Etwas, das in den USA ein solides Thriller-Produkt von der Stange wäre, bekommt hier durch das Flair des Nordeuropäischen einen ganz anderen Dreh. “Rancid” ist anspruchslose, durchweg fesselnde Hochglanzware, die mit nie zu aufdringlichen Storytwists in a Row aufwarten kann und die Zeit mit ordentlich Zündstoff zu füllen vermag.
Mit seinen zahlreichen digitalen Zooms in die Großstadt hinein oder aus ihr heraus, mit extrem langgestreckten, im Zeitraffer zusammengekürzten Kamerafahrten und sonstigen Effekten, die das Ausmaß perspektivischen Beweglichkeit dokumentieren, bieten sich auf dem visuellen Sektor Vergleiche mit Marc Forsters diesbezüglich zum Teil innovativen “Stay” an. So wird das Areal zum digitalen Spielplatz des Kameramanns und die Handlungswege der Figuren werden nicht selten schon mal vorweggenommen; Optionen werden ihnen angeboten und nun darf man gespannt darauf warten, welchen der angebotenen Wege der Protagonist nun einschlagen wird. Filme wie diese bringen sich als Medium der Optionalität des Videospiels immer näher.
Die Kehrseite dessen ist eine meist vernachlässigte Geschichte, deren Schwächen durch effekthascherische visuelle Effekte verschleiert werden sollen. Tatsächlich bietet auch “Rancid” nicht gerade ein Ausbund an Originalität, sondern vielmehr einen Standard-Plot, dessen Wurzeln bis tief in den ursprünglichen Film Noir reichen: Ein beruflich am Ende seiner Geduld stehender Außenseiter trifft auf einem Klassentreffen seine frühere Freundin wieder, die inzwischen mit einem wichtigen Geschäftsmann eine von Misstrauen und Gewalt geprägte Ehe führt. Sie ist über dessen illegale Machenschaften informiert und fürchtet um ihr Leben, nachdem sie sich auf eine Affäre mit ihrem Ex-Freund eingelassen hat und diesen über die Machenschaften informiert. Und so nimmt das Spiel seinen Lauf und der Held wird in einen Strudel aus Mord und Korruption hineingezogen.
Die Struktur gesellt sich zur Verspieltheit der stilistischen Ausrichtung und beginnt kurz vor dem Ende in einer für die Hauptfigur ziemlich kniffligen Situation, um dann von hinten aufgerollt zu werden, bis ein abschließendes Finale schließlich das Ende herbeiführt. Dort also ein wenig “Stay”, hier ein bisschen “Irreversibel” und der Sättigungsgrad des Knoblers ist schnell erreicht, auch ganz ohne einfallsreiches Drehbuch.
Doch nimmt sich der Plot nicht ernster als nötig und so ist es relativ einfach, sich fallen zu lassen und dem Geschäftsmann, seiner Femme Fatale von Frau, dem Außenseiter und dessen Freund, dem Polizisten über die Schulter zu schauen und die zahlreichen Wenden einfach ihrer Effekte wegen auf sich wirken zu lassen wie einen reißerischen Schundkrimi, den man schließlich auch nur der Unterhaltung wegen konsumiert.
Die Darsteller leisten ihren Beitrag, indem sie ihren Job überzeugend erfüllen und jeweils genau das richtige Maß an Empathie erzeugen können; die Hauptfigur erweckt als Verlierertyp mühelos Sympathien, der Geschäftsmann ist unschwer erkennbar ein ziemliches Dreckschwein, die Selbstjustiztendenzen des Polizisten erscheinen in der jeweiligen Situation nur gerecht und die Frau im Zentrum kann man nur sehr schwer einschätzen. Hinzu kommen interessante Nebencharaktere wie der stets für einen witzigen Spruch brauchbare Sidekick-Kollege des Polizisten oder der ominöse dritte Mann, der alsbald auftaucht.
Der Langhaltswert darf bei alldem freilich bezweifelt werden; “Rancid” ist nicht mehr als ein guter Abendfüller, der für seine Zwecke wirklich was kann. Ist der Abend jedoch vorbei, denkt man wahrscheinlich eher wieder an den Streifen vom Vorabend, der einem nicht mehr aus dem Kopf will; der, der einen über Tage, Monate oder gar Jahre beschäftigt. Dimensionen, an denen “Rancid” nicht einmal kratzen möchte.