Wie Darren Aronofsky seinen Protagonisten schon in “π” feststellen ließ: Die Welt ist nach Mustern geordnet und diese Muster kehren immer wieder. Eine mögliche Interpretationsebene von “The Fountain” könnte ganz genauso verortet werden. Das Leben, seine Begleitumstände und seine Erscheinungsformen - Glauben, Kultur, Liebe, Tod - all dies folgt einem immer wiederkehrenden Muster. Vielleicht bietet Aronofsky genau deswegen konservativen Kitsch eines esoterisch angehauchten Liebesfilms auf, der seinen Gegenstand mit der Ewigkeit in Einklang bringen will - so wie es schon unzählige andere vor ihm gemacht haben, denen nichts besseres eingefallen ist, um das nach wie vor unergründete Gefühl der Liebe in Bild und Wort zu fassen.
Dieses Motiv ist dazu in der Lage, den gesamten Film zu zerstören. Der stete Wechsel zwischen drei zeitlichen Perioden kann als das totale Chaos rezipiert werden, eine strahlende Buddha-Figur, die schwerelos im Sternenhimmel schwebt, wird wahrscheinlich mit Lächerlichkeit in Beziehung gebracht werden. Um das Universum nicht zerbersten zu lassen, benötigt man einen Schlüssel, der die Muster erklären kann und sie von dem Kontext des esoterischen Kitschs löst. Der Schlüssel liegt in der Interpretation und deswegen ist “The Fountain” ein Film, dessen Quintessenz von der Interpretationsfläche des einzelnen Individuums abhängig ist. Einer “objektiven Wertung”, sofern man an eine solche glaubt, entzieht sich das neue Werk des Ausnahmeregisseurs mehr als die meisten anderen Filme - ganz gleich wie oft jemand daherkommt und von sich behauptet, die einzig wahre Analysefläche aufgestellt zu haben. Eine solche existiert nämlich nicht.
Dafür, dass “The Fountain” drei voneinander unabhängige Ebenen nahtlos miteinander verwurzelt und Bezüge zwischen ihnen erstellt, erscheint die Laufzeit von gerade mal 93 Minuten erstaunlich kurz, doch befreit von narrativen Zwängen hat Zeit diesmal eine ganz andere Bedeutung - sie nutzt ihren relativen Charakter. Ungeachtet der gefährlich kitschigen Geschichte geht Aronofsky auf der Erzählebene erstaunlich wissenschaftlich-kognitiv vor. Mit der Zeit- und Schwerelosigkeit der Thematik hat die Struktur nicht mehr viel gemein. Greift sie einmal einen Gedanken auf, wird er durch bildliche Reize ins Gehirn eingebrannt und auf die nächsthöhere Ebene übertragen. Theoretische Erkenntnisse, die der Konquistador im 16. Jahrhundert aufstellt, manifestieren sich im Jahre 2500 in einem glänzenden Baum, der mit einem Astronauten in einer Blase eingeschlossen ist und auf diesen reagiert - schließlich geht er eine Symbiose mit ihm ein. Photosynthese gegen Atmung. Die Symbolik ist allgegenwärtig, sie zeigt sich in der kreisförmigen Blase als das Unendliche ohne Ansatz- und Endpunkt, im Baum und seinen Wurzeln als Inbegriff des Lebens.
Es wird mit der Psyche des Betrachters gespielt, wie ein Rorschachtest häufen sich Muster an, deren Anordnung ein zufälliger Niederschlag von einer Materie auf die andere ist. Die funkelnde Atmosphäre des flüssigen Goldes, das als Hintergrundbeleuchtung auserwählt wurde, um die Entstehung des Lebens darzustellen, sind kein CGI-Produkt, sondern Mikroskopaufnahmen der chemischen Reaktion von Stoffen aus einer Petrischale. Es heißt, dieser kostengünstigere Weg wurde wegen der Budgetkürzungen eingeschlagen, die nach der Absage von Brad Pitt und Cate Blanchett vorgenommen wurden. Doch egal ob mit einem höheren Budget der Weg über die Computeranimation beschritten worden wäre, die extravagante Special Effects-Lösung, die nun gewählt wurde, ist ein wahrer Glücksgriff für das Gesamtwerk. Nicht nur strahlen die Bilder eine ganz eigenwillige Faszination aus, die man kaum wieder so schnell vergessen wird, auch unterstützen sie das Schema besser, als es ein computergeneriertes Bild je hätte schaffen können. Anstatt von berechneter Kalkulation steht nun das Zufallsprodukt, eine mikroskopische Nahaufnahme der Entstehung des Lebens, die voll und ganz auf dem Prinzip des Zufalls basiert. Und darin ergeben sich nun zurückkehrende Anhäufungen, Gebilde, Figuren, die man wiedererkennt. Dabei ist alles ohne Bedeutung. Und doch ist die Welt voll davon. Das Leben ist ebenso redundant wie es alles ist, was existiert. Eine chemische Reaktion, die möglicherweise auch für die Liebe gilt, die hier scheinbar so oberflächlich und voller abgestandenem Pathos gefeiert wird als das Alpha und das Omega.
Dazu die Ergänzung des Optischen durch das Akustische, das den Bilderreigen fast durchgängig mit melancholischer Musik einspannt, die das komplette Geschehen zu einem großen Höhepunkt ausbildet, der in der Tat mit einem Knalleffekt und gleißendem Licht endet. Doch das bedeutet nicht die Geburt, sondern den Tod. Und dann doch wieder den Neubeginn.
Das klingt verwirrend und überladen? Doch genau so ist der weniger mit dem Verstand als vielmehr mit angeborenem Instinkt aufzunehmende Trip zu verstehen. Aronofsky erschafft eine Antithese zum aktuellen Gegenwartskino und stellt sich ganz bewusst gegen den Strom, in dem er sich als Teil des Gegenwartskinos wohl oder übel befindet - er beansprucht ganz einfach Zeitlosigkeit für sich. Und das Potenzial dafür muss man dem Resultat zugestehen, ganz gleich, ob man es nun wohlwollend aufnimmt oder nicht. Der surreal und überweltlich wirkende Sog entfaltet eine Anziehungskraft, die wahrlich nicht alltäglich ist. Zwar ist “The Fountain” durch die Intention seines Erschaffers Kunst, aber eben nicht künstlich. Sämtliche Abstrakta dieser Welt werden in einen Zusammenhang gebracht - sie vereinen sich in einer Konstruktion, die der Chaostheorie nicht unähnlich ist. Sie faltet Zeit und Raum, hebt Religionen gegeneinander auf und löst sich explosionsartig in ein großes Nichts auf.
Ohne jeden Zweifel muss sich Aronofsky insbesondere nach seinen gefeierten Vorgängerwerken nun Größenwahn vorwerfen lassen, aber wahrscheinlich ist der Grund für die Bebilderung des Unmöglichen das exakte Gegenteil: das Gefühl, sich selbst mikroskopisch klein vorzukommen. Das Gefühl, nur ein Mensch zu sein.