Review

Schatzsuche...

Während im Elektrofachhandel um die Ecke Tim Burtons A NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS zum tausendsten Mal als der Stop Motion Film überhaupt präsentiert wird und mit einer remasterten, neu ausgestatteten Doppel-DVD (ehrenwert) sowie einer pompösen Mega-Ultra-Collector's Edition für ca 80(!) Euro (weniger ehrenwert) Manfred Mustermanns Geldbeutel leeren soll, schlummern weitab von der öffentlichen Zuwendung Perlen des Animationsfilmes. Perlen, die sich nicht ins Rampenlicht drängen und die erst mühsam - oder per Zufall - gefunden werden müssen, die aber derart kostbar sind, dass sie jeden hungrigen, erschöpften Schatzjäger zum reichen Mann werden lassen.

Eine solche, mit 5 Minuten Länge ausgesprochen winzige Perle, hat eine wunderbare Dame namens Suzie Templeton 2001 vergraben. Ihr Kurzfilm DOG ist einer der wohl beeindruckendsten Animationsfilme die ich bisher mit meinen müden Augen betrachten durfte. Während Mr. Burton mit vor Fantasie strotzenden Märchenwelten bzw. -Figuren um sich wirft und anspruchsvollere Gesellen wie Jan Svankmajer oder die Gebrüder Quay ganz im Reich des Surrealismus, der Poetik und der Philosophie anzusiedeln sind, ging die damals eifrige Studentin Suzie Templeton mit DOG ihren eigenen Weg - und wie immer in der Kunst führt Individualität zu den besten Resultaten.

DOG erzählt eine Geschichte, wie sie auch in einem Spielfilm hätte erzählt werden können, bloß eben mit Puppen - und zeigt dadurch, wie präzise die atmosphärische Qualität des Puppen-Animationsfilms genutzt werden kann ohne sich in technischen Spielereien zu verlieren. Ich will kene konkreten Details der kurzen Handlung vorwegnehmen und nur verraten, dass Tod, Trauer und Depression die Schwerpunkte einer kleinen Familiengeschichte darstellen, die uns ohne Vorwarnung mit einem Kosmos der Tristesse konfrontiert, uns gerade soviel Zeit gibt, bis zum Hals darin zu versinken und dann völlig unvermittelt endet, wenn wir auch den letzten Gedanken an einen Ausweg verloren haben.

Das wesentliche Faszinosum an DOG ist dabei: Kein Schauspieler hätte die Trauer zu vermitteln vermocht, welche sich in den nahezu lebensecht animierten Puppen Templetons (ich habe nie bessere Bewegungsanimationen gesehen) widerspiegelt. Ihre Augen wirken beängstigend menschlich und lassen - auch wegen der hervorragenden Sprecher - tatsächlich echte, menschliche Seelen vermuten, die in den starren Körpern gefangen sind und niemals wieder ausbrechen können. Der feste Ausdruck der Traurigkeit auf den Puppengesichtern scheint für die Ewigkeit, ohne die Fähigkeit zur Mimik scheinen sie das Lachen für immer verloren zu haben. Entsprechend fällt auch die akustische Gestaltung des Films aus. Um die Erfahrung dieser Ausweglosigkeit komplett zu machen, vertraut die Regisseurin teils auf extrem bedrückende Stille, teils auf pointiert eingesetzte Musik, die nie übertrieben wirkt und den Zuschauer behutsam in das Alptraumgeflecht der Bilder einzuspinnen sucht.

Anders als Burtons Filme ist DOG mit ca 5 Minuten Länge leider etwas zu kurz für eine eigenständige Veröffentlichung. Das Kleinod hat zwar eine Auswertung auf diversen, DVD-Compilations (Bsp. RESFEST SHORTS VOL.2) erfahren, allerdings wird es dort wohl von den Wenigsten ohne gezieltes Suchen entdeckt. Das ist schade. Vor allem ist das schade, wenn man bedenkt, dass Templetons Oscar-Prämierte Interpretation von PETER AND THE WOLF von 2006 bereits auf DVD erschien und auf der Scheibe noch massig Platz für ein kleines Schmankerl gewesen wäre.


Also ein kurzes Fazit für einen kurzen Film:

Top-Animation + Top-Sprecher + Top-Geschichte + Einzigartige Atmosphäre = Top Bewertung

10/10 Punkten (mit Sahne obendrauf)

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