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Wie kennen das Szenario: The worst case. Job weg, Frau und Wohnung verloren und zum allem Überfluss wird Slevin (Josh Hartnett) auf der Straße ausgeraubt. Die Nase geht dabei zu Bruch. Das Drama nimmt kein Ende. Angekommen bei seiner letzten Hoffnung, seinem Freund Nick, muss er feststellen, dass dieser gar nicht anwesend ist und er schon bald zwischen drei ungemütlichen Fronten stehen muss. Die Gangster, "der Boss" (Morgan Freeman) und "der Rabbi" (Ben Kingsley) wollen ihr Geld wieder haben. Die Schläger der beiden Parteien machen das Slevin, der für Nick gehalten wird, auch eindrücklich klar. Der Protagonist muss für seinen verschwundenen Freund gerade stehen. Die angebotenen Alternativen sind wie Pest und Cholera - die Wahl zwischen dem Tod, den eigenen oder einen Auftragsmord, quasi als Schuldentilgung. Die Cops sehen in Slevin dann noch eine neue große Nummer, die mit beiden Gangstern im Boot sitzt. Sie heften sich als dritte Last an seine Fersen. "Lucky # Slevin" klingt in diesem Zusammenhang wie pure Ironie.

Dass der Film aber dann letztendlich völlig andere Bahnen einschlägt deutet schon ein interessanter Prolog an. Look closer.

Wir sehen ein altbekanntes Gesicht in einem nahezu leeren Raum am Flughafen - Bruce Willis. Er erzählt die Geschichte von einem Mann, der durch einen Insidertipp beim Wetten alles verloren hat. Die Story klingt unfassbar. So unglaublich, dass er die Aufmerksamkeit des Zuhörers hat. Willis benennt die Geschichte nach einem Trickspielzug im American Football, den "Kansas City Shuffle". Was ist das, fragt auch der Zuhörer. Er wird es sehen, wenn der Killer seine Identität offenbart und ihm das Genick bricht. Danach folgt der Schnitt zur Grundstory.

Wo ist der Zusammenhang? "Lucky # Slevin" ist trickreicher, als man es im ersten Moment annimmt. Zunächst steht man konsterniert vor zwei Handlungsbrocken, die wenig Sinn ergeben. Der Coup folgt erst am Ende, als sich die Facetten des Films manifestieren. Das Blatt wendet sich häufig zwischen Gangsterballade und Drama - und funktioniert auch in dieser zwiespältigen Rolle. Der eher unbekannte Regisseur Paul McGuigan fintiert, legt falsche Fährten, um im Endeffekt einen großen Knall zu erzeugen. Man hört die Protagonisten über James Bond lässig sinnieren und saugt die lockeren Sprüche im Kontext einer lockeren Atmosphäre auf. Als sich jedoch der Sinn des Horrortags herauskristallisiert schwenkt man emotional genau in dieselbe dramaturgische Richtung, wie der Film selbst. Es funktioniert auf beiden Ebenen. Die Schnitte stimmen und fügen die Szenen gut zusammen. Wir sehen oftmals das Resultat einer Aktion und erhalten die Geschehnisse im Rückblick in Erzählform visualisiert. Naiv hält man an dem Gerüst fest und ignoriert die Künstlichkeit der Bilder. Erzählen kann man viel, die filmische Wahrheit sehen wir eigentlich nur in den Resultaten. Was dahinter steckt ist größer als die Erwartungshaltung, zumindest gelingt es die große Verbindung und Wahrheit lange geheim zu halten. Eine Ballade wird schnell dramatisch, wenn alle ihre Masken ablegen.

Unabhängig von den inhaltlich inszenatorischen Finessen erlebt man schlichtweg großes Ensemblekino. Paul McGuigan konnte für sein Projekt wahre Schauspielgrößen gewinnen. Bruce Willis spielt einen Killer, der zwischen Kälte und Wärme taumelt, meist professionell wirkt und sich dann doch zu einem für ihn markanten Lächeln hinreißen lässt. Die Rolle ist ihm ins Gesicht geschnitten. Der vom Schicksal gebeutelte Slevin findet in Josh Hartnett die passende Hülse. Die Gleichgültigkeit und Lässigkeit, wie er mit dem Horrorszenario umgeht stehen im glaubwürdigen Einklang mit der Ernsthaftigkeit, die sein Handeln in Gestik und Mimik widerspiegelt. Als Boss und Rabbi liefern sich Morgan Freeman und Ben Kingsley ein Duell auf hoher Ebene, frei von Klischees. Freeman versteht es wieder einmal seine markante, stoische Ruhe auf eine für ihn an sich ungewohnte Rolle zu projizieren. Lucy Liu ist an der Seite von Hartnett die charismatische Stütze, um das Drama zu bewältigen.

Auf diesem Niveau lässt man sich gerne hinter das Licht führen und nimmt den die Verwirrung und Täuschung mit Genuss zur Kenntnis. Die Darsteller bieten genug Identifikation, um die Gangsterballade dramatisch werden zu lassen. Paul McGuigan gelingt mit "Lucky # Slevin" ein lang ersehntes Referenzwerk, das inszenatorisch und inhaltlich zu überzeugen weiß. Mehr wäre zu viel des Guten, man muss den Film sehen, um die Wirrungen vollständig entwirren zu lassen. (8,5/10)

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