Unter den herausragenden Filmen des David Lynch ist "Der Elefantenmensch" einer derjenigen, dem allgemein immer etwas wenig Beachtung geschenkt wurde. Dabei besitzt dieses Werk so viel Seele und ist so einfühlsam und menschlich wie kein zweites. Und gerade die Frage des "Menschseins" steht hier im Mittelpunkt, denn Hauptprotagonist John Merrick (John Hurt) ist furchtbar deformiert - ein Elefant griff seine Mutter einst in der Schwangerschaft an - und wird im England des 19. Jahrhunderts, stets als "Der Elefantenmensch" angekündigt, auf Jahrmärkten zur Schau gestellt. Von seinem "Besitzer" behandelt wie ein Stück Dreck, mit dem sich Geld verdienen lässt, vegetiert John Merrick in seinem nicht menschenwürdigen Dasein vor sich hin, ehe der Arzt Frederick Treves (Anthony Hopkins) ihn in seine Obhut nimmt.
David Lynch erzählt hier das auf einer wahren Begebenheit basierende Schicksal John Merricks auf eine insgesamt äußerst berührende, aber auch geschickte Weise. Denn zunächst wird uns ein Blick auf Johns deformierte Gestalt nicht gestattet, höchstens angedeutet. So wird das Schaffen eines Bildes seiner Gestalt erst einmal Aufgabe unserer Fantasie. Angesichts des Versteckens in dunklen Ecken und unter einhüllender Kleidung, der Diskriminierungen und der Vorführung in einer mit vielen Medizinern gefüllten Vorlesung, bei dem Dr. Treves alle Abnormalitäten aufzählt (eine ungeheuere Anzahl), John aber selber hinter einem Vorhang verdeckt bleibt, entfachen bei uns gezwungenermaßen Spannung, Unheimlichkeit und zugleich die schlimmsten, nur vorstellbaren Erwartungen, das Aussehen dieses Menschen betreffend. Das Geheimnis lüftet David Lynch alsbald und hat nun mit seiner bisherigen Darstellung des John Merricks in der Einführung genau das beim Zuschauer erreicht, was er wollte - Angst und Ekel.
Nun, aus dieser Ausgangssituation heraus setzt Lynch es sich zum Ziel, uns zu bekehren; und dies gelingt ihm auch. Denn spätestens als John Merrick zu sprechen beginnt, entdecken auch wir das Menschliche in ihm, freuen uns unvorstellbar für ihn, als er in Frederick langsam aber sicher einen wahren Freund gefunden zu haben scheint, leiden aber nun auch umso mehr mit ihm, als er misshandelt wird. John Merrick wächst einem so an Herz, dass man förmlich in Ärger verfällt, wenn er von der kalten, oberflächlichen High Society Englands nur ausgenutzt wird, weil diese sich ihr Ansehen aufpolieren will, denn es ist ja "In", den Elefantenmenschen kennen gelernt zu haben. Ebenso verhält es sich, wenn John von einigen Personen immer noch als Scheusal oder "Es" bezeichnet wird.
Wir haben den vom Schicksal arg gebeutelten Menschen einfach lieb gewonnen und würden am liebsten in Tränen ausbrechen, wenn er es tut. Hinter all dem versteckte David Lynch nicht nur die Thematik des behinderten Menschen, sondern auch die der allgegenwärtigen Rassenproblematik. Ein Bindemittel ist dabei immer die Aufforderung, den Menschen nach seinem Inneren zu bewerten - eine Weisheit, die oftmals nur oberflächlich dahergesagt wird; hier aber kommt sie von Herzen.
"Der Elefantenmensch" ist deshalb wohl eines der wichtigsten Werke David Lynchs und zuletzt nicht nur durch die fabulösen darstellerischen Leistungen von John Hurt und Anthony Hopkins eines mit einer sehr ersichtlich konsequenten Aussage, was bei Herrn Lynch augenscheinlich ja nicht immer der Fall ist.