Oft hört man, "Gonin" sei die japanische Variation von Quentin Tarantinos vier Jahre zuvor entstandenen "Reservoir Dogs". Und ja, die Parallelen sind da. Es gibt jene kaltschnäuzige Gewalt und auch die direkte Erzählweise erinnern an den amerikanischen Hit. Doch der vorherige Comiczeichner Takasi Ishii dachte bei seinem Film wohl doch an etwas anderes, als "Reservoir Dogs". Denn storytechnisch versagt der düstere Gangsterthriller oft, während Ishii ein schlichtweg perfektes Bild des Großstadtmolochs Japans abgibt.
Die Geschichte ist nichts Besonderes. Der schwuler Discobesitzer Bandai (Koichi Sato) steht bei den dicken Yakuzabossen in der Kreide, und heckt einen Plan aus, der zum Scheitern verurteilt ist. Er stiehlt dem Yakuza seine Millionen, um sich selber aus der Schuldenfalle herauszumanövrieren. Für die gewagte Aktion rekrutiert er sich mittellose Loser, die ebenso wie er am Rande der Gesellschaft stehen: Der drogensüchtiger Ex-Cop Hizu, der nun für Bandai als Rausschmeißer arbeitet, der androgyne Messerstecher Mitsuya, der psychopathische Buchhalter Ogiwara, der sich seine Reise nach Hause nicht traut, weil er seiner Familie eingestehen müsste, dass er seinen Job verloren hat, und der einfältige Zuhälter Jimmy. Natürlich gibt es grobe Schwierigkeiten bei der Ausführung des Coups, und schon bald haben die Fünf zwei Profilkiller hinter sich her.
Das Drehbuch wirkt wie ein einzelner, langweiliger Plot, an dem man möglichst irre, so noch nie da gewesene Einfälle heranhängt, um den Film eine innovative Note zu verleihen. Da wäre die Homosexualität der beiden Hauptfiguren Bandai und Mitsuya, die es in einem vergleichbaren, amerikanischen Film nicht gegeben hätte. Oder die total kranke Perversität, in der Ogiwara lebt - eine solche Szene hat zwar eine gewisse Schockwirkung, jedoch wirken all diese "krassen, neuen Einfälle" aufgesetzt und nicht organisch aus den Charakteren oder der Handlung heraus entwickelt. Keiner der Figuren, sei es Bandai, noch Mitsuya, müssen zwingend für die Dramaturgie schwul sein, noch hat diese besondere Beziehung zwischen den Männern für das Ende eine Bedeutung; es ist nicht mehr als nur eine neue, ausgeflippte Idee, um jung, frisch und mutig zu wirken, und somit nicht mehr als ein künstlicher Mechanismus, und kein homogener Teil des Skriptes.
Davon mal abgesehen, ist der Film natürlich schon spannend, und gerade zum Finale hin, mit dem Auftreten von Takeshi Kitanos Killerfigur Kyoya, entwickelt sich ein schmerzlicher Drive um die schicksalhaften Figuren. Dass wir uns um die meisten Gangster einen feuchten Kehricht scheren, ist aber nun wieder eine Schwäche des Drehbuchs. Die sich durch ihre offenkundigen Perversitäten von jeglicher Identifizierung durch den Zuschauer verweigern, lassen es nicht zu, dass wir um ihr Wohl besorgt sind. Und so wirkt das tiefe Drama in den letzten Minuten zwar schon schlimm und schrecklich, berührt uns aber leider nicht.
Wo der Film dann letzten Endes punkten kann, ist, und das ist bei asiatischen Filmen ja nichts ungewöhnliches, die lupenreine Optik. Die kalte Nacht, die Ishii hier in Szene setzt, sieht sensationell aus. Auf die harten Yakuzagesichter werden weiche Schatten von auf Wasser reflektierendem Licht projiziert, und selbst wenn der Zuhälter verstümmelt und zusammengeschlagen im Dreck den blutigen Körper seiner Freundin in den Händen hält, durchbricht ein Regenbogen die triste Dunkelheit, und wir werden Zeuge eines jener Bilder, für die das Medium Film geschaffen worden ist.
"Gonin" ist weit davon entfernt ein Meisterwerk zu sein, und auch meilenweit weg von den Qualitäten eines "Reservoir Dogs". Letzterer punktete in ausgefeilter Charakterarbeit und witzigen Dialogen. "Gonin" ist jedoch eine Ansammlung von Postkartenmotiven aus dem grauenhaften, verkommenen Gangstermoloch Japans. 25 Postkarten pro Sekunde. "Gonin" ist ein frenetisches, ruhiges Gangsterdrama mit einem unterentwickelten Drehbuch, einem guten Casting, und einer überwältigenden Optik.