Eher untypisch für den Stil eines David Lynchs, den wir heute anhand der Gesamtheit seiner Werke kennen ist der Elefantenmensch. Hier verzichtete er auf surreale Begebenheiten, abstrakte, wirre Geschichten und schräge Dialoge, nur um ein straffes, berührendes Drama nach einer wahren Begebenheit zu verfilmen – und das gelingt ihm wahrhaft meisterlich.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt der Hospitalarzt Dr. Treves (einfühlsam: Anthony Hopkins) in einer Art Zirkus oder besser: Freakshow einen entsetzlich entstellten Mann, der scheinbar wider Willen vom Besitzer dort zur Schau gestellt wird. Dabei bekennt sich John Merrick jedoch keineswegs zu seinem äußeren und versucht erst recht nicht, Kapital aus der Sache zu schlagen – schüchtern verbirgt er sich in dem, was ihm in der düsteren Hinterhof-Manege bleibt, unter dem Existenzminimum vor sich hinvegetierend. Dr. Treves erkennt die fatale gesundheitliche Situation des Elefantenmensches und bringt ihn in sein Krankenhaus. Dort gelingt es dem Arzt und einer Krankenschwester nur zögerlich und langsam, eine Beziehung zu John aufzubauen, da diesem das Sprechen sehr schwer fällt und er durch seine Deformierung auch ansonsten sehr eingeschränkt ist. Doch das Umfeld des Kranken bleibt nicht lange stabil – die Menschen um das Krankenhaus missachten und misshandeln ihn, und schließlich tritt auch sein vormaliger „Besitzer“ aus dem Zirkus wieder auf den Plan und entführt ihn...
Die Botschaft des Filmes ist klar – mit dem nötigen Ernst, aber professionell ohne streng erhobenen Zeigefinger plädiert Lynch an das Vorbeisehen an der äußeren Hülle und das Beurteilen eines Menschen nach inneren Werten. Sehr intensiv gespielt kommt dieser Anspruch am deutlichsten rüber, als John (wirklich genial gespielt von John Hurt, auch wenn er natürlich nicht zu erkennen ist) in einer Bahnstation von Menschen umringt und bedrängt wird, als ekelhafte Sensation von Schaulustigen umher gestoßen wird und laut ausruft:
„Ich bin kein Tier! Ich bin ein menschliches Wesen!“
...woraufhin sich der Mob schweigend zurückzieht. Die Botschaft wird zudem noch verhärtet durch die desperate, ausweglose Situation, die John keine Chance auf Besserung verspricht, metaphorisch begleitet zum Beispiel durch seine Modellkirche, die vom Mob zerstört wird oder die Schlusssätze des Arztes im Dialog mit der Krankenschwester, in denen laut wird, dass John keine Chancen aufs Überleben mehr gegeben werden. Im Film stirbt er jedoch nicht, obwohl auch der Film dem Zuschauer diese Tatsache vergewissern möchte – wohl aber mit der Aussage, dass John zwar an körperlichen Leiden zugrunde geht, doch das Ende seines Lebens darauf zurückzuführen ist, dass er in dieser Gesellschaft niemals Fuß fassen kann. Das Stilelement des Schwarz/Weiß – Filmens ist etwas gewagt eingesetzt für einen Film von 1980, doch es tut dem Drama keinen Abbruch, es verstärkt sogar den ein oder anderen düsteren Ausdruck gewisser Schauplätze. Zugegeben, ich habe den Film nur einmal gesehen, es gibt leider (noch) keine deutsche DVD - Veröffentlichung des Elefantenmenschen, und selbst diese einzige Begegnung mit dem Stoff ist schon wieder etwa 3 Jahre her – und dennoch ist mir der Film mit ungewöhnlich vielen Details im Gedächtnis geblieben. Eben, weil es sich um ein visuelles, expressionistisches Meisterwerk oberster Güte handelt, dass nicht nur durch Drama überzeugen kann und auch nicht absichtlich auf die Tränendrüse drücken möchte – auch wenn es am Ende unvermeidbar ist.