"Lucky Number Slevin" ist so ziemlich der Beweis dafür, dass Verleiher das Potenzial so mancher Filme nicht erblicken. Denn während stets irgendwelche unterirdischen Produktionen in den Kinos laufen, weil man denkt, damit ließe sich ordentlich Geld einspielen (was ja leider dann oft auch der Fall ist), erscheinen andere, meist kleinere Produktionen direkt auf dem Heimmarkt, die es verdient hätten, auf der großen Leinwand zu laufen. Dieser Film ist genauso ein Fall, dessen Abstinenz in den deutschen Kinos stets mit Kopfschütteln bedacht wird.
Die Story: Slevin Kelevra (Josh Hartnett) ist schon ein armer Kerl. Job weg, Freundin weg, auf offener Straße überfallen und um die Brieftasche erleichtert, wird er für seinen Kumpel Nick Fisher gehalten und von zwei Obergangstern (Morgan Freeman, Ben Kingsley) einbestellt, die Geld von ihm wollen. Der eine will den Tod seines Sohnes rächen, den der andere auf dem Gewissen haben soll und beauftragt Slevin wiederum dessen Sohn zu töten. Nebenbei spielt noch ein abgeklärter Profikiller namens Mr. Goodkat (Bruce Willis) mit...
Auch wenn die Inspirationsquellen auszumachen sind, schafft es Regisseur Paul McGuigan einen eigenständigen Film zu erzählen, der nicht wie die Kopie eines anderen Films daherkommt. Dies ist vor allem dem abgefahrenen Drehbuch von Jason Smilovic zu verdanken.
Nach einer bedrückenden Eingangssequenz, die eine Familie zeigt, deren Vater beim Wetten auf ein Pferd verlieht und die daher mit dem Leben bezahlen muss, fragt man sich, was das ganze überhaupt sollte, denn die nachfolgenden 60 Minuten drehen sich gar nicht mehr darum. Der Film startet ungemein locker und witzig. Es macht eine Menge Spaß zu sehen, wie Slevin mitten in eine große Verwechslung kommt. Tolle Situationskomik und geniale Sprüche bestimmen das Bild, das McGuigan mit gewitzten Kameraschwenks und Schnitten einfängt. Mit der Figur der Lindsey (Lucy Liu), Fishers quirlige Nachbarin, bekommt der Film teilweise auch eine Federleichtigkeit, die den Anfang vergessen lässt.
Erst nach gut einer Stunde, wenn sich das Bild langsam dreht, bekommt man mit, wie genial die Macher die Protagonisten, aber vor allem den Zuschauer selbst auf die falsche Fährte gelockt haben. Wie ein kleinen Puzzle ergibt sich mit jeder neuen Szene ein Gesamtbild, das von Wendungen im Minutentakt dominiert wird. Die Pointe am Ende soll hier nicht verraten werden, die meisten kennen die Film ohnehin, das Schöne aber ist, dass sich das Ende so gut zum einem Ganzen zusammenfügt, dass man mal nicht in Logiklöcher reinfällt und sich fragt, was das ganze sollte. Gut, an einer Stelle wirkt der Film ein wenig zynisch, dies betrifft den wirklichen Nick Fisher, aber ansonsten trifft das Ende voll ins Schwarze. Eigentlich ist die Auflösung der ganzen Geschichte recht simpel, aber sie funktioniert so gut. Das Schöne am Ende ist auch, dass der Film nach einmaligen Ansehen nicht langweilig wird. Man kann sich "Lucky Number Slevin" immer wieder anschauen, insbesondere weil Dialoge, die Musik und die Inszenierung stimmen.
Großen Anteil daran haben auch die Schauspieler. Josh Hartnett agiert (scheinbar) wie sonst, nur um dann zu verblüffen, eine überaus geschickte Rollenwahl. Daneben dürfen die Herren Freeman und Kingsley aus ihren Rollen viel herausholen. Die Szene, in der die beiden gezwungenermaßen miteinander reden, ist große Schauspielkunst. Die süße Lucy Liu bringt viel Abwechslung in die Geschichte, ist sie doch die einzige, die nicht mit falschen Karten spielt. Bruce Willis ist als lakonischer Killer natürlich eine Idealbesetzung. Der Mann muss nicht viel reden im Film, sein cooler Blick reicht vollkommen aus.
Bei der Menge an bekannten Darstellern verwundert es umso mehr, dass der Film damals keinen Kinoverleih fand.
Fazit: Paul McGuigan schuf mit "Lucky Number Slevin" einen der originellsten Filme des letzten Jahrzehnts. Abgesehen von einigen kleinen Mängeln schlägt der Film ein wie eine Bombe .