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Lucky Number Slevin hat das gleiche unverdiente Schicksal ereilt wie Das Ende - Aussault on Precinct 13 und Edison. Alle drei haben im Prinzip alles, was einen guten Film ausmacht: eine gut durchdachte und spannende Handlung, ordentliche Kulissen, die passende Atmosphäre und eine Handvoll bekannter Gesichter, die zweifellos als Kassenmagnete taugen würden. Doch - sie haben keine Kinoauswertung bekommen, um dieses Potential der Kassenmagnete auschöpfen zu können, sondern wurden hierzulande gleich per DVD auf den Markt gebracht. Anscheinend sieht man lukrative, aber inhaltlich seelenlose Blockbuster der Sorte Superman Returns, Eragon oder Sakrileg als eine sicherere Geldquelle an als solche feinen Filmchen, die nur auf den ersten Blick unscheinbar wirken. Wie dem auch sei. Denn mit Lucky Number Slevin hat man eine weitere Chance in den Wind geschossen, ein paar Euros mehr an den Kinokassen zu verdienen. Dabei wäre ein solcher Film in Zeiten des Tarantino-Booms todsicher in die deutschen Lichtspielhäuser gekommen, um auf den Trendzug noch mit aufzusteigen.

Für Slevin (Josh Hartnett) scheint alles schief zu laufen: Erst wird sein Mietshaus evakuiert, dann klaut man ihm den Ausweis, und zu guter Letzt erwischt er seine Freundin beim Fremd gehen. Um dem Chaos zu entfliehen, fliegt Slevin zu seinem Kumpel Nick nach New York. Doch der vermeintlich zurückgelassene Albtraum geht weiter und entwickelt sich zum Horrortrip! Während Slevin in Nicks Wohnung auf ihn wartet, stehen auf einmal zwei finstere Gestalten vor der Tür. Trotz heftiger Proteste sehen sie in Slevin ihren Mann und nehmen ihn einfach mit. Nie hatte er seinen Ausweis nötiger gehabt. Sie bringen ihn zum "Boss" (Morgan Freeman), der, im Glauben, mit Nick zu sprechen, Slevin vor die Wahl stellt: Entweder er wird getötet - oder er ermordet den Sohn des Intimfeindes "Der Rabbi" (Ben Kingsley) vom Boss...

Selten hat man Josh Hartnett (Sin City) in besserer Spiellaune erlebt, weshalb er hier eine seiner besten Leistungen abliefert, mit dem er sich weiter von seinem einstigen Sunnyboy-Image distanzieren kann. Mit verprügeltem Gesicht und der nötigen Charakterdarstellung bewegt er sich mühelos durch das lokale Geschehen. Ein weiterer Trumpf im Ärmel von Lucky Number Slevin ist natürlich Bruce Willis (Pulp Fiction), der sich nach Fehlschlägen wie Tränen der Sonne wieder an die Spitze zurück gekämpft hat und demnächst zum vierten Mal in seiner Paraderolle John McClane zu erleben ist. Gewohnt souverän agiert er in bester Keine halben Sachen- und Der Schakal-Manier als Hitman mit geschliffenen Dialogen. Die hat aber auch Morgan Freeman (Sieben) auf Lager und beweißt erneut, warum er derzeit zu Hollywoods Spitzendarstellern gehört. Nach filmischen Griffen ins Klo wie BloodRayne und A Sound of Thunder darf man Sir Ben Kingsley (Schindlers Liste) wieder in einer würdigeren Rolle sehen, die er auch problemlos abwickeln und gemeinsam mit Freeman und Willis den Streifen zusätzlich veredeln kann. Als weiblichen Love Interest darf man sich diesmal an Lucy Liu (Kill Bill: Vol.1) erfreuen, die Nicks geschwätzige Freundin mimt und auch ansonsten in Ordnung geht. Auch Stanley Tucci (Road to Perdition) spult seinen Part solide runter, hinterlässt aber im Gegensatz zu den grad genannten Darstellern kaum Eindruck. Über den Nebencast wie Mykelti Williamson (Heat), Robert Forster (Jackie Brown) oder Danny Aiello (Leon - Der Profi) kann man auch nicht meckern.

Obwohl Lucky Number Slevin nicht in erster Linie auf Action setzt, so hält der Film ein paar knackige Sequenzen parat. Unter anderem wird eine Zielperson per Baseball ins Auge beseitigt, was man aus der Sichtweise der besagten Person erlebt, hier und da gibt es ein paar mittelblutige Erschießungen und Bruce Willis erledigt im John Woo-Style zwei Bodyguards, die einfach so durch eine Apartmentwand brechen. Doch stets dient die Action nur als Mittel zum Zweck und nicht als reiner Lückenfüller, um storytechnische Schwächen zu kaschieren.

Das hat der Film angesichts seiner ordentlich durchdachten Storyline auch überhaupt nicht nötig. Denn die Handlung wartet mit ein paar originellen Wendungen, einer enorm dichten Atmosphäre und unterschiedlichen Schausplätzen auf. Allein die Sequenzen, in denen von Freemans Quartier in das gegenüberligende Headquarter von Kingsley gefahren wird und anders herum, zeugen von der fähigen Kameraführung, die durch den ganzen Film hinweg beibehalten werden kann. Regisseur Paul McGuigan (Gangster No.1), bis Dato ein eher unbeschriebenes Blatt, weiß worauf es ankommt, offenbart dem Zuschauer erst nach und nach die wahren Hintergründe der Geschichte, die man sich als erfahrener Film- und Genrekenner allerdings aus der zu Beginn von Willis erzählten Story zusammenreimen kann, sobald Hartnett und Willis den Sohn vom "Rabbi" abgemurkst haben.

Zusätzlich wird das Filmablauf noch mit einer Reihe von kultverdächtigen Dialogen garniert, und in Rückblendungen werden Handlungselemente überraschend offengelegt, die man vorher halt als Tatsachen hingenommen hat. Somit fügt sich im grandiosen Finale alles zu einem finsteren Revenge-Plot zusammen, der im Vorfeld durch einige schwarzhumorige Aspekte aufgelockert wurde, als man als Zuschauer noch größtenteils im Ungewissen war. Das tolle Finale hat es aber nicht zuletzt aufgrund Hartnetts fast schon diabolischen Performance als Racheengel in sich, der auf seine Weise der Gerechtigkeit genüge tut.

Ohne weiteres kann man Lucky Number Slevin zwischen Kollegen wie Der Blutige Pfad Gottes, Sin City oder Kill Bill einreihen, auch wenn ihm durch die fehldende Kinoauswertung der bisher verdiente Ruhm und Kultstatus vorenthalten blieb. Doch ich bin mir todsicher, dass die bisher überwiegend positiven Reaktionen der DTV-Veröffentlichung mehr oder weniger für Abhilfe schaffen werden. Verdient hätte es der Streifen auf jeden Fall!

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