Kaum ein Regisseur kann eine so unterschiedliche Vita aufweisen wie der mexikanische Filmemacher Guillermo del Toro. Neben oberflächlichen Effekt-Spektakeln à la "Blade 2" oder "Pacific Rim" dreht er immer wieder leise, künstlerisch hochwertige Werke, in denen oft Fantasy, Horror und behutsames Drama ineinander fließen. So auch in "Pan's Labyrinth": Mit der Geschichte um ein junges Mädchen, das im Spanien der Franco-Ära unter dem neuen Stiefvater, einem grausamen General der Armee, leidet und von einem mysteriösen Pan in eine zauberhafte Welt entführt wird, hat del Toro eines seiner großen Meisterwerke geschaffen.
Eines haben del Toros sonst so unterschiedliche Filme gemein: die große visuelle Fantasie des Regisseurs, speziell wenn es um Monster geht. Dementsprechend fallen auch hier die fantastischen Welt opulent aus: Bizarre bis abstoßende Figuren (vor allem der blinde Menschenfresser dürfte eine der grässlichsten Gestalten sein, die je auf die Leinwand losgelassen wurde) tummeln sich in einem Reich, in dem immer wieder unter der Oberfläche der gewöhnlichen Umgebung übersinnliche Erscheinungen zu Tage treten. Eine Gottesanbeterin verwandelt sich in eine Fee, unter einem abgestorbenen Baum haust eine riesige Kröte und ein verfallenes Steinlabyrinth ist der Eingang zu einer anderen Welt. Mit umfangreicher, sehr fantasievoller Ausstattung und berauschendem Creature-Design erweckt del Toro diese unsichtbare Welt zu opulentem, immer wieder beeindruckendem Leben.
Obwohl auch diese Fantasiewelt ihre düsteren Seiten hat, stellt sie doch mit ihrer Hoffnung auf ewiges Leben und Glück einen krassen Gegenentwurf zur Darstellung der grausamen Kriegs-Realität dar. Mit dem brutalen General zeichnet der Film ein menschliches Pendant zu den Monstern des anderen Reiches, der mit Vorliebe foltert und mal eben tötet, weil man ihn unnötig gestört hat. Der Kampf zwischen ihm und einer Gruppe von Widerstandskämpfern zeigt die erbarmungslose Härte des Kriegs und der Diktatur. Schonungslos offenbart del Toro Folterszenen, Verstümmelungen und blutige Kämpfe. So entsteht sehr schnell eine bedrückende Atmosphäre aus allgegenwärtiger Angst und Gewalt.
Dies findet auch farbdramaturgisch Niederschlag: Die Bilder sind trist und grau, meistens regnet es oder es ist Nacht. Auch hier ist es wieder die andere Welt, die mit viel Farbe, hellem Licht und ausuferndem Design einen visuellen Kontrapunkt setzt. Diese Welt, das zeigt sich sehr schnell, ist die einzige Hoffnung des kleinen Mädchens, ihrer beängstigenden Umgebung zu entfliehen. Und so lässt del Toro es zum Schluss gar offen, wie viel hiervon Wahrheit war und wie viel nur die verzweifelte Wunschvorstellung seiner Protagonistin.
Dass "Pan's Labyrinth" mit seiner Mischung scheinbar unvereinbarer Genres funktioniert, liegt vor allem an der behutsamen, sehr gefühlvollen Ausgestaltung seiner Hauptfiguren. Auch dank der guten Darsteller werden die Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte der Charaktere deutlich und nehmen den Zuschauer schnell gefangen. So entwickelt sich ein subtiler Spannungssog, der mit jeder dramatischen Wendung intensiver wird und in ein packendes, bestürzendes Finale mündet.
"Pan's Labyrinth" ist ein einzigartiger Film, ebenso grausamer Kriegs- wie fulminanter Fantasyfilm und berührendes Drama. Ein Film, der schockiert, bewegt und immer wieder erstaunt. Prächtige Fantasiewelten, atemberaubende Bilder und eine tieftraurige, aber auch hoffnungsvolle Geschichte machen ihn zu einem poetischen Meisterwerk. Wirklich schade, dass dieses Fest der Fantasie bei der Oscarverleihung gegen einen so herkömmlichen Film wie "Das Leben der Anderen" verloren hat.