Schlussteil ist eine Spur zu langatmig geraten, die plötzlichen Zeitsprünge über mehrere Jahre hinweg schädigen den Lauf der Handlung eher, auch wenn sie ein versöhnliches Ende bewerkstelligen.

Ob "Das Leben der Anderen" den Auslandsoscar verdient hat - noch dazu, wenn man bedenkt, dass einer seiner Konkurrenten Guillermo del Toros Meisterwerk "Pans Labyrinth" war - ist schwer zu sagen. Ein düsterer, packender und hochdramatischer Film über ein System, das sowohl seine Bürger als auch seine eigenen Helfer zerstört und entmenschlicht, ist er allemal.

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