Wer David Lynch, den berühmt-berüchtigten Meister des Surrealen, einmal von einer ganz anderen Seite erleben will, dem sei dieses Werk von 1980 empfohlen. In diesem frühen Film erzählt er die wahre Geschichte von John Merrick, der in die Geschichte der Medizin eingegangen ist als erstes Untersuchungsobjekt, an dem die Krankheit Elephantitis erforscht wurde. Die fürchterlichen Wucherungen, die seinen gesamten Körper bedeckten, trugen ihm den landläufigen Namen ein, den der Filmtitel wiedergibt: „Der Elefantenmensch".
Mit diesem Werk zeigt Lynch, dass er eine viel größere Bandbreite zu bedienen vermag als die surreal-verstörenden Albtraumfilme, die man üblicherweise von ihm gewohnt ist. Auch wenn die Story an sich und die Entstellung des Hauptcharakters natürlich einen gewissen bizarren Touch aufweisen, erweist sich „Der Elefantenmensch" als tief berührende, emotional komplexe und sensibel inszenierte Erzählung über das Elend dieses Menschen, der im Grunde nicht hauptsächlich unter seiner Krankheit, sondern unter der erbarmungslosen Grausamkeit seiner Mitmenschen leidet. Getragen wird diese Geschichte von den beiden brillanten Hauptdarstellern: Anthony Hopkins als nicht nur von wissenschaftlichem Forschungsdrang, sondern bald auch von tiefer humaner Empathie getriebener Arzt, der seinem Patienten ein Leben in Würde verschaffen will, überzeugt auf ganzer Linie mit seinem zurückhaltenden, aber intensiven Spiel. Und John Hurt vollbringt die Meisterleistung, unter seiner schrecklichen Maske die abgrundtiefe Verzweiflung und zarte Verletzlichkeit John Merricks hervorscheinen zu lassen. Das beginnt mit so kleinen Szenen wie dem nervösen Zurechtrücken seiner Kleider vor einem ersten Gesprächstermin und gipfelt in der herzzerreißenden Szene, wenn er im Bahnhof von einer gaffenden Menge bedrängt wird und in einem Urschrei herausbrüllt: „Ich bin kein Tier! Ich bin ein menschliches Wesen!"
Diese Zeilen verdichten im Grunde die Kernaussage des Films. Der körperlich Entstellte wird als Monstrum und Tier behandelt, dem man keine Gefühle, geschweige denn geistige Fähigkeiten zutraut, während sich all die so genannten gewöhnlichen Menschen als mitleidlose Bestien gerieren, die ihm sein Leben durch Demütigungen, Gewalt und Entmenschlichung zur Hölle machen. Der Kontrast zwischen ruhigen Bildern eines in Kunst und Kultur vertieften Merrick und den grausamen Szenen, in denen Menschen von der Straße sein Elend hemmungslos für ihr widerwärtiges Vergnügen ausnutzen, könnte schärfer nicht sein und dürfte auch den hartgesottensten Zuschauern das eine oder andere Tränchen hervorlocken.
Die ungeheuer fesselnde Intensität des Films geht dabei nicht nur aufs Konto der grandiosen Darsteller, sondern verdankt sich auch der hochgradig professionellen Inszenierung. In elegantesten Schwarz-Weiß-Bildern, mit einer ruhigen Kamera, die einzelne Szenen sich langsam und in aller Gelassenheit entwickeln lässt und doch nie in Langeweile umschlägt, erzeugt „Der Elefantenmensch" von der ersten Szene an eine dichte Atmosphäre, die einen konsequent in ihren Bann zieht. Der nur punktuell einsetzende Soundtrack lässt eine großteils sehr stille Szenerie erstehen, in der sich die menschlichen Tragödien umso intensiver fühlen lassen. Und einzelne eingestreute Passagen, in denen doch wieder ein Hauch Surrealismus in die Geschichte einströmt - metaphorische Bildcollagen mit gruseligen Elefanten etwa - verdichten die emotionale Zerrissenheit der am Leben leidenden Hauptfigur.
Mit „Der Elefantenmensch" hat David Lynch ein Meisterwerk des humanistischen Films geschaffen, das in technischer und formaler Hinsicht annähernd perfekt ist und mit seiner verstörenden Geschichte sowie seiner zutiefst menschlichen Botschaft noch lange über das enorm bewegende Ende hinaus in Aufruhr versetzt. Ein emotional mitreißendes Meisterwerk für die Ewigkeit!