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Nachdem unerwarteten Erfolg von Bloodsport (1988) stand Jean-Claude Van Damme die Tür der Filmwelt sperrangelweit offen und Cannon bot seinem aufstrebenden Actionstar 3 Projekte für seinen nachfolgenden Actionreißer an: Delta Force 2, American Ninja 3 oder Cyborg. Während sich "The muscles from brussels" für den Endzeit-Actioner Cyborg entschied, hatte Cannon bereits das nächste Ass im Ärmel: Van Damme sollte seine Rolle des kickboxenden Ringkämpfers mit Herz im ähnlich ausgelegten Kickboxer (1989) wiederholen. Was damals noch keiner wusste: Kickboxer sollte den Erfolg von Bloodsport nicht nur einstellen, sondern um ein vielfaches übertrumpfen. Mit einem Budget von 2,7 Millionen Dollar konnten weltweit über 50 Millionen Dollar eingenommen werden, gigantische Zahlen für so eine kleine Produktion. Für die Fans ist der unterhaltsame Kampfkunstfilm ungeahndet der etwas überladen wirkenden Story und der ausbaufähigen Darstellerleistungen vor allem wegen seiner inspirierenden Trainingsmontagen und seiner knallharten Martial-Arts Kämpfe eines der beliebtesten Werke des Belgiers. 

Ursprünglich sollte Chuck Norris die Hauptrolle übernehmen, da sich Cannon aber vom Newcomer Jean-Claude Van Damme mehr Dynamik versprach, erhielt er den Zuschlag. Für den Part von Van Dammes Filmbruder konnte der Profikickboxer und ehemalige Weltmeister im Halbschwergewicht Dennis Alexio verpflichtet werden. Die Regie übernahm Marc DiSaille, welcher noch bei Bloodsport als Produzent auftrat und später das Jeff Speakman Debüt Eine perfekte Waffe (1991) realisieren sollte. Die von DiSaille und Glenn A. Bruce geschriebene Geschichte ist  relativ simpel, wird aber von unnötigen Nebeninhalten breitgetreten, so dass sich Kickboxer nicht immer auf das Wesentliche konzentrieren kann, was für so manchen Gähner vor allem in der Filmmitte sorgt.  Der US-Kickboxweltmeister Eric Sloane ( Dennis Alexio) wird vom thailändischen Muay-Thai Kämpfer Tong Po (Michel Qissi) im Ring zum Krüppel geschlagen. Sein Bruder Kurt Sloane (Jean-Claude Van Damme) sinnt nach Rache und sucht den Kampfsportmeister Xian (Dennis Chan) auf, damit dieser ihn mit einem mörderischen Training auf den Rückkampf gegen Tong Po vorbereiten kann. Doch der korrupte Tong Po weiß sich zu wehren: Er vergewaltigt Xians Nichte Mylee (Rochelle Ashana) und entführt Kurts Gefolgsleute, um dessen Niederlage im Ring zu erpressen....

Dass das Prunkstück von Kickboxer die gefällig inszenierten Martial-Arts Zweikämpfe sind, dürfte keine all zu große Überraschung sein, immerhin hat Jean-Claude Van Damme höchstpersönlich die Fights zusammen mit Michel Qissi choreografiert. Selbstverständlich sind die Duelle mit Van Dammes Beteiligung auf seine Stärken zugeschnitten, so darf der ehemalige Team Karate Europameister von 1980 sein ganzes Repertoire an Tritten und Hieben präsentieren. Angefangen mit knallharten Faust- und Ellenbogenschlägen  bis hin zu seinen berühmten Dreh- und Highkicks, natürlich darf der charakteristische Van Damme Spagat auch nicht fehlen. Für die passende optische Inszenierung sorgt Mark DiSaille mit Höhepunkt herausstreichenden Zeitlupen, effektvollen Perspektivwechseln, detailreichen Nahaufnahmen und brachialen Schlagwiederholungsanimationen. Die Intensität der Kämpfe wird kontinuierlich gesteigert und kulminiert im ausgiebigen und spektakulären Showdown der beiden Erzfeinde, welcher als 12 minütige, blutige Kickboxschlacht den Puls eines jeden Kampfsportfans in ungeahnte Höhen treiben dürfte. Einen erheblichen Teil zum Gelingen des Finales trägt auch Michel Qissi bei, der Van Damme einen ebenbürtigen Gegner beschert und als unbesiegbar anmutende, gewissenlose Kampfmaschine eine hervorragende Figur abgibt.

Ein weiterer Grund, sich Kickboxer anzusehen, sind die mit einem hohen Motivationsfaktor ausgestatteten, umfangreichen Trainingssessions, in welchen Van Damme seine zweifellos beachtliche Körperbeherrschung zu esoterischen Klängen demonstrieren kann. Zu den Standardübungen wie Schattenboxen oder Sparring werden außergewöhnliche Methoden wie beispielsweise das Palmentrittgewitter, die provozierte Kneipenschlägerei  im betrunkenen Zustand oder auch die Hundejagd nach dem an Van Dammes Fuß befestigten Stück Fleisch angewandt, was ihm im wahrsten Sinne des Wortes flinke Beine macht. Neben der Fitness wird auch die mentale Seite eines angemessenen Trainings nicht vernachlässigt, durch die Beherrschung von Körper und Geist lernt der Schüler die verborgenen Geheimnisse der exotischen Kampfkunst kennen und wird darauf vorbereitet, auch mit den schlimmsten Schmerzen im Ring zu bestehen.  An dieser Stelle sei auch nochmal ein gesondertes Lob an Dennis Chan ausgesprochen, der den weisen Kampfsportmeister Xian äußerst sympathisch verkörpert und mit seiner von innen ausstrahlenden Ruhe über den Dingen zu schweben scheint.

Dass  Jean-Claude Van Damme über Nacht nicht zum "Oscaranwärter" mutiert, sollte klar sein. In Kickboxer hatte er nur ein entscheidendes Problem: Seine Filmfigur ist in viel mehr Dialoge verwickelt, wie noch in Bloodsport, wodurch sein bemühtes, aber gleichzeitig auch hölzernes Schauspiel deutlicher ins Auge sticht. Aber wie heißt es so schön: Übung macht den Meister und in seinen folgenden Filmen sollte der Belgier immer mehr Sicherheit ausstrahlen. Außerdem können auch die weiteren Akteure darstellerisch keinen Blumentopf gewinnen und agieren , wie es zu erwarten war, bestenfalls auf  B-Movie Standard Niveau, so dass Van Damme sich hier nicht all zu schlimm blamiert. Viel störender empfand ich hingegen die unnötigen Subplots um den Erpresserring und Xians Nichte Mylee, in welche sich der Held am Ende auch noch verlieben darf, die klischeebeladenen Inhalte bringen den Streifen keinen Deut weiter und  behindern am Ende des Tages nur den flüssigen Handlungsablauf. 

Für die weiteren 4 Fortsetzungen von Kickboxer stand Jean-Claude Van Varenberg, so sein bürgerlicher Name, nicht mehr zur Verfügung. Warum der deutsche Verleih allerdings den ersten Teil des Franchises nun der Karate Tiger Serie zuschrieb, erschließt sich mir nicht wirklich, wahrscheinlich deshalb, um eine Eselsbrücke zu No retread, no surrender (In Deutschland Karate Tiger 1) zu bilden, in welchem Jean-Claude Van Damme bereits den Bösewicht spielte. Vom existierenden Titel Wirrwarr einmal abgesehen, darf sich Kickboxer, auch wenn er auf Grund der kommunizierten Defizite bei weitem nicht perfekt ist, zusammen mit dem leicht schwächeren Kickboxer 2 - Der Champ kehr zurück (1991) als unterhaltsamster Vertreter der Kickboxer Pental5ogie fühlen. Er überzeugt durch beeindruckende Martial-Arts Action, knallharte Kämpfer, anspornende Trainingssequenzen und eine kindlich naive Unbekümmertheit, wie sie wohl nur in den 80er Jahre möglich war. Für Martial-Arts und Jean-Claude Van Damme Anhänger ist Kickboxer eine Pflichtlektüre und auch die Freunde des klassischen B-Movie Actionfilms gehen kein Risiko ein, wenn sie einen Blick riskieren würden, sofern dies nicht schon längst geschehen ist. Nok Su Kow! MovieStar Wertung: 7,5 (~8)/10 Punkte


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