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Frank (Michael Patrick Carter) stürzt sich in Taschengeld mit seinen beiden Kumpels ins große Abenteuer – die nahegelegene Stadt, wo sie eine Prostituierte suchen wollen, die ihnen für Geld die Brüste zeigt. Der deutsche Verleihtitel vernichtet die Mehrdeutigkeit des Originals Milk Money. Die noch nicht in der Pubertät angelangten Kids sammeln eigentlich das Milchgeld der Mitschüler, als sie ihnen Hab und Gut verschachern.
Die einleitende Baumhaus-Szene, in der die Planung des Trips abläuft, verrät schon sehr viel über das, was in Taschengeld noch passieren soll.
Die auf die Zeltplane treffenden Lichtkegel der Taschenlampen sehen wie Busen aus? Irgendwie blendet das auf den frommen Wunsch der drei Kids über, doch endlich mal Möpse aus der greifbaren Nähe beobachten zu können.

Eigentlich packte man gerade eine Kiste, in die Dinge gelegt werden sollten, mit denen sich die Kinder später auseinander setzen wollten, wenn sie diese besser verstehen können. Auffällig ist in Taschengeld von vornherein der kleine Frank, der nicht nur den Sinn eines Diaphragmas erklären kann, sondern selbst ein Photo seiner Mutter hinzufügt. Da diese bei seiner Geburt verstorben ist, hat er sie nie kennengelernt.
Wissen zu wollen, wie es ist eine Mutter zu haben, das ist ein Leitsatz des Films. Während sich seine Kumpane in Taschengeld um die wohlgeformten Milchpackungen der Frauen sorgen, wurde Frank das lebensspendende Getränk nie in dieser Form gereicht. Deshalb fällt sein Interesse der Trägerin einer derartigen Milch-Bar deutlich mehr zu, als der Ausschank-Armatur.

Aus Sicht von Frank fällt der Fokus deshalb von den Gaunereien und treffsicheren Willkürlichkeiten ab, die für die präzise Manipulationsmechanik in Taschengeld sorgen. Die Hure V (Melanie Griffith) zu treffen ist ihm ein glücklicher Zufall. Er hält sich bei Ausführung des Deals die Augen zu und so ist es auch Frank, den V als letztes nach Hause fährt, als die Fahrräder der Jungs (natürlich) abhanden gekommen sind.

Frank hebt sich in seinen Gedankengängen offenbar von den latent misogynen Zügen seiner Freunde ab. Diese halten von V, welche sie letztlich ja auch benutzen, nicht viel anderes als ihr Zuhälter, der verkündet, seine Kokotte sei eine Slot Machine.
Der Wagen, aus dem Besitz des Luden entwendet, gibt den Geist auf. V hat an dieser Stelle in Taschengeld ihren inneren Konflikt zum größten Teil ausgefochten. Sie zieht in Franks Baumhaus und verhilft dem Kleinen zu ein paar Bonuspunkten bei den Mitschülern, zum Beispiel als sie zum Anschauungsobjekt seines Bio-Vortrags wird.
Taschengeld lebt aber nicht ausschließlich von den harmlosen Späßen oder dem in die unberührte Vorstadt fingernden Bösen, welches V verfolgt.

Während man in den USA trotz nicht vorhandener Nacktszenen allein die sexuellen Bezüge für ein PG-13 Rating ausreichend empfand und sich weltweit die Altersfreigaben im Bereich 11-18 Jahren bewegen, läuft Taschengeld in Deutschland mit einer FSK 6. Das ist schon irgendwie fragwürdig, stützt sich letztlich jedoch auf inhaltlich dargebotene Erkenntnisse, die einen naiven, aber positiven Beiklang haben.
Frank stellt V seinem Dad (Ed Harris) als Mathematik-Nachilfelehrerin vor. Sein Vater ist ein Sonderling, der sich neben seinem Lehrberuf für den Erhalt eines Feuchtgebietes einsetzt. Frank hat einerseits Angst, daß sein Erzeuger V ablehnen könnte, wenn er von ihrer Profession erfährt, andererseits wünscht er sich aus dem entstandenen freundschaftlichen Verhältnis zu V, daß die beiden ein Paar werden, weil normale Frauen mit seinem Dad nichts anfangen könnten.

In Taschengeld ist diese Situation nicht nur wie geschaffen für Mißverständnisse und Wortspiele. Während die Kinder eine Stand By Me Variante der Paradigmen eines Streifens wie L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn durchleben, ist Taschengeld für Franks Dad eine Art Gegenentwurf zu Pretty Woman. Richard Gere buchte eine Dirne, um sich in ihrem Zauber zu verfangen. In Taschengeld weiß der Vater eben nicht, daß es sich um ein Freudenmädchen handelt. Deshalb kann er V vorurteilsfrei kennenlernen. Erst später muß er entscheiden, ob die Sexarbeit eine Wertigkeit des Menschen beeinflußt.

John Mattsons Drehbuch wurde 1995 für eine goldenen Himbeere nominiert. Regisseur Richard Benjamin findet in der ruppig die kitschigen Fäden in die gewüschte Richtung klöppelnden Arbeit genug Ansätze, um in Taschengeld ein unnötig verkompliziertes Hin und Her zu einem Ende zu zwingen. Als Zuschauer verlässt man den Saal zwar mit einem Fragezeichen im Gesicht bezüglich dessen, was man gerade gesehen hat. Dennoch fühlt man sich irgendwie wohl.
Das ist wohl die geheime Stärke eines Films wie Taschengeld, den ich zugegeben als deutsche Synchronfassung nicht ganz so überzeugend in Erinnerung habe. Was sich mir diesmal in der amerikanischen Originalfassung offenbarte: Die Geschichte um die von präpubertären Strolchen und ihrer Metze aufgewühlte, suburbane Idylle verbirgt subversiven Humanismus.

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