Der alternde Agent Cross [ Burt Lancaster ] soll vom Arbeitgeber CIA liquidiert werden, da in ihm ein Überläufer vermutet wird. Sein eigener junger Mitarbeiter und Schützling Jean Laurin [ Alain Delon ], genannt „Scorpio“, soll den Auftrag erledigen...
Michael Winners Scorpio benutzt zwar Elemente und vor allem auch die Welt der Spionagefilme, ist allerdings einer über Killer; bezeichnend dafür ist nicht nur die Konfrontation zweier Vertreter davon, sondern die allgemeine Grundhaltung des Filmes. Politik wird nicht mehr mit diplomatischen Mitteln gemacht, sondern mit dem Ausschalten der Gegner; keine der zahlreichen Parteien zieht die Verhandlungsbasis als Option überhaupt in Erwägung. Suchen nicht das Gespräch, sondern die schnelle Lösung. Der antifaschistische Widerstandskampf sowie der Stalinismus der Jahre davor ist vom Tisch; ein Attentat steht am Anfang des Filmes und durchzieht in mehreren Varianten seinen Querschnitt. Um auch am Ende die Toten zu finden.
Dabei steht der Film in der Tradition gleich mehrerer Werke und entstand zu einer Zeit, in der er beileibe nicht der einzige seiner Zunft war; aber Konkurrenz belebt ja bekanntermassen das Geschäft. Auffallend ist dabei vor allem die gleich mehrfache Anlehnung an die Arbeiten von Jacques Deray:
Die Haut des Anderen [ 1966 ] zeichnet in einer etwas verkomplizierten Weise den Auftrag eines französischen Agenten nach, der einen befreundeten Kontaktmann wegen der verdächtigen Doppelspionage mit den Russen überwachen soll. Schauplatz in dem Kampf unterschiedlicher Spionageorganisationen plus dem Gewissenskonflikt der Individuen übrigens wie hier auch Wien.
Deray hat auch 1 Jahr vor Michael Winner mit Brutale Schatten bereits die Hetzjagd eines Killers durch einen anderen erzählt und damit auch schon die Geschichte von jemanden, der von seinem Job durch einen Kollegen selbst auf die Abschussliste gesetzt ist gleich mit.
Nicht die schlechtesten Vorgänger; Scorpio vermeidet also nicht das Spiel mit bekannten Themen, aber bleibt dann doch eigenständig genug, um sich mit eigener Klasse in den Vordergrund zu bringen.
Auch hier lebt man vor allem durch das Zusammenspiel der beiden ebenbürtigen Gegner, von denen der Eine zwar reifer und weiser ist, aber der Andere die alten Methoden mit Schnelligkeit und neuen Mitteln nutzt. Beide kennen sich auch gegenseitig, haben bereits mehrmals miteinander zusammengearbeitet und verstehen sich mittlerweile im Voraus blind. Sie wissen, wie der andere vorgeht, können seine Gedanken erahnen und haben sich mit eigenen Augen von dessen Fähigkeit überzeugt. Der Respekt und die Achtung voreinander ist da.
Keine Furcht, da man sich selber für ausgezeichnet in dem Metier hält und dies mehrere Male unter Beweis gestellt hat.
Auch der Zuschauer kann sich davon überzeugen; zumindest der Skorpion darf seinen Auftrag vor der Kamera vollziehen, bei Cross reicht es schon, ihn einfach so zu sehen.
Paris ist Ausgangspunkt des Filmes, aber nicht der Geschichte [ weswegen man den Eifelturm ruhig vom Cover nehmen kann ]:
Auf dem Flughafen wird ein Ministerpräsident aus dem Nahen Osten mitsamt seinem russischen Beraterstab umgebracht, die Polizei durch ein Ablenkungsmanöver verwirrt und dann mit Präzision das Ziel erledigt.
Winners Inszenierung dieses Hits hebt die Arbeit des Franzosen deutlich hervor; während in einer Art Nachrichtensendung gezeigt wird, wieviel Hektik durch die ersten Schüsse ausbricht und alle Beteiligten in Panik verfallen, bleibt der Killer seelenruhig, wartet und drückt einfach nur ab. Diese Sequenz wechselt in den entscheidenden Details auch von Farbe zu schwarz / weiss und streicht dadurch noch den Unterschied zwischen dem Profi und den anderen heraus.
Ein derartiges Element in der Regie erfolgt nicht mehr, im Folgenden wird sich um eine simple, aber effektive Handlungsführung bemüht. Die oftmalige Kargheit der Szenerie lenkt die Konzentration erst einmal strikt auf die Figuren, um sie nach der Flucht von Cross mehr und mehr in die österreichische Metropole eintauchen zu lassen. Dort positioniert man sie in, vor und auf markanten Standorten und gliedert die Stadt anders als vorher Paris oder Washington in die Erzählung mit ein; ähnlich, aber lange nicht so allumgreifend wie bei Der Dritte Mann. Ausgeprägt wird die Szenerie vor allem mit späteren Actionszenen verbunden; bis dahin vergeht aber erst eine Weile.
Cross merkt nach seiner Rückkehr nach USA und dem Wiedersehen mit seiner Frau Sarah [ Joanne Linville ] rasch, dass es etwas faul ist; er von den eigenen Leuten der CIA auf Schritt und Tritt beobachtet wird. Das fertige Kündigungsschreiben an seinen Chef McLeod [ John Colicos ] kann er sich also sparen; er entledigt sich seiner Verfolger und setzt sich über Kanada nach Wien ab. Der Jäger wird zum Gejagten. Gut und Böse verschiebt sich ineinander und ist nicht mehr auseinander zu halten, weil nur die Zeit und damit der befehlende Mann an der Macht der einzige Unterschied für dieses Kriterium ist.
Die Ehefrau muss er zurücklassen, aber sie ist auch der Grund, weswegen er sich nicht einfach verkriechen und damit unsichtbar werden kann. Die Ehe hat seit fast 30 Jahren Bestand und anscheinend auch mehrere Gefahren von ausserhalb überstanden, er will sie nachholen. Er muss es. Sie gehört zu ihm; ist für ihn der Weg hinaus. Und damit ist sie auch zugleich sein einziger Schwachpunkt.
Heischende Effekte werden nun deutlich hinter die Geschichte gestellt; das Drehbuch samt der psychologischen, gesellschaftlichen und politischen Umstände ist wichtiger.
Wie auch bei Kalter Hauch [ 1972 ] sind die Charakterisierungen bedeutsam und geben den Anreiz für die schnelleren Abschnitte; aber wo dort alles einfach gehalten wird, wird hier zuungsten dieser vermehrten Faktoren etwas überlastet. Zwischenzeitlich will man zuviel und verliert wegen der Masse auch an Geschwindigkeit, was sich besonders an einigen ausführlicheren Rückbesinnungen bemerkbar macht:
Cross zieht in Wien heimlich bei seinem alten Freund Sergei Zharkov [ Paul Scolfield ] ein, der ihn auch bereits seit 30 Jahren kennt und mal auf der eigenen Seite stand und mal auf der des Feindes; was aber die Freundschaft und das Vertrauen zueinander nie etwas anhaben konnte. Zharkov arbeitet nämlich für den russischen Geheimdienst, welcher nun auch brennend an Cross interessiert ist; aber er gewährt ihm nicht deswegen Unterschlupf, sondern aus rein persönlichen Gründen. Nicht nur die beiden Männer sind Relikte ihrer Zeit, sondern auch ihr Verhältnis zueinander; trotz der Veränderungen sind sie sich gegenüber immer gleich geblieben.
Diese Relation ist das Mittelstück des Filmes; alles andere drumherum stellt mit seiner Kaltschnäuzigkeit der mittlerweile technokratisch arbeitenden Handlanger und dem offenen Zynismus der gegenwärtigen politischen Lage den Kontrast und damit die entscheidende Gegenwirkung dazu dar. Ausserhalb des Zusammenhaltes zwischen Cross und seiner Frau und seinen alten Freunden - und auch zwischen ihm und dem ihn wertschätzenden Scorpio - steht nämlich das Grössenverhältnis der Regierungen, die ihre Netze einfahren und dabei keine Gefangenen machen.
Aus dem Aufzeigen dieses Unterschiedes verliert der Film zwar seine Fahrt, nimmt aber andererseits auch dann noch seine Energie, wenn er mal zu lange zur Ruhe kommt. Oder freiwillig einen Witz macht und dabei etwas lächerlich wirkt. Oder auch mal etwas plumb erscheint und die Dinge zu einfach sieht.
Und dies kommt eben auch vor [ vor allem Sarah benimmt sich einmal sehr „ungeschickt“ ]; soll aber vergessen sein, wenn die massgeblichen Ereignisse in Angriff genommen werden.
Als wohl nachdrücklichste Einheit dürfte die Verfolgungsjagd durch Gassen, vollbefahrene Strassen und die riesige U – Bahn - Grossbaustelle am Karlsplatz am längsten im Gedächtnis verbleiben. Nicht nur weil dort am Ergiebigsten die Schiessereien, Stunts und Explosionen gehortet sind, sondern weil der freiliegende Schauplatz mit seinen fünf unterirdischen Geschossen die ideale Bühne dafür abgibt. Ausserdem ist der Film hier mal auf Mann gegen Mann beschränkt; manchmal schadet es eben nicht, sich auf die Äußerlichkeiten einzuengen.
So sorgt das einfach gehaltene Ende nebst einer Überraschung durch seine simple Direktheit auch für mehr Wirkung als es die zahlreichen Dialoge davor tun. Hätte man vielleicht mal etwas häufiger beachten sollen; auch haben die Paarungen Jean-Louis Trintignant / Roy Scheider und Charles Bronson / Jan – Michael Vincent etwas mehr zugesagt als Lancaster / Delon.
6.5/10