Ach ja, Columbo. Erinnern Sie sich noch?
Der gute Inspektor mit seinem zerknautscht anmutenden Äußeren, seiner unerschütterlichen Ruhe und seiner legendären Eine-Frage-hätte-ich-da-noch-Kehrtwende.
Was war das doch immer schön, ihm dabei zuzuschauen, wie er die Mörder, die sich immer aus den Reichen und Mächtigen rekrutierten, schwitzen ließ, sie unbeirrt in die Ecke trieb.
Das war sogar dermaßen schön, dass es auch vollkommen egal war, dass man als Zuschauer den Mörder gleich zu Beginn der Folge zu sehen bekam, im Gegenteil, bei „Columbo“ war stets der Weg das Ziel, das entspannte Hinarbeiten auf die Lösung bei gleichzeitigem Beobachten der immer nervöser werdenden Übeltäter.
Und, wenn Sie sich das mal gemeinsam mit mir aus diesem Winkel betrachten, lieber Leser, ist „Lucky # Slevin“ eine der schönsten „Columbo“-Hommagen überhaupt.
Hier haben wir ihn, den ungekämmt und schludrig wirkenden Helden, der selbst im schlimmsten Schlamassel eine unglaubliche Ruhe und Lässigkeit an den Tag legt, was uns von ihm selbst charmant als Ataraxie verkauft wird.
Hier haben wir sie, die nervlich bis zum Zerreißen angespannten Bösewichte, wie bei „Columbo“ wohlbetucht, über die Laufzeit immer nervöser werdend.
Und hier haben wir sie auch, die nahezu transparente Geschichte, die das Interesse des Zuschauers mehr auf das „Wie“ als auf das „Wer“ lenkt. Denn obwohl man nicht gleich „den Mörder“ zu Gesicht bekommt, spielt die Auflösung eigentlich keine große Rolle.
Die Zusammenhänge sind nach kurzer Zeit im Groben klar, das Finale inklusive aller Details mehr ein Bonus, den man dankend im Vorübergehen annimmt.
Was hier wirklich einnimmt und fesselt, das ist die Inszenierung, das sind die geschmeidigen Abläufe, die wie beim Vorbild langsam auf den Höhepunkt zuschlendern. Sollen doch andere hetzen.
Und wenn man schon die Zeit hat, die man sonst fürs Herumrätseln aufbrächte, kann man sich auf die skurrilen Details dieses Films einlassen. Auf die mit „eigenwillig“ nur unzureichend beschriebenen Tapeten. Auf die Dialoge, die wie ein Wellenbad hin- und herbranden. Auf Figuren wie den Killer Goodkat, die beiden Gangsterbosse in ihren Elfenbeintürmen oder die Hauptfigur Slevin Kelevra, die immer so ungemein gelassen bleibt, was sich zwangsläufig auf den Zuschauer überträgt. Mord und Totschlag allerorten, aber schaun mer mal, das wird schon.
Deshalb kann es sich Regisseur McGuigan auch erlauben, mitten im Film drastische Veränderungen im Ton anzuschlagen, da biegt der fröhliche Pulp-Fiction-Bus plötzlich in eine ganz finstere Gegend ab. Das kann irritierend wirken. Wohl dem, der sich bis hier in Zuschauer-Ataraxie ergangen hat, er wird McGuigan auch diesen „Stilbruch“ abkaufen. Es lohnt sich, denn besagter Stilbruch führt uns zu ernsten Themen wie Rache, Vergebung und familiärer Bindung. Themen, die im zeitgenössischen Gangsterthriller wie Fremdkörper anmuten mögen, was aber weniger „Slevin“ anzukreiden ist als vielmehr einiges über den traurigen Zustand des Genres in der Post-Pulp-Fiction-Ära aussagt. Ungefilterte, nicht durch Ironie gebrochene Gewalt auf der einen, beschwingt inszeniertes Gangstervergnügen auf der anderen Seite – der Balanceakt ist schwierig, wird aber (stil-)sicher zu Ende geführt. Und wo steht schon geschrieben, dass alles nach Schema F ablaufen muss?
Deshalb bleibt mir nur, Ihnen, lieber Leser, zu sagen, dass wir es hier mit einem lässig gleitenden Thriller inklusive hübsch-hässlichem Produktionsdesign und großartigen Schauspielerleistungen zu tun haben, der bei allem Augenzwinkern auch noch eine Prise düsteren Rachekinos unterzubringen weiß. Als hätte Shane Black „Yojimbo“ gedreht. Oder Tarantino eine „Columbo“-Folge inszeniert.
Ja, ich denke, der Fall ist gelöst: Es handelt sich um gute Unterhaltung! Auf Wiedersehen.
Ach, warten Sie mal, fast hätte ich es vergessen: Dass es hier ständig Eine-Frage-hätte-ich-da-noch-Kehrtwenden zu sehen gibt, versteht sich wohl von selbst.